Christian Holst

Kulturmanagement :: Kulturmarketing :: Digitale Transformation


Autor: Christian Holst

  • Den Takt vorgeben: Was man beim Dirigieren über Leadership lernen kann

    Im vergangenen Sommer war ich auf Einladung des Siemens Arts Programme auf Bloggerreise in Salzburg. Neben der netten Gesellschaft und der perfekten Organisation war ein Highlight dieser Reise ein Dirigier-Workshop – mit Stephan Frucht als Leiter und den Salzburg Soloists als ebenso stoischem wie nachsichtigem Experimentiergegenstand. Angelika Schoder, Christian GriesAxel Kopp und die Kulturflüsterin haben über diesen Workshops bereits ausführlich in ihren Blogs berichtet. Durch neuen Job, stARTcamp und ein paar andere Dinge kommt mein Bericht erst jetzt.

    Gedacht ist das Seminar normalerweise nicht für Kulturblogger, sondern für die Managementkräfte von Siemens, die damit zur Reflektion über das eigene Führungsverhalten in puncto Auftreten, Präsenz etc. angeregt werden sollen. Und dafür ist dieser Workshop auch zweifelsfrei geeignet, denn Orchester zu führen ist in mancherlei Hinsicht prototypisch für das Führen in großen, stark arbeitsteiligen Organisationen mit eher hoher Leitungstiefe. Die Metapher „den Takt vorgeben“ kommt nicht von ungefähr. Frucht machte das in seinen Erläuterungen deutlich, in denen er auf die Herkunft des Dirigenten aus der Militärmusik verwies. Über diese Analogien hinaus regte der Workshop aber auch zum Nachdenken über Führung allgemein an. Denn freilich besteht die Aufgabe des Dirigenten nicht darin, Kommandos zu geben. Als Dirigent, so Frucht, sei man vielmehr zuständig für
    – den Blick aufs große Ganze,
    – das Qualitätsmanagement und
    – die Motivation der Mitarbeiter.
    Dinge, die eine gute Führungskraft ebenfalls auszeichnen. Darüber hinaus sollten Dirigent wie Manager gute Zuhörer und in Gedanken ihren Mitarbeitern immer zwei Schritte voraus sein. Insofern lassen sich viele Parallelen ziehen, die als Denkanstoß aufschlussreich sein können.

    Erstaunlich war für mich zu sehen, wie unterschiedlich das Orchester klang und reagierte, je nachdem, wer von uns gerade vor ihm stand. Und das, obwohl es noch gar nicht um musikalische Feinheiten ging, sondern wir nur Tonleitern und ein einfaches «Freude schöner Götterfunke»-Arrangement dirigierten. Somit könnte man schlussfolgern, dass sich die Persönlichkeit einer Führungsperson immer auch im Ergebnis widerspiegelt und dieses immer etwas anders ausfallen kann, ohne dadurch aber besser oder schlechter zu sein. Es gibt ja eine viel zitierte Anekdote über den Klang der Berliner Philharmoniker unter Wilhelm Furtwängler. Und zwar soll ein Gastdirigent mit dem Orchester geprobt und sich irgendwann während der Probe gewundert haben, warum das Orchester auf einmal ganz anders klang. Bis er sich umdrehte und feststellte, dass sich Wilhelm Furtwängler hinten in den Saal gesetzt hatte. Kann gut sein, dass das eine Urban Legend ist, aber nach der Erfahrung im Workshop kam sie mir doch ein ganzes Stück glaubwürdiger vor.

