Tannhäuser in Düsseldorf: Der eigentliche Skandal

Veröffentlicht von Christian Holst am

In der Absetzung um die Düsseldorfer Tannhäuser-Inszenierung eskalierte auf der Facebook-Seite der Oper am Rhein und in den Feuilletons die Debatte, was der eigentliche Skandal ist: die Inszenierung oder deren Absetzung? In meinen Augen ist es ein klares Weder-Noch. Der eigentliche Skandal liegt ganz woanders.

Die Inszenierung ist kein Skandal, weil ihre Grundidee nur in ihrer unkundigen Einfallslosigkeit provokant ist. Mit Nazi-Bezügen gespickte Wagner-Inszenierungen haben eine jahrelange Hyperinflation hinter sich. Der konsequente Verzicht auf solche Bezüge wäre inhaltlich die weitaus grössere Sensation.

Die Absetzung der Inszenierung ist auch kein Skandal. Wenn der Regisseur Burkhard Kosminski in den Raum stellt, es könne sich bei der Absetzung um «eine neue Form der Zensur» handeln, dann ist das schlichtweg lächerlich und genauso unsauber gedacht, wie das Inszenierungskonzept. Das Ganze hat mit Zensur nichts zu tun. Genauso wenig, wie wenn ich nach einem Frisörbesuch unzufrieden bin und deswegen die nächsten drei Wochen nur mit Mütze vor die Tür gehe. Natürlich mag man es rückgratlos und feige finden, dass sich die Intendanz entschlossen hat, die Inszenierung abzusetzen, obwohl sie sie ja selbst freigegeben hat und bei der Premiere nicht das erste Mal damit konfrontiert wurde. Diesen Vorwurf muss sich die künstlerische Leitung gefallen lassen. Aber letzten Endes ist es doch ehrlicher, zu spät zu einem Fehler zu stehen, als gar nicht und sich stattdessen mit sich mit den üblichen ausgelutschten Floskeln um Kopf und Kragen zu reden. Von wegen, dass Kunst auch mal verstören und unbequem sein muss, keine Schönwetterangelegenheit ist und es ja auch gut ist, wenn «Theater oder Oper auch polarisieren». Nee, is klar. Das sind Aussagen, die wunderbar richtig klingen, ohne dass man sie mit irgendeiner Art Argument untermauern müsste und die sich wunderbar für den Shitstorm auf den Intendanten der Deutschen Oper am Rhein eignen. Oder anders gesagt: Schönwetter-Aussagen zur unhinterfragbaren Relevanz von öffentlich finanzierter Kultur.

Der eigentliche Skandal liegt in der unglaublich schnöseligen Haltung gegenüber dem Publikum, die in diesen Äußerungen im angeblichen Interesse der Kunst zum Ausdruck kommt. Nicht einmal Telekommunikationsunternehmen erlauben sich solch demonstrative Gleichgültigkeit gegenüber ihren Kunden, sondern behaupten ihre Kundenorientierung wenigstens noch. Die öffentliche Finanzierung schützt die Kultureinrichtungen vor der Meinung ihrer Besucher. Und sie sorgt zugleich dafür, dass sie ihre Anschlussfähigkeit an deren Lebenswelt verliert und damit mittelfristig auch die Relevanz, die eine öffentliche Finanzierung überhaupt erst rechtfertigt. Es nervt ja fast schon, dass man die Schweiz für so vieles als Vorbild heranziehen muss: direkte Demokratie, Altersvorsorge, Arbeitslosenquote und was weiß ich. Aber auch der hohe Eigenfinanzierungsgrad der Schweizer Kultureinrichtungen hat Vorbildcharakter. Er zeigt, dass das Schwarzweiss von «angepasstem Inszenierungsstil» und Freiheit der Kunst zu einfach gedacht ist.


4 Kommentare

MV7 · 22. Mai 2013 um 23:21

Ja Christian so isses … es gibt da so einen Begriff von unseren Opern-Talibans von der AMOP (facebook „Against modern oper production“) der das heisst „Regie-Theater-Mafia“ … soll heissen …ma einfach gesagt … rein subventionierter Kultur-Betrieb und deren Kritiker Klüngel zirkeln sich ihre eigenen Kreise … und der Kunde Zuschauer wird mit „friss oder stirb*“ abgespeisst.
*= bzw. wie in Düsseldorf „kolabier und gehe zum Arzt“

A · 23. Mai 2013 um 21:16

Der Skandal liegt vor allem in dem, wie Sie Ihre Haltung verallgemeinern und als allgemein gültige Haltung wiedergeben. Ich erwarte von einer Oper, sich mit Kunst kontemporär auseinanderzusetzen. Natürlich werden diese Leitprinzipien auch ausgenutzt, und selbstverständlich werden Fehler begangen, von künstlerischer, sowie verwaltungsbezogener Seite. Allerdings ist genau dies die Freiheit der Kunst, die absolut gar nicht mit der Dienstleistungsgesellschaft eines Telekomminikationsanbieters zu vergleichen ist. Wenn Sie dieses Vergleich ernst meinten, dann wäre das Theater tot.

