Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Autor: Christian Holst

  • Leadership im Kulturbetrieb – Wie es nicht geht

    Während vergangene Woche in Hamburg bei der Jahrestagung des Fachverbands Kulturmanagement über Leadership und Innovation diskutiert wurde, eskalierte eine Auseinandersetzung, die als Paradebeispiel dienen kann, wie man es in Bezug auf beide Themen nicht machen sollte. Was war passiert? Der Komponist und Dramaturg Arno Lücker und die Komponistin Carlotta Joachim hatten einen sog. Shred über den Geiger Daniel Hope erstellt, was der offenbar gar nicht lustig fand. Das Konzerthaus Berlin, wo Hope viel spielt und Lücker eine Konzertreihe betreut, beendete daraufhin die Zusammenarbeit mit Lücker. Hopes Label Deutsche Grammophon versuchte offenbar, die Neue Musik Zeitung, für die Lücker schreibt, zur gleichen Maßnahme zu bewegen. Die vollständige Geschichte kann man u.a. im Bad Blog of Musick und auch im Blog hundert11 (in mehreren Artikeln und mit zahlreichen Links zu weiteren Quellen) nachlesen. Das Ganze eskalierte  schnell und gründlich, so dass irgendwann sogar die Times, die New York Times, Forbes und Alex Ross vom New Yorker darüber berichteten. Albrecht Selge (hunder11) bezeichnete den Fall und insbesondere den Rauswurf Lückers durch das Konzerthaus Berlin treffend als ein Paradebeispiel für Führungsversagen im Kultursektor. (mehr …)

  • Conversation is King

    Bill Gates Ausspruch «Content is king» schien lange Zeit ganz besonders auch für Kultureinrichtungen zu gelten. Schließlich ist das Produkt hier keine Ware oder Dienstleistung, sondern selbst «Content», die Häuser «prall gefüllt mit Geschichten und Geschichte, Menschen und Berufen», wie Hagen Kohn vor einiger Zeit schrieb.  Ich selbst war auch lange von dieser These überzeugt und habe sie z.B. in meinem Beitrag zum ersten stARTconference-Tagungsband vertreten. Gute, interessante Inhalte, so die Überzeugung, werden durch Suchmaschinen und die Verteilmechanismen digitaler Netzwerkmedien schon das Publikum erreichen, das sich für diese Inhalte interessiert. Pull statt Push. In meiner Arbeit ist dann allerdings eine gewisse Ernüchterung eingetreten, die ich vor einiger Zeit in einem Blogbeitrag beschrieben habe. Mir schien, dass insbesondere auf Facebook doch wieder die Regeln der klassischen Push-Werbung gelten. Der Blog-Artikel ist bereits dreieinhalb Jahre alt, der Eindruck verfestigt sich aber immer mehr. (mehr …)

  • Der «informierte Künstler» ist ein Unternehmer

    Auf nachtkritik gibt es seit einigen Jahren schon die Serie Debatte zur Zukunft des Stadttheaters. Besondere Highlights dieser Serie sind der Artikel von Ulf Schmidt zum agilen Theater und – ganz aktuell – ein Beitrag von Thomas Schmidt, der ein interessantes neues Reformmodell vorstellt, das man schleunigst einmal ausprobieren sollte. Schmidt beklagt, dass die Reformmodelle, die bislang diskutiert und umgesetzt wurden (zuletzt in Mecklenburg-Vorpommern), immer auf die Machtabsicherung der Intendanz abzielen. Als Alternative entwickelt er dagegen ein Mitbestimmungsmodell, das den „informierten Künstler“ voraussetzt. So wie ich den Beitrag lese, ist das einfach ein anderes Wort für den kulturunternehmerisch denkenden Theatermitarbeiter. Die in einer Person gebündelte Leitungsmacht wird durch ein Mitbestimmungsmodell, das Künstlern (und hoffentlich auch anderen Mitarbeitern) erlaubt, Einfluss auf die strategischen Entscheidungen ihres Theaters zu nehmen. Das ist eigentlich das Modell, das viele freie Orchester bereits praktizieren. Meine These ist ja, dass sich eine solche unternehmerische Haltung auch sehr positiv auf die künstlerische Klasse auswirken wird. Wäre interessant zu sehen, ob sich dieser Effekt im Theaterbereich auch so zeigen würde. (mehr …)

  • Künstlerische Forschung über Trump vs. Clinton

    Mir war lange nicht klar, was «künstlerische Forschung» eigentlich sein und bringen soll. Jetzt bin ich zufällig auf ein Beispiel gestoßen, anhand dessen man das gut erklären kann: «Her Opponent» ist eine Art «Best of» aus den Fernsehdebatten von Clinton und Trump, nachgestellt mit der Methode des dokumentarischen Theaters. Das Setting ist allerdings etwas verändert: Trump wird von einer Frau und Clinton von einem Mann dargestellt. Die Idee dabei:

    What would the experiment reveal about male and female communication styles, and the differing standards by which we unconsciously judge them?

