Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Kategorie: Oper

  • Drei Orangen

    Endlich bin ich jetzt mal dazu gekommen, die Aufnahme von »L’Amour des trois Oranges« zu hören, die schon seit langer Zeit in meinem Besitz ist, die ich aber irgendwie nie die Lust zu hören hatte. Das hing wahrscheinlich mit der Erinnerung an eine anstrengende Aufführung dieser Oper in der Komischen Oper Berlin statt. Diese Aufführung war so anstrengend, dass ich kurzerhand eingeschlafen bin. Aber das hatte weniger mit der Qualität der Darbietung zu tun als mit meiner Verfassung an jenem Tag. Trotzdem ist mir der gesamte Abend nicht in besonders guter Erinnerung.

    Jetzt hat mir die Musik beim Hören allerdings wirklich gut gefallen. Sie ist gewitzt, schnell und mitunter auch abgedreht und erinnert daher etwas an »Die Nase« oder andere, leichtere Musik von Schostakowitsch. Auch die Geschichte ist bei Prokofiew ähnlich absurd wie in »Die Nase«. Insgesamt jedoch alles sehr viel zahmer, was mir aber nur recht ist.

  • Auszeichnung für Ruth-Berghaus-Look-And-Feel

    Das (Musik-)Theater Bremen ist von den Kritikern der Opernwelt zur Oper des Jahres 2007 gewählt worden. Zusammen mit der Komischen Oper Berlin. Allerdings war wohl weniger die künstlerische Qualität der letzten Saison ausschlaggebend, als viel mehr die schwierigen kulturpolitischen Bedingungen, unter denen Intendant Pierwoß 13 Jahre lang zu leiden hatte. In den Laudatios zu seinem Abgang war überhaupt vor allem davon die Rede, dass er sich von der opportunistischen, unbeständigen Politik nicht hat unterkriegen lassen. So heißt es auch bei der Opernwelt zur Begründung: »Mit Geduld, Leidenschaft, Leidensbereitschaft und Durchsetzungsvermögen sorgte Pierwoß für Oper auf Höhe der Zeit – gegen massive Widerstände aus der Politik«. Wobei »Oper auf der Höhe der Zeit« in meinen Augen nicht stimmt. Was ich gesehen habe, war leider einmal zu oft 80er-Jahre-Regietheater im Ruth-Berghaus-Look-And-Feel. 11 Uraufführungen hin oder her.

  • Mozart und Salieri-Blog

    Christian Henner-Fehr hat das längst überfällige erste deutsche Theaterproduktionsblog entdeckt. Zu der Produktion »Mozart und Salieri« (Rimskij-Korsakow) der Hamburger Musikhochschule gibt es ein begleitendes Blog. Bislang wurde das Produktionsteam vorgestellt. Richtig interessant werden dürfte es mit den ersten Probenberichten werden, die für 10. September ff. angekündigt sind. Interessant, weil erst damit ein Unterschied zu einer herkömmlichen Website besteht und weil es der für Theaterleute ungewohnten, für Web 2.0-Kommunikation aber typischen Offenheit bedarf. Mal sehen, wie es gelingt. Eine gute Idee auf jeden Fall!

  • Immer noch Sommerloch

    Nachdem Katharina Wagner sich im Sommer mit ihrer Meistersinger-Inszenierung über Hans Sachs‘ Schlussansprache aufgeregt hat, und damit zum 42.345. Mal die »unbequeme« Frage nach Wagners Nähe zum Nationalsozialismus gestellt hat, ist jetzt mal wieder Rudolf Steiner dran.

    Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat nämlich gerade überlegt, zwei seiner Bücher auf den Index zu setzen, wegen angeblich rassistischen Inhalts. Den Jugendlichen hätte ich gerne mal gesehen, der »Die Mission einzelner Volksseelen im Zusammenhang mit der germanisch-nordischen Mythologie« und »Geisteswissenschaftliche Menschenkunde« liest und wegen ein paar zweifelhafter Stellen zum rassistischen Hassprediger wird. Jetzt ist das Thema aber vom Tisch, weil der Rudolf-Steiner-Verlag zugesichert hat, einen kritischen Kommentar in die Neuauflage aufzunehmen. Hoffentlich werden die minderjährigen Steiner-Jünger diesen Kommentar genauso gründlich lesen wie die Bücher selbst und sich auf diese Weise vor ideologischer Desorientierung schützen. Tsss!!