    Die Schlussfolgerung, dass es bestimmter Persönlichkeitsmerkmale oder Eigenschaften bedarf, um ein guter Dirigent oder eine gute Führungskraft zu sein, halte ich allerdings auch nach dem Workshop noch für vorschnell. Fredmund Malik betont in seinen Büchern gerne, dass es nicht entscheidend ist, wie jemand ist. Im Workshop wurde das durch eine kleine Fotoanalyse verschiedener großer Dirigenten in typischen Posen verdeutlicht: Der eine wirkt sympathisch und freundlich, der andere skurril und exzentrisch und der nächste herrisch und schlecht gelaunt – herausragende Dirigenten waren sie trotzdem alle. Man sollte also die Falle vermeiden, zu sehr von Äußerlichkeiten oder persönlichen Eigenschaften auf Leadership-Qualitäten zu schließen. Itay Talgam ist meines Erachtens in seinem berühmten TedTalk daher ziemlich auf dem Holzweg, wenn er genau solche Äußerlichkeiten «analysiert» und meint, auf dieser Basis weitreichende Rückschlüsse über Führungsprinzipien ziehen zu können: Empathie macht Führen überflüssig, wer den Raum beherrscht, beherrscht die Leute, wer zuviel Macht ausübt, entmachtet sich selbst. Nee, ist klar. Es sind völlig unsystematisch zusammengestellte Youtube-Schnipsel, die Talgam präsentiert und deren Aussagekraft gegen Null geht. Kleiber ist nicht der bessere Dirigent als Muti, weil er lächelt anstatt grimmig zu gucken. Und Bernsteins Gag, einen Haydn-Satz nur mit Mimik zu dirigieren ist zwar lustig, aber auch nicht der Grund, warum Bernstein ein toller Dirigent war und funktioniert auch nur bei bestimmter Musik. Es spielt keine Rolle, ob ein Dirigent das Orchester anlächelt (zumal wenn er gerade Strausswalzer dirigiert) oder mal grimmig guckt (während er eine düstere Mozart-Ouvertüre dirigiert), ob die Bewegungen weich oder zackig sind. Die eigentliche Kunst liegt darin, in der Partitur etwas zu entdecken, was andere so nicht finden und es den Musikern vermitteln zu können, eine neue Sicht auf etwas Altbekanntes zu ermöglichen.

    Da hilft eher das Konzept der transformationalen Führung weiter, also das Wecken und Orchestrieren (!) der intrinsischen Motivation vieler Individuen. Dieses Konzept lässt sich an Dirigenten insofern besonders gut zeigen, als sie im Konzert tatsächlich nur «transformierend» einwirken können. Jede direkte Steuerung, jedes direkte Eingreifen ist ihnen verwehrt. Was transformationale Führung ausmacht hat Bernard M. Bass anhand von «vier Is» beschrieben:

    • Idealized influence meint authentisches Verhalten der Führungskraft, durch das sie Respekt und Vertrauen gewinnt und zur Identifikationsfigur wird.
    • Inspirational motivation meint, dass die Führungskraft die Bedeutung von Zielen und Aufgaben vermitteln kann, so dass Motivation nicht über externe Anreize erfolgt, sondern durch persönliche Identifikation mit diesen Zielen.
    • Intellectual stimulation bedeutet, dass die Mitarbeiter auf intellektueller Ebene angeregt, Gewohnheiten und Routinen zu hinterfragen, Neues zu lernen und aktiv neue Erkenntnisse und Einsichten anzustreben, die zum Gelingen des Ganzen beitragen können.
    • Individualized consideration schließlich heißt, dass die Führungskraft individuell auf die Mitarbeiter eingeht und sie gemäß ihrer individuellen Stärken fördert und fordert.

    In anderen Modellen werden diese Punkte noch ergänzt um Zukunftsvision und hohe Leistungserwartung, wovon zumindest letzteres im Orchesterbereich sicher auch als selbstverständliche Voraussetzung angesehen wird. Ich würde die These wagen, dass sich diese vier Punkte in der Arbeitsweise praktisch aller großen, heute lebenden Dirigenten wird finden können – unabhängig von allen Unterschieden in der Persönlichkeit, im Stil, in musikalischen Vorlieben und Auffassungen. Früher mag das etwas anders gewesen sein, wo die Rolle des Dirigenten noch autokratischer verstanden wurde, der Dirigent das Orchester mehr als sein Instrument verstand als eine Gruppe von Menschen. Der Trend von der transaktionalen Führung (Zielvereinbarung) zur transformationalen Führung lässt sich somit wahrscheinlich auch im Orchesterbereich nachvollziehen.