    Die Annahmen der Forscher waren folgende:

    that Trump’s aggression—his tendency to interrupt and attack—would never be tolerated in a woman, and that Clinton’s competence and preparedness would seem even more convincing coming from a man.

    Vor und nach den Vorstellungen wurden die Zuschauer befragt, was sie von der Debatte mit vertauschten Geschlechterrollen erwarten bzw. wie sie sie wahrgenommen hatten. Die Ergebnisse waren überraschend. Viele Personen hatten nicht damit gerechnet, dass sich ihre Sicht auf die Debatte so ändern würde. Der hartnäckige, angriffige Debattierstil der Frau fand Anerkennung und Respekt, das faktenkundige, aber auswendig gelernt erscheinende Reden des Mannes fand niemand einnehmend. Sein Dauerlächeln wurde gar als «really punchable» beschrieben. Die Wahl wäre also möglicherweise wesentlich deutlicher zu Gunsten Trumps ausgegangen, wenn er eine Frau und Clinton ein Mann wäre.

    Auf youtube gibt es einen kurzen Probenmitschnitt zu sehen. (S. auch die Kommentare unter dem Video.)

    Leider habe ich nicht das ganze Stück gesehen und eine Einschätzung auf Basis dieser zwei Minuten ist zugegebenermaßen etwas zweifelhaft. Aber mein vorsichtiger Eindruck geht in die Richtung, die auch das Publikum beschreibt. Zwar wirkt keiner der beiden Kandidaten sympathisch oder gar gewinnend, aber die Frau doch wesentlich klarer und greifbarer in ihrem Anliegen.

    Dokumentarisches Theater ist sicher methodisch an vielen Punkten angreifbar: Vielleicht war die Frau einfach der bessere Schauspieler? Vielleicht wäre mit anderen Schauspielern etwas anderes herausgekommen? Trotzdem zeigt dieses Beispiel in meinen Augen gut, dass künstlerische Forschung durch Veranschaulichung und Perspektivwechsel aufschlussreiche Erfahrungen und Erkenntnisse ermöglichen kann.

  • Audience Development als letzte Schlacht des klassischen Kulturmarketings?

    Vor einigen Wochen ging es hier um die Angebotsorientierung, die bei den meisten öffentlich finanzierten Kultureinrichtungen anzutreffen ist. Aber ich bin natürlich nicht der erste, dem das auffällt. Armin Klein etwa fordert schon seit langem und immer wieder konsequente Besucherorientierung von den Kultureinrichtungen und betont ebenso regelmäßig, dass das nicht den Ausverkauf künstlerischer Unabhängigkeit und Freiheit bedeutet. Bislang bestimmen zwei Konzepte die Diskussion und Bemühungen zu diesem Thema: Kulturvermittlung und Audience Development (AD). (mehr …)

  • Der Eisberg Angebotsorientierung

    Axel Kopp hat gerade 10 Online-Marketing-Tipps für Theater in seinem Blog veröffentlicht. Tipp 2 – eine Chat-Funktion, die auf der Website eingebunden wird – gefällt mir sehr gut, weil das ein besucherorientierter Service wäre, der die Conversions auf der Website wahrscheinlich ziemlich befeuern würde. Ebenfalls sehr besucherorientiert ist der Vorschlag, die Stücke zu verschlagworten, um dem Publikum ein paar Anhaltspunkte zu geben, was es zu erwarten hat. Aber Axel ahnt schon, dass so etwas einen großen Aufschrei seitens der Künstler zur Folge hätte. (mehr …)

  • Snapchat oder lieber gleich Chatbot?