    P.S.:Wer an einer differenzierten Bewertung der fraglichen Stellen interessiert ist – jenseits der tendenziösen Berichterstattung z.B. des Spiegelsklicke hier. Fazit:

    Die Zahl der Seiten, auf der Aussagen vorkommen, die als diskriminierend erlebt werden können, umfaßt weniger als ein Promille der gut 89.000 Seiten umfassenden Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe. Anthroposophie und Sozialdarwinismus widersprechen sich. Unterstellungen, Rassismus wäre der Anthroposophie inhärent oder Steiner wäre in konzeptioneller Hinsicht ein Wegbereiter des Holocaust, haben sich als kategorisch unrichtig erwiesen. Die Kommission kommt zu der festen Überzeugung, dass Rudolf Steiner im Vergleich zu anderen Vorkriegsautoren und Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts (etwa Hegel oder Albert Schweitzer) das Opfer selektiver Entrüstung geworden ist.

  • Die Rettung der Oper?

    Mittlerweile ist es ein bisschen her, dass Paul Potts in der Casting-Show »Britain’s got talent« gewonnen hat, aber ich bin erst heute im Opernblog drauf gestoßen. Eine schöne Geschichte, wie der unsichere, pummelige, schiefzähnige Handyverkäufer aus Wales das weibliche Jury-Mitglied und das Publikum um die Fassung bringt.

    Ob allerdings Paul Potts einem jungen Publikum die Oper nahezubringen vermag, wie ich es schon irgendwo frohlocken hörte bzw. las, wage ich zu bezweifeln. Oder hat man in letzter Zeit vermehrt Langhaarige in Lederkluft und Manowar-T-Shirt in »Turandot«-Vorstellungen gesehen?

    Gut, das hier ist natürlich ziemlich schrecklich gesungen. 🙂

  • Filmpreis für Wagner

    Nachdem ich neulich die E-Book-Fassung von Filmpreis für Wagner entdeckt habe, habe ich es mir auch prompt gekauft. Es ist wirklich interessant. Schulz denkt den schon häufiger geäußerten Gedanken, dass Wagners Musiktheater eine erstaunliche Nähe zum Film hat, konsequent zu Ende und plädiert dafür, seine Opern zukünftig lieber im Kino, am besten im 3D-Kino, aufzuführen.

    Das neue an diesem Gedanken ist, die Darbietung von Wagners Opern Musikdramen konsequent an dessen Idealvorstellungen auszurichten, anstatt die Werke auf die Möglichkeiten des Theaters herunter zu brechen. Das ist heute meistens der Fall, obwohl inzwischen die technischen Voraussetzungen bestehen, es besser zu machen. Die Ironie dabei ist, dass das sog. Regietheater üblicherweise darauf abzielt, Wagners Werk auf »heutig« zu trimmen und das damit begündet, dass seine ästhetischen Vorstellungen überholt und dem 19. Jahrhundret verhaftet sind. Bei Schulz läuft es jedoch darauf hinaus, dass Wagners Ästhetik sehr modern ist, aber der Apparat Theater einfach völlig veraltet und unzureichend ist und dieser Ästhetik deswegen nicht gerecht wird.

  • Wagner satt

    Heute gab (und gibt es noch) Wagners Ring auf 3sat. Nonstop von morgens um 9 bis Mitternacht. Und zwar in den vielgerühmten Stuttgarter Inszenierungen von Joachim Schlömer (Das Rheingold), Christof Nel (Die Walküre), Jossi Wieler/Sergio Morabito (Siegfried) und Peter Konwitschny (Götterdämmerung).

    Ich habe mich bei der Walküre reingeschaltet und es seitdem nebenbei immer mal wieder verfolgt. So vom Bildschirm aus hat mich das Ganze aber weder musikalisch noch szenisch überzeugt oder auch nur angesprochen. Ich hätte ja nicht gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber am besten gefällt mir noch die Konwitschny-Inszenierung, die etwas albern, aber deswegen eben auch unterhaltsam ist. Z.B. schickt Brünnhilde Siegfried im Bärenfell und mit Steckenpferd auf die Rheinfahrt. Und Waltraute seilt sich, mit klassischem Walkürenhelm und -panzer bekleidet (»so wie Wagner es wollte«), aus dem Schnürboden ab, um mit Brünnhilde Sektimbiss abzuhalten. Mal unabhängig davon, dass es sich hierbei natürlich genau um den von Werner Schneyder gemeinten überdotierten Schwachsinn handelt, ist es eben immerhin einigermaßen amüsant.

    Um die öffentliche Finanzierung dieses Rings zu legitimieren hat Klaus Zehelein natürlich noch ein paar gedrechselte Dramaturgenphrasen beigegeben. »Die Welt scheint in einem Anlauf nicht mehr darstellbar« heißt es auf der Website. Deswegen also vier verschiedene Regieteams. Und weiter: »Diesem ‚Zerfall der Totalen‘ sah sich die Stuttgarter Arbeit verpflichtet.« Nee, is klar.

    Bei Dieter-David Scholz gibt es zu den Mitschnitten eine lesenswerte Rezension, der ich nach meinen Eindrücken nur zustimmen kann. Die gesangliche Mittelmäßigkeit, die er anspricht, ist wirklich auffällig. Für die meisten Sänger scheint es einfach darum zu gehen, irgendwie bis zum Schluss durch zu kommen. Und unterm Strich bleibt die Frage: Was sagt dieser Ring eigentlich (neues)?

