Der «informierte Künstler» ist ein Unternehmer

Veröffentlicht von Christian Holst am

Auf nachtkritik gibt es seit einigen Jahren schon die Serie Debatte zur Zukunft des Stadttheaters. Besondere Highlights dieser Serie sind der Artikel von Ulf Schmidt zum agilen Theater und – ganz aktuell – ein Beitrag von Thomas Schmidt, der ein interessantes neues Reformmodell vorstellt, das man schleunigst einmal ausprobieren sollte. Schmidt beklagt, dass die Reformmodelle, die bislang diskutiert und umgesetzt wurden (zuletzt in Mecklenburg-Vorpommern), immer auf die Machtabsicherung der Intendanz abzielen. Als Alternative entwickelt er dagegen ein Mitbestimmungsmodell, das den „informierten Künstler“ voraussetzt. So wie ich den Beitrag lese, ist das einfach ein anderes Wort für den kulturunternehmerisch denkenden Theatermitarbeiter. Die in einer Person gebündelte Leitungsmacht wird durch ein Mitbestimmungsmodell, das Künstlern (und hoffentlich auch anderen Mitarbeitern) erlaubt, Einfluss auf die strategischen Entscheidungen ihres Theaters zu nehmen. Das ist eigentlich das Modell, das viele freie Orchester bereits praktizieren. Meine These ist ja, dass sich eine solche unternehmerische Haltung auch sehr positiv auf die künstlerische Klasse auswirken wird. Wäre interessant zu sehen, ob sich dieser Effekt im Theaterbereich auch so zeigen würde.

Auch die Vorschläge zu einem neuen Gagensystem sind interessant. Schmidt schlägt ein nach Dienstjahren gestaffeltes System vor, das statt wie bisher bei 1850 bei 2600 EUR brutto/Monat startet und nach 10 Jahren Berufserfahrung bei 3600 EUR mit der Option auf Zuschläge endet. Entscheidend ist hierbei nicht die Dauer der Zugehörigkeit zu einem Haus, sondern eben die Berufserfahrung. Was dieser Vorschlag allerdings nicht löst ist das Problem von Baumols Kostenkrankheit. Solange die Theater nicht von Jahr zu Jahr mehr Geld erhalten, sei es durch öffentliche Zuschüsse oder Eigeneinnahmen, bleibt nur die Option, das Ensemble und damit auch das Angebot kontinuierlich zu reduzieren.

Was sich bei den Vorschlägen der beiden Schmidts auch zeigt: Bei den notwendigen Reformen sollte man auf Leute hören, die die Theaterpraxis inwendig kennen (Thomas Schmidt war Kaufmännischer Direktor des Nationaltheaters Weimar, Ulf Schmidt ist Theaterautor), als auf Berater, die zwar wissen, wie man Kosten senken kann, aber letztlich nur einen sehr begrenzten Sinn von dem haben, was künstlerische Produktion ausmacht und wie sie gedeihen kann.


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