    Im Nachgang des Workshops stellte ich mir aber auch die Frage, wo die Grenzen des Transfers von der Orchesterwelt in die sonstige Arbeitswelt liegen. Schließlich ist es nicht der Normalfall in der gewöhnlichen Arbeitswelt, dass es sehr detaillierte Ausführungsanweisungen für 80 Personen gibt, die eine Person in wochenlanger Vorbereitung alle akribisch durchgearbeitet hat, um sie dann in einer bestimmten Situation koordinieren zu können. Es gibt sie bestimmt hier und dort. Zum Beispiel beim Militär, Flugverkehr oder in der Chirurgie und anderen Bereichen, wo strikt standardisierte Abläufe und strenge Hierarchien nach wie vor sinnvoll sind. Insgesamt wird heute aber eher darüber nachgedacht, wie solche Strukturen aufgelöst werden können, so dass die einzelnen Personen im Rahmen gröberer Leitlinien und Zielsetzungen nach ihrem besten Wissen und Gewissen arbeiten und sich entfalten und einbringen können. Gerade wenn es keine detaillierten Ausführungsanweisungen gibt oder geben kann, etwa, weil man sich in unsicheren, dynamischeren Umfeldern bewegt, ist wohl eher die improvisierende Jazzband ein geeignetes Vorbild für Kooperation und Führung: Eine eher kleine Gruppe, in der alle mehr oder weniger gleichgestellt sind, ihre Funktion in der Gruppe und die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit kennen, aber innerhalb dieses Spielfelds sehr spontan und frei agieren können, in der jeder die Gelegenheit hat zu brillieren und wo nicht von vornherein klar ist, wie das Arbeitsergebnis am Ende aussehen wird.

    Auch in der Orchesterwelt haben solche Ideen inzwischen Einzug gehalten. Manche (kleinere) Orchester spielen ohne Dirigenten – eines davon ist die Berner Camerata. Louis Dupras, der ehemalige Leiter der Camerata, sagte mir vor längerem mal in einem Interview, dass er den Erfolg des Ensembles auch darin vermute, dass das Modell des Orchesters unserer Zeit und unseren heutigen Vorstellungen von Zusammenarbeit sehr entspräche:

    Es ist eine Hypothese von mir, aber ich könnte mir vorstellen, dass es mit der Art und Weise zu tun hat, wie wir mit klassischer Musik umgehen, wie wir sie spielen. Im 19. Jahrhundert waren die Industrien sehr hierarchisch und sehr arbeitsteilig aufgebaut. Das spiegelt sich in der Struktur eines Sinfonieorchesters, das etwa parallel zur Industrialisierung entstanden ist und mit ihr seine Blüte hatte. Heute sind viele Unternehmen kollegialer, teamorientierter aufgestellt. Das spiegelt sich in der Art und Weise wieder, wie die Camerata musiziert. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich viele Leute heute eher mit einem Modell identifizieren können, wie wir es praktizieren, weil sie merken, da sind Leute auf der Bühne, die etwas zusammen machen, weil sie Freude daran haben. Jeder kann und muss etwas entscheiden, jeder gibt sein Bestes, keiner kann sich in der Masse verstecken und niemand ist nur ein austauschbares Rädchen im Getriebe. Die Identifikationsmöglichkeiten sind da viel aktueller. Das ist ein Aspekt, der leider nur selten diskutiert wird, aber ich denke, das spielt auf einer übergeordneten Ebene eine wichtige Rolle für den Erfolg der Camerata.

    https://www.instagram.com/p/B0ojod9nwPL/?utm_source=ig_embed

    Neben der aufregenden Erfahrung, einmal selbst vor einem Orchester stehen zu dürfen bietet ein solcher Workshop somit jede Menge Anregungen, über Führung und Zusammenarbeit nachzudenken. In Bezug auf die Parallelen, die sich zweifellos ziehen lassen ebenso wie in Bezug auf Aspekte, wo die Übereinstimmungen gerade nicht festzustellen sind. In diesem Sinne noch einmal sehr herzlichen Dank für die Einladung, liebes Siemens Arts Programme!

