Christian Holst

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Schlagwort: Interlaken

  • Die Fledermaus in Interlaken

    Die Operette gilt gemeinhin als die minderwertige, weil weniger anspruchsvolle, Variante der Oper. Nachdem ich am Wochenende die äußerst kurzweilige Premiere der Fledermaus bei den Operettenfestspielen Interlaken miterlebt habe, frage ich mich allerdings, warum das so ist. Denn all das Unmoderne, Pathetische und Fragwürdige der Gattung Musiktheater, das Opernregisseuren aus oftmals nachvollziehbaren Gründen Schwierigkeiten macht, all das wird in der Operette keinesfalls zum ästhetischen Problem oder Glaubwürdigkeitsdefizit. Im Gegenteil, das Unglaubwürdige, Überdrehte, Stereotype der Gattung wird zum ästhetischen Prinzip und bleibt im Werk selbst durchaus nicht unreflektiert. Ein Beispiel aus der Fledermaus ist die Arie «Mein Herr Marquis». Das Stubenmädchen Adele trifft hier auf einer Party auf ihren Chef, der sie trotz der ungewohnt feinen Kleidung (natürlich) erkennt. In der besagten Arie anverwandelt sich Adele den aristokratischen Walzertakt und unterstellt ihrem Chef, seine attraktive Zofe – der er gattungstypischerweise nachstellt – auch in anderen Frauen zu sehen. Und als sei Eisenstein mit diese Rollentypen musikalischer Komödien vertraut, nimmt er seinem Stubenmädchen schließlich ab, tatsächlich eine Künstlerin zu sein.

    Natürlich gibt es auch jede Menge schlichteren Humor, insbesondere im sehr gedehnten Auftritt des Gerichtsdieners Frosch (Sprechrolle). Ohne den zusätzlichen Witz der Musik ist es dann doch kaum etwas anderes als die Wiener Variante des Ohnsorg-Theaters. Anders herum läuft der ewige Dreivierteltakt ohne Handlung für meinen Geschmack auch schnell ins Leere. Ein komplettes Neujahrskonzert mag ich mir zumindest nicht anhören. Wenn beides so kombiniert wird, wie insbesondere im zweiten Akt der Fledermaus, und dazu charmant und einfallsreich in Szene gesetzt ist wie in Interlaken, dann macht es aber einfach Spaß.