  • Cosi fan tutte in der Damensauna

    Noch was Interessantes zum Thema Musik und Oper habe ich im Urlaub beim Podcast-Hören entdeckt. In NDR-Kultur – Das Gespräch war am 24. Februar 07 Werner Schneyder zu Gast und sprach über seine Autobiographie. Da er als junger Mann eine Karriere als Wagner-Tenor erwog und später als Dramaturg arbeitete, kam die Sprache auch auf das Musiktheater. Auf die Frage, ob ihm im Operntheater heute zuviel Schindluder getrieben wird, antwortet Schneyder:

    Ich finde das Operntheater etwas Wunderbares, nur man muss sich klar machen: Es ist eine museale Kunst. Und gemessen daran, ist sie überdotiert. Und daher gibt es auch diesen unendlichen Starkult mit seinen Mega-Stargagen. Und das Gefälle zur sogenannten Provinz, die es heute nicht mehr gibt, also zu den Mittelbühnen, ist ganz einfach zu krass.

    Und weiter auf die Frage, wer dafür verantwortlich sei:

    Es ist das Feuilleton. Es ist ganz einfach das Feuilleton, das nicht sagt: Hier geschieht eine Trottelei. Sondern das Feuilleton sagt: Hier geschieht eine Innovation. Carmen in einem Iglu gespielt oder Cosi fan tutte in der Damensauna ist keine Innovation, sondern Schwachsinn.

  • Surftipp

    Die Seite von Dieter-David Scholz ist eine echte (Wieder-)Entdeckung. War schon lange nicht mehr drauf und habe jetzt viele höchst interessante Berichte gefunden, vor allem über Wagner.

    Zum Beispiel ein höchst aufschlussreiches Interview mit Brigitte Hamann über ihr Buch »Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth«. Dort geht es natürlich vor allem um Winifreds Verhältnis zu Hitler und zum Nationalsozialismus, aber auch um Wieland Wagners bis heute ziemlich tot geschwiegene Nazi-Vergangenheit. Er konnte später nur deshalb glaubwürdig zum Entnazifizierer Bayreuths werden, weil seine Mutter die gesamte Schuld auf sich genommen hat.

    Schön zu lesen ist aber auch die Kritik über das Buch von Axel Brüggemann, das ich zwar selbst nicht kenne, über das ich aber an anderer kompetenter Stelle ebenfalls schon einen saftigen Verriss gelesen habe. Wobei: kann man von einem Verriss sprechen, wenn fachliche Fehler und Halb- und Unwahrheiten benannt werden? Peinlich, dass ausgerechnet Bärenreiter solch einen Ausfall im Programm führt.

    Aber auch sonst sind dort etliche gut geschriebene, sehr interessante Texte zum Thema Musik, Oper und Aufführungskultur zu finden.

  • Hollywood avant la lettre

    Nochmal zum Thema Oper und moderne Technik. Gerade bin ich auf der Seite von Dieter David Scholz auf einen Buchtipp gestoßen, der extrem interessant klingt: »Filmpreis für Wagner. Eine zeitgemäße Betrachtung seines Theaters« von Eric Schulz, einem Musiktheaterregie-Absolventen der Hamburger Musikhochschule. Leider ist das Buch mit 49 Euro für 111 Seiten verdammt teuer. Allerdings gibt es bei Amazon auch eine E-Book-Fassung 19,99 Euro plus Versandkosten. (Für ein E-Book?!?)

    Scholz schreibt:

    In ihm lotet er (E. Schulz) konsequent Wagners Nähe zum Film aus und interpretiert das »Kunstwerk der Zukunft« als eine das Illusionstheater des 19. Jahrhunderts übersteigende Utopie, ja als Vorwegnahme von Ideen filmischer und elektronischer Medien.

    Dieses Buch wollte ich doch schreiben! Verdammt! 🙂 Ich hätte es allerdings »Hollywood avant la lettre« genannt. (Jetzt kann ich immerhin mal einen Blog-Eintrag so nennen.) Das ist ein Zitat aus der Berliner Antrittsvorlesung von Friedrich Kittler in der er die These vertritt, dass Wagners Musiktheater Hollywood »avant la lettre«, d.h. bevor es diesen Begriff überhaupt gab, ist. Also das, was Adorno, Eisler und Wieland Wagner ja auch schon gesagt haben (s. Scholz), aber nicht wie Kittler unter einem diskursanalytischen Blickwinkel. Das ist allerdings sehr interessant und originell.

    Tja, dann werde ich eben darüber schreiben müssen, inwieweit Wagner in seinen Vorstellungen das vergesellschaftete Kunstwerk vorweggenommen hat, dass jetzt im Web 2.0 greifbare Option wird. 🙂