  • „Hello, we’re from the internet“ – Beitrag im Dossier Digitalisierung auf kubi-online.de

    Die Plattform kubi-online.de hat für ihr Dossier „Digitalisierung“ einen Aufsatz von mir angenommen, der kürzlich veröffentlicht wurde. In dem Text geht es hauptsächlich um die Frage, warum Kultureinrichtungen ihr Selbstverständnis angesichts der digitalen Transformation hinterfragen und anpassen sollten. Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist, dass die Theorie und Praxis des Kulturmanagements stark angebotsorientiert ist. Die öffentliche Finanzierung macht es möglich, weil sie die Einrichtungen vor den Dynamiken des Marktes schützt. Sie schützt jedoch nicht vor den Dynamiken der Digitalisierung, durch die immer mehr Menschen zu kulturellen Akteuren und Multiplikatoren werden, die sich Kulturangebote nach ihren eigenen Regeln aneignen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung sollten Kultureinrichtungen sich nicht nur als Kulturproduzenten verstehen, sondern zu Drehscheiben in der Auseinandersetzung mit kulturellen Themen werden.

    Im Dossier Digitalisierung sind insgesamt 14 Aufsätze enthalten, die sich mit der Digitalisierung insbesondere in der kulturellen Bildung beschäftigen.

  • Gerade erschienen: Kultur in Interaktion

    Das Thema des stARTcamps 2018 war „Co-Creation im Kultursektor“. Da dieses Thema bislang kaum aus der theoretischen Perspektive bearbeitet wurde, entstand die Idee, die Themen, die am Camp verhandelt wurden, auch noch einmal in einem Buch zu dokumentieren. Dieses Buch mit dem Titel «Kultur in Interaktion. Co-Creation im Kultursektor» ist jetzt gerade im Springer Gabler Verlag erschienen. Es versammelt elf Beiträge von denen einige auf Sessions und Themen des stARTcamps 2018 basieren. Andere sind aber auch erst nachträglich dazugekommen. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass sie sich um die Frage drehen, wie Co-Creation, Partizipation und Interaktion in Kultureinrichtungen gestaltet werden können, insbesondere vor dem Hintergrund der Digitalisierung, die wie ein Katalysator auf diese Prozesse wirkt.

    Der offene, partizipative, man könnte auch sagen unsystematische Charakter von stARTcamps, bei dem sehr unterschiedliche Perspektiven, Ansätze, Formate und Menschen zusammen finden, schlägt sich auch in diesem Band nieder. Das heißt, die Zugänge zu dem Thema sind in Form und Inhalt sehr unterschiedlich: Bei manchen Beiträgen handelt es sich um theoretisch-wissenschaftliche Aufsätze, andere sind praxisbezogene (Erfahrungs-)Berichte, bei zwei Beiträgen handelt es sich um Gespräche. Den roten Faden bildet die Erkenntnis, dass digitale Technologien zwar helfen können, Co-Creation, Partizipation und Interaktion zu ermöglichen. Ob solche Aktivitäten allerdings erfolgreich sind, ist vor allem eine Frage der Herangehensweise und der Denkhaltung. Eine Denkhaltung, mit der Kultureinrichtungen sich oftmals schwertun. Oftmals, aber nicht immer, wie dann auch einige Fallbeispiele deutlich machen.

    Der Band beginnt mit einem Beitrag von Annette Jagla und Tobias Knoblich, in dem sie über die Rahmenbedingungen sprechen, die zu „Kultur in Interaktion“ führen und sie ermöglichen können. Jagla bringt dabei die Perspektive einer Organisationsentwicklerin mit ein, Knoblich die eines Kulturpolitikers. Die dahinterliegende Frage ist, welche Akteure auf welche Weise zu einem gelingenden Wandel beitragen können, auf dessen Basis mehr Interaktion, Ko-Kreation und Teilhabe möglich wird.

    In meinem eigenen Beitrag beschäftige ich mich mit der Frage, wie die Idee von Co-Creation mit dem meist angebotsorientierten Selbstverständnis von Kultureinrichtungen zu vereinbaren ist. Die Antwort in kurz: Kultureinrichtungen müssen die Kunst nicht verraten, aber sollten sich mehr als Moderator denn als Kurator in künstlerischen Aushandlungsprozessen positionieren.

