Christian Holst

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Schlagwort: Museum

  • Warum das Theater?

    Christian Henner-Fehr warf neulich die Frage auf, welches die Aufgaben von Theatern heutzutage seien. Moralische Anstalten, wie Schiller und einige andere gefordert hatten, seien es ja nicht mehr. Ich wäre mir da nicht so sicher. Bis heute wird am Theater moralisiert, was das Zeug hält. Sicher formuliert man nicht mehr ganz so pathetisch, dass man »zur Veredelung der Sitten« beitragen möchte, aber die Hoffnung, das Theater möge die Besucher als etwas bessere Menschen wieder entlassen ist ungebrochen. Das Theater sieht sich nach wie vor als Instanz, die die Gesellschaft an ihre eigenen Grundsätze gemahnt, ihr »den Spiegel vorhält«, wie es immer so schön heißt, den Finger in die Wunden legt, verstört, unbequeme Fragen stellt und unser (musik-)dramatisches Kulturerbe dahingehend befragt, was es denn heute noch zu sagen habe.

    Versteht man den Theaterbetrieb als Gesellschaft im Kleinen, muss einem das ziemlich selbstgerecht vorkommen, da sich hier viele Errungenschaften noch nicht durchgesetzt haben, die gesellschaftlich völlig selbstverständlich sind. Kaum irgendwo gibt es noch derart hierarchische, im Wesen feudalistische Organisationsstrukturen und Arbeitsbedingungen, kaum irgendwo sonst sind Personen und Posten so eng miteinander verknüpft, kaum irgendwo sonst herrschen derart anachronistische Arbeitsstrukturen (ein Theaterbetrieb ist ja praktisch das Abbild eines mittelalterlichen Dorfes, in dem die unterschiedlichsten Handwerkszünfte in direkter Nachbarschaft zueinander existieren), kaum eine Branche, in der die Arbeitstechnik sich so langsam und wenig weiter entwickelt hat, wie im Theater. Die Beleuchtung, die Bühnen- und Tontechnik mögen besser und sicherer sein als noch vor fünfzig oder hundert Jahren. Im Grunde wird am Theater aber noch immer genau so gearbeitet, wie zu der Zeit, als man in Pferdekutschen statt im ICE reiste. Für das Musiktheater bezieht sich diese Diagnose nicht nur auf den Apparat, sondern genauso auf das Repertoire: die einigermaßen regelmäßig gespielten Opern, die jünger als 100 Jahre sind, kann man an einer Hand abzählen.

    Ausgerechnet ein Medium, das sich seit Jahrhunderten praktisch nicht weiter entwickelt hat, soll nun also in besonderer Weise unsere heutige Wirklichkeit reflektieren und hinterfragen können? Diese Vorstellung halte ich für ebenso naiv, als würde man wieder Tieropfer darbringen, um die nächste Naturkatastrophe abzuwenden und so abwegig, als würde man die Bedienungsanleitung für einen DVD-Player mit Keilschrift in Tontafeln ritzen. Die strukturellen Bedingungen am Theater erlauben nicht, den Zustand und die Komplexität der heutigen Gesellschaft glaubwürdig darzustellen und zu reflektieren, allein schon, weil es selbst weit hinter diesen Zustand zurückfällt.

    In meinen Augen kann sich das Theater sträuben wie es will, es ist ein musealer Apparat der museale Inhalte und Weltdeutungen vermitteln kann. Was überhaupt nicht schlecht ist. Es bietet einfach eine Möglichkeit, große Kunstwerke aus unserem kulturellen Vermächtnis in dem ihnen gemäßen Medium wieder zu geben und damit zu bewahren. Oper auf DVD ist in aller Regel gähnend langweilig, deswegen braucht es dramatische Museen, in denen man diese altertümliche Kunstform weiterhin rezipieren kann. Bewahren und zugänglich machen – das sind einige der ehrenwerten Aufgaben, die Museen erfüllen. Mehr kann auch das Theater, das ja selbst Museumsstück ist, nicht leisten. Die Kunstwerke sind alt, der Apparat ist alt und beides wird auch durch alle Gewaltanwendung nicht »heutig«.

  • Internationaler Museumstag: Revolution verschlafen

    Auf Kulturelle Welten schreibt Jörn Borchert über den 18. Internationalen Museumstag, der dieses Jahr auch in Second Life begangen werden soll. Das International Council of Museum (ICOM) entblödet sich nicht, dies vollmundig als Revolution anzukündigen. Das wäre es bestenfalls vor zwei Jahren gewesen, vor dem längst wieder abgeklungenen Hype um Second Life. Mit dem Satz

    Dass in die klassischen Museen das Eingang findet, was im realen Leben keinen festen Sitz mehr hat, das ist nicht neu.

    bringt Borchert ein interessantes Dilemma der meisten klassischen Kultureinrichtungen auf den Punkt: Sie dokumentieren und verwalten das, was sich als kulturgeschichtlich relevant erwiesen hat, aber sie sind selbst kaum je Orte kultureller Innovation oder zukunftsweisender Kreativität. Das gilt für Museen ebenso wie für Theater – mit dem Unterschied, dass bei letzteren viel weniger Bereitschaft herrscht, diese Tatsache einzugestehen.

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