Die Elphi als Hamburgs «Eventbude»

Veröffentlicht von Christian Holst am

Vor einiger Zeit hatte Ute Vogel auf Facebook eine Debatte darüber gestartet, ob es respektlos ist, am Ende von Aufführungen schnell zu verschwinden oder ob man nicht bis zum Ende des Applauses dableiben und klatschen sollte. Ich war und bin dafür, dass man auch gleich gehen darf, sei es, weil man auf Klo muss, einen Zug kriegen will oder den Abend in meditativer Stille nachklingen lassen möchte. Das muss nichts mit Respektlosigkeit gegenüber den Künstlern zu tun haben. Ich war allerdings eher auf verlorenem Posten mit dieser Meinung.

Letzte Woche musste ich an diese Diskussion denken, als ich ein Konzert von Nataša Mirković und Matthias Loibner im kleinen Saal der Elphi besuchte. Wenn es respektlos ist, direkt nach dem Ende des Konzertes zu gehen, fragte ich mich, was ist dann das richtige Adjektiv für das Verhalten des Publikums hier?

Ich kam mir vor im Cinemaxx, nur dass das Durchschnittsalter 30 bis 40 Jahre höher lag. Da wurde geredet, mit Bonbonbpapier geknistert, raus- und reingegangen (einige Personen mehrfach), gerülpst, gefurzt, mitgetrommelt, WhatsApp gecheckt, laut und befreit genießt usw. Viele Menschen hatten sich offenbar wahllos Karten gekauft – Hauptsache Elphi – um dann während des Konzertes festzustellen, dass sie mit Schuberts Winterreise für Stimme und Drehleier nicht so viel anfangen können. Was ja ok ist, was man aber vorher herausbekommen kann. Was abartig genervt hat war, dass diese Leute dann nach ca. 30 Min. anfingen, rauszugehen. Während der letzten 10 Minuten des Konzertes nahm das richtiggehend völkerwanderungsmäßige Züge an. Absolut ärgerlich, besonders in einem Konzert mit delikater Kammermusik und in einem eigentlich zu großen Saal mit einer überpräsenten Akustik.

Leider ist das das Verhalten, mit dem der Megaerfolg der Elphi erkauft wird, der jetzt gerade zum Jahrestag der Eröffnung allerorten besungen wird. Scheinbar kommen viele Menschen, um einfach mal in der Elphi gewesen zu sein, völlig egal, was gespielt wird. Ich habe von diesem Phänomen schon von anderen Konzerten gehört, es jetzt aber selbst das erste Mal so richtig miterlebt. In der vergangenen Saison fand ich das noch nicht so auffällig. Da gab es zwar auch Leute, die sonst nicht ins Konzert gehen. Aber die outeten sich dadurch, dass sie zwischen den Sätzen klatschten und manchmal flüsterten solange noch kein Solist aktiv war, aber nicht durch Rülpsen, Whatsappen und Raus- und Reinlaufen. In dieser Saison, für die es auch noch einmal viel schwerer war, Karten zu bekommen, scheint das nicht mehr zu gelten. Jetzt kommen die Prolos, die Elphi wird zu Hamburgs «Eventbude».

Für das Standortmarketing, den Tourismus und die nachträgliche Rechtfertigung, so viel Geld ausgegeben zu haben, mag das super sein. Es soll aber bitte niemand auf die Idee kommen, das als Beleg für die Popularität klassischer Musik oder als erfolgreiches Audience Development zu verkaufen. Der Musik bekommt es nicht und mir verleidet es die Konzertbesuche in der Elphi. Glücklicherweise gibt es ja nach wie vor die die Laeiszhalle, die auch kein schlechter Konzertsaal ist und für die man in aller Regel problemlos Karten bekommt. Außerdem bekommt das dortige Hausorchester, die Hamburger Symphoniker, mit Sylvain Cambreling einen sehr guten Dirigenten, der es hoffentlich und vermutlich sehr nach vorne bringen und interessante, gute Programme ansetzen wird. Nach der Elphi ist dann also eigentlich wie vor der Elphi. Vielleicht kann man ja ab übernächster Saison wieder hingehen, wenn der Hype abgeklungen ist und alle Deppen einmal da waren, um festzustellen, dass sie am Ende doch lieber ZDF-Fernsehgarten gucken, als sich Beethoven oder Schostakowitsch anzuhören.

Kategorien: Allgemein

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