    Helge Kaul beleuchtet das Thema Co-Creation aus der Kulturmarketing-Sicht. In einer groß angelegten Studie (s. auch hier) hat er untersucht, wie neue Beteiligungsformen zum Einsatz kommen und auf empirischer Basis vier verschiedene Kooperationstypen im Kulturpublikum ermittelt. Indem Kultureinrichtungen verstehen, wie diese verschiedenen Typen in die interaktive Wertschöpfung einbezogen werden können, können sie dauerhafte Wettbewerbsvorteile erzielen.

    Antje Schmidt untersucht in ihrem Beitrag die Voraussetzungen und Herausforderungen, unter denen Co-Creation im Museumsbereich stattfindet. Wichtig sind dabei zum einen frei zugängliche Digitalisate und Kulturgütern. Dies ist rechtlich wie technisch nicht immer so einfach, wie es zunächst scheinen mag. Und auch wenn diese Hürden genommen sind, ist das kein Garant dafür, dass Co-Creation wirklich stattfindet.

    Unter ganz anderen Voraussetzungen findet Co-Creation in den darstellenden Künsten statt, auf die Ervina Kotolloshi ihren Fokus legt. Sie unterscheidet drei Arten von Aufführungen, die durch den Einsatz digitaler Kommunikationstechnologien zu ko-kreativen Ereignissen werden. Während die Interaktivität einerseits neue Theatererfahrungen ermöglicht, bietet sie durch ihre Dynamik und Unvorhersehbarkeit auch die Gefahr, unfertige oder gar misslungene ästhetische Resultate hervorzubringen.

    Tabea Schwarze stellt am Beispiel der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe dar, wie Co-Creation und Partizipation in der Museumspraxis gelebt werden können und welche Erfahrungen auf diesem Feld bislang gemacht wurden. Co-Creation und Partizipation sollen einerseits dabei helfen, dem Bildungsauftrag im digitalen Raum nachzukommen, andererseits aber auch die Akzeptanz der Digitalisierung intern zu fördern.

    Katrin Schröder und Anaïs Wiedenhöfer geben mit ihrem Beitrag ebenfalls einen Bericht aus der Praxis, hier am Beispiel des Archäologischen Museums Hamburg (AMH). Sie stellen die zahlreichen Experimente und Projekte in Sachen ko-kreativer Kommunikation und Veranstaltungsformate des AMH vor und reflektieren die gewonnenen Erfahrungen.

    Iris Groschek zeigt am Beispiel von KZ-Gedenkstätten, dass Interaktion in den sozialen Medien nicht einfach nach den beliebten How-To-Rezepten gestaltet werden kann. Denn die Rahmenbedingungen von Interaktion und Partizipation in Erinnerungseinrichtungen sind sehr spezifisch und müssen entsprechend berücksichtigt werden. Soziale Medien können aber durchaus als offener Ort dienen, an dem eine gemeinsame Erinnerungskultur etabliert werden kann.

    Anna Rentsch macht in ihrem Beitrag aus Agenturperspektive deutlich, welche Bedeutung die Einbeziehung von externen Anspruchsgruppen bereits im Rahmen des Designs von Kommunikationsangeboten hat. Sie meint, dass ein Design-Ansatz, der Bedürfnisse, Interessen und Rezeptions- gewohnheiten der Adressaten berücksichtigt, einen wichtigen Grundstein für gelingende Interaktion darstellt.

    Richard Wetzel zeigt in seinem Beitrag, wie Co-Creation bei der Entwicklung von Games in interdisziplinären Teams mit Hilfe von Ideationskarten organisiert werden kann. Dieses Verfahren erleichtert es interdisziplinären (Entwickler-)Teams, eine gemeinsame Sprache und Herangehensweise zu entwickeln, die nicht von der Logik einer bestimmten Disziplin dominiert wird. Das Verfahren, das Wetzel vorstellt, funktioniert analog, auch wenn die zu entwickelnden Produkte in der Regel digitale Produkte sind oder zumindest wesentliche digitale Komponenten haben.

    Isabel Jansen von der Hamburg Kreativ Gesellschaft spricht im Interview über das Crowdfunding als eine mittlerweile sehr populäre Form von Co-Creation und Publikumsbeteiligung mittels digitaler Plattformen. Sie gibt einen Überblick über allgemeine Trends des Crowdfundings und stellt dar, für welche Gelegenheiten und Branchen sich die Schwarmfinanzierung besonders eignet sowie welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Kampagne erfolgreich wird.