Leider ist es so, dass Gegenwartskunst zum Zeitpunkt der Mache selten als solche verstanden wird. Nicht umsonst waren zu Wagners Lebzeiten die Opernhäuser regelmäßig leer, als seine Werke gespielt wurden. Aber selbst damals erkannte man, dass seine Art Musik zu machen neu und zugleich altbacken ist. Nicht umsonst haben schon EG Craig oder A Appia von 100 Jahren seine Konzepte auseinander genommen. Und genauso ist es heute. Genau so etwas brauchen wir auch, um die Kunstform am Leben zu halten, anstatt mit schäumendem Mund auf dem Handwerk des „Regietheaters“ herum zu hacken.

Ich gebe Ihnen allerdings recht, wenn Sie das System der ‚Jobvergabe‘ kritisieren. Da stimmt etwas im Deutschen System nicht. Das ist wahr. Allerdings ist der Vergleich zwischen einer sog. Kundenorientiertheit im Kunstbetrieb äußerst fragwürdig. Denn das hätte auch Wagner kaum gewollt: Dass Kunst nur Handelsware ist. DAS wäre dann der Skandal.

Christian Holst · 24. Mai 2013 um 5:44

Es wäre ja direkt eine Ehre, wenn dieses kleine Blog einen Skandal auslösen könnte. 😉 Im Ernst: Wo setzt man sich denn in dem Fall der Tannhäuser-Inszenierung kontemporär mit Kunst auseinander? Das Konzept ist ein Ausflug in die Mottenkiste der Opernregie der 70er Jahre. Auch wenn es gerne heisst, Theater müsse „heutig“ sein ist doch die Frage, was das eigentlich ist. (S. hierzu diverse Artikel auf diesem Blog.) Die Themen Wagner und Nationalsozialismus zusammenzuwürfeln ist es sicher nicht (mehr).
Beim Vergleich Telekommunikationsanbieter und Theater geht es mir nicht um die Art der Handelsware, sondern um die Haltung gegenüber den Kunden/Besuchern. Ich führe deswegen die Schweizer Kultureinrichtungen an, weil sie aufgrund eines hohen Eigenfinanzierungsgrads es sich nicht leisten könen, ihr Publikum zu verprellen und andererseits ein künstlerisches Niveau vertreten, das international eher überdurchschnittlich ist. Es ist also nicht so, dass eine Publikumsorientierung nur auf Kosten der Kunst funktioniert, wie gern – auch in Ihrem Kommentar – suggeriert wird. Es ist in meinen Augen auch das Einzige, was das Theater dauerhaft am Leben halten wird: hohe künstlerische Qualität, mit der die Menschen etwas anzufangen wissen. Dann muss man auch nicht bei jeder Budgetkürzung durch die öffentliche Hand das Rumpelstilzchen spielen, sondern hat einen Rückhalt und Freiraum, in dem man unternehmerisch für Kunst und Publikum aktiv werden kann.

Flo · 14. September 2013 um 14:11

Also im Spannungsfeld zwischen Kunst und Konsum kann es sicher sinnvoll sein, manchmal „ungeliebte“ Kunst zu schaffen und leere Häuser auch mal auszuhalten. Jedoch verstecken sich in solchen intellektuellen Wagenburgen auch gerne talentlose Narzissten. Zu denen darf man m.E. diesen Verunstalter des Tannhäuser zählen. Ist es wirklich anrüchig dem Publikum auch einen schönen Abend bereiten zu wollen? Muss es leiden, damit ich mich als Künstler als ein solcher fühlen darf? Ist mir die Rezeption wirklich völlig egal? Selbstverständlich nicht. Bei solchen Haltungen handelt es sich um nichts weiter als Ablehnung derer, die mich finanzieren. Nicht um eine Gleichgültigkeit gegenüber Geld wohlgemerkt, das wird ja verlangt…

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