    Ich freue mich, dass der Band jetzt erschienen ist und danke allen, die dazu beigetragen haben sehr herzlich! Außerdem freue ich mich natürlich über Feedback und/oder Weiterempfehlung.

  • Videoserie zur digitalen Transformation des Kulturmanagements

    Das Institut für Kultur- und Medienmanagement (KMM) hat gemeinsam mit der Hamburg Open Online University eine kleine Videoserie entwickelt, bei der die Auswirkungen der digitalen Transformation auf den Kulturbetrieb und das Kulturmanagement beleuchtet wird. Dabei kommen verschiedene Leute zu Wort, die das Thema jeweils aus unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern des Kulturmanagement anschauen. Ich freue mich sehr und fühle mich sehr geehrt, dass ich den Part zum Kulturmarketing machen durfte. Hier ist das Ergebnis zu sehen. Letzte Woche gab es bereits einen Prolog von Institutsdirektor Martin Zierold. Und noch davor wurde ein Portrait von Andreas Hoffmann, Geschäftsführer des Bucerius Kunst Forums und Professor am KMM, veröffentlicht. Bei diesem Portrait geht es allerdings weniger um die digitale Transformation als vielmehr allgemein um die Frage, was ein Kulturmanager so macht.

  • Kulturmanagement – Eigene Disziplin oder „BWL für Arme“?

    Vor einiger Zeit fragte Hannes Tronsberg auf Twitter, warum es eigentlich Kulturmanagement als eigene Disziplin brauche? Schließlich gebe es – trotz bestimmt bestehender Besonderheiten und Eigenheiten gegenüber anderen Branchen – auch kein Schuh- oder Automanagement. Dass Kulturmanagement als eigene Disziplin und nicht als ein Teilgebiet der BWL oder Management Studies geführt werde, koppele sie von aktuellen Erkenntnissen ab und verlangsame ihren Fortschritt dadurch.

    Tatsächlich lassen sich schnell Beispiele finden, die Hannes These erstmal untermauern. Eins meiner Lieblingsthemen in diesem Zusammenhang ist das verkümmerte Verständnis von Marketing, das im Kulturbereich oftmals anzutreffen ist. Da wird ein wirklich sehr gut und umfassend ausgearbeiteter Forschungs- und Wissensstand weitgehend links liegen gelassen, weil man glaubt, er wäre nicht anwendbar auf den Kulturbereich. Tatsächlich liegt das Problem aber vor allem darin, dass man im Kulturmanagement bis heute von einem Marketingverständnis aus der Gründungszeit der Disziplin Kulturmanagement ausgeht. Vor 30-40 Jahren basierte Marketing noch stark auf einer goods-dominated Logic (GDL), Marketing war vor allem Industrieproduktemarketing, bei dem bestimmte Produkte auf einen Bedarf am Markt hin entwickelt, hergestellt und vertrieben wurden. (mehr …)

  • Die 10 wichtigsten Bücher zu Kulturmanagement und Digitalisierung

    Letztes Jahr habe ich für das Institut für Kultur- und Medienmanagement einen Studienbrief (Lehrbuch für die Fernstudenten) über digitale Kommunikation in Kultureinrichtungen geschrieben. In dem Zuge habe ich mir natürlich auch einen Überblick über die Fachliteratur zu dem Thema verschafft. Diesen Überblick wollte ich schon lange einmal für mein Blog zusammenfassen. Ich hatte auch schon einen Artikel angefangen, der dann aber doch erstmal liegen geblieben ist. Jetzt war es mir ein willkommener Prokrastinations-Anlass, ihn fertig zu stellen. Die Kriterien für meine Auswahl sind natürlich radikal subjektiv. Deswegen gleich die Frage: Was würdet ihr ergänzen oder ersetzen? (mehr …)

  • Wie wird man Kulturmanager?

    Zunächst einmal ein frohes neues Jahr und viel Erfolg und alles Gute für 2019!

    In der Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom vergangenen Wochenende ist unter der Überschrift Die Möglichmacher ein Artikel erschienen, der einen guten Überblick gibt, was man heute als Kulturmanager können muss, wie sich das Berufsbild geändert hat und weiter ändert und welche Ausbildungsmöglichkeiten es gibt. Im Zuge der Recherchen hat die Redakteurin im vergangenen Herbst auch mit mir gesprochen und meine Prognose zur digitalen Zukunft des Fachs übernommen:

    Holst sieht das Kulturmanagement der Zukunft als „Knotenpunkt“, in dem sich der digitale Austausch zwischen kreativen Künstlern und kreativem Publikum bündeln könnte.

    Leider gibt es noch viel zu wenige Beispiele, wie so etwas konkret aussehen könnte. Einen kleinen Eindruck gibt die Aktion eines Künstlerkollektivs, das letztes Jahr das MoMA digital gekapert hat. Warum solche Aktionen nicht viel öfters und viel gezielter auch im Einvernehmen veranstalten?

  • Co-Creation: Kulturtempel als Selbstbedienungsläden

    Einen Tag vor der Eröffnung der Bayreuther Festspiele 2015 wurde der erste Tweet im frisch eröffneten Twitter-Account @BayreuthFest veröffentlicht:

    Morgen gehen die Bayreuther Festspiele los. Dieses Jahr wagen wir den Schritt weiter in den neuen Medien: Hallo Twitter!— BayreutherFestspiele (@BayreuthFest) 24. Juli 2015

    Die Komische Oper Berlin, die selbst schon seit längerer Zeit auf Twitter aktiv war, begrüßte die Festspiele und wünschte viel Erfolg. Die Süddeutsche Zeitung, der Bayerische Rundfunk, ZEIT online und andere erwähnten den Account und griffen die dort verwendeten Hashtags für die eigene Berichterstattung auf. Auch bei Wagner-Fans fand der Account sofort Anklang: Zwei Tage nach dem ersten Tweet zählte @BayreuthFest bereits 500 Follower, am Ende des Festspielsommers waren es 1.500.

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  • Der miese Ruf des Kulturmarketings

    Heute muss ich mal einen kleinen Rant über etwas schreiben, was mich seit einiger Zeit immer wieder aufgeregt hat. Und zwar ist das das ignorante Verständnis von Marketing, das im Kulturbereich erschreckend weit verbreitet ist. Nur zwei kleine Beispiele, die stellvertretend für eine fast schon epidemische Haltung stehen:

    Neulich wurde ich von einem altgedienten Kulturfunktionär darüber belehrt, dass Marketing (also «meine» Disziplin) ja schön und gut sei, am Ende aber das Auftun von Geldquellen («seine» Disziplin) die Königsdisziplin des Kulturmanagements sei. Ich habe mir verkniffen zu sagen, dass man die Funding-Aufgaben im Kontext von Kulturmanagement zum Beschaffungsmarketing zählen kann und sie dort auch organisatorisch oftmals verortet werden. Wo da ein Widerspruch sein soll, habe ich jedenfalls nicht verstanden.

    Das andere war ein eigentlich harmloser Satz in einem VAN-Artikel. Da stand: «Audience Development, Marketing und Imageaufbesserungen der Institutionen sind gut und wichtig, aber der Zweck von Musikvermittlung liegt nicht primär darin, gutes Bildmaterial für Hochglanzbroschüren zu liefern.» Ich bin mir natürlich im Klaren darüber, dass dieser Satz einfach locker flockig dahingeschrieben wurde und das Verhältnis von Musik(vermittlung) und Marketing in dem Artikel nicht das eigentliche Thema war. Aber er deutet dennoch auf ein sehr typisches Statusgerangel innerhalb vieler Einrichtungen und auf ein weit verbreitetes und äußerst unproduktives Missverständnis hin. (mehr …)

  • Interview in der HNA: Brücke zum Publikum schlagen

    Bettina Fraschke, die Kulturredakteurin der Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen (HNA), hat kürzlich ein Interview mit mir geführt, das jetzt auch online steht. Thema sind digitale Kommunikationsstrategien von Theatern. Viel Spaß beim Lesen!