    Neulich schrieb ich darüber, dass Instagram sich langsam zu einem ernst zunehmenden Marketingtool entwickelt. Das hat ein bisschen mit verbesserten Features von Instagram zu tun, vor allem aber mit den Anbindungsmöglichkeiten an den Facebook-Werbeanzeigenmanager. Jetzt schreibt Juana Zimmermann in der Neuen Musikzeitung über die Einsatzmöglichkeiten von Snapchat im Kulturbereich und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Snapchat ziemlich genau das gleiche Problem hat, wie Instagram bis vor kurzem. Besser gesagt, Kultureinrichtungen haben dieses Problem, denn sie können und werden sich in der Regel nicht bei Snapchat Discover einkaufen. Die Customer Journey hört also auf, bevor sie überhaupt begonnen hat, man muss sich in seiner Snapchat-Filterbubble selbst genügen. Zimmermann schickt daher auch gleich vorweg, dass Snapchat die Möglichkeit bietet,

    etwas zu zeigen, was neben (Hervorhebung durch CH) der Standard-Marketing-Strategie liegt. Der Beleuchter könnte einen Tag lang seinen Arbeitsablauf dokumentieren, die Hospitantin von ihren Erlebnissen berichten. Die kleinen Schritte der Prozesse statt großer Ergebnisse werden sichtbar.

    Das wiederum ist aber keine besondere Leistung von Snapchat, das geht auch mit Blogs, Twitter und eben Instagram und war genau die Begründung, mit der man jeweils vor 8, 6 bzw. 2 Jahren dort eingestiegen ist. Snapchat ist – wie Zimmermann schreibt – eher ein Messenger als ein Netzwerk. Allerdings (noch) keiner, der wie der Facebook Messenger die Einbindung von Chatbots erlaubt. Also, warum nicht den Snapchat-Hype überspringen und gleich in das Thema Chatbots einsteigen? Die sind nämlich nicht nur der neue heiße Scheiß, sondern auch kompatibel mit einer bezahlbaren Standard-Marketing-Strategie, die den Besucher aus der Filterbubble seines bevorzugten Social Media-Tools holt und auf eine Reise mitnimmt, die in einem kulturellen Erlebnis kulminiert.

  • PR-Gag «Opernhaus des Jahres»

    Auf der Website Opernnetz hat deren Chefredakteur Michael Zerban einen Kommentar verfasst, in dem er mit die jährliche Kritikerumfrage der Opernwelt und die daraus resultierenden Auszeichnung von Opernhaus, Sänger, Regisseur etc. des Jahres auseinander nimmt. In seinen Augen handelt es sich um einen PR-Gag eines kleinen Fachmagazins:

    Die Opernwelt existiert seit 1960 und hat ihre besten Zeiten längst gesehen. Heute vegetiert sie nach eigenen Angaben mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren monatlich dahin – nicht IVW-geprüft, Tendenz fallend. (…) Aber einmal im Jahr ist ihr Name in vieler Munde. Nämlich dann, wenn sie unter anderem das «Opernhaus des Jahres» kürt.

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  • Stell dir vor, der Kölner Theaterpreis-Träger inszeniert und keiner geht hin…

    Es ist immer blöd, Witze zu erklären. Und ein bisschen so ist mein Kommentar zu einem gelungenen Video des Kölner Theaters im Bauturm, den ich mir aber trotzdem nicht verkneifen will. Denn zum einen gefällt mir Theater-Werbung, die selbstironisch ist. Eine seltene Spezies. Zum anderen spielt dieser Clip auf ein allgemeines Problem des Kulturmarketings an, an dem sich Trevor O’Donnell in seinem Blog regelmäßig abarbeitet. Die meisten Kultureinrichtungen arbeiten in seinen Augen nach der Prämisse:

    Tell the world how wonderful and important we are and hope that enough people still care to meet our sales goals.

    Jetzt, wo gerade das Opernhaus, der Regisseur, der Dirigent, die Aufführung etc. des Jahres gekürt wurden, lässt sich das gut auf den Facebook-Seiten der betroffenen Opernhäuser beobachten. Und der Clip des Bauturm-Theaters bringt dieses Phänomen auf den Punkt: Der Kölner Theaterpreisträger 2015 inszeniert und das Haus ist nicht ausverkauft?!? Kann doch nicht sein!! Und zu guter letzt ist diese Aussage noch gekoppelt mit einem Seitenhieb gegen den Typus des mancherorts immer noch existierenden autokratischen Intendanten, der allerdings seit einiger Zeit lautstarke Rückzugsgefechte führt. Es ist eigentlich nur Werbung, aber zugleich auch eine erstaunlich pointierte Zusammenfassung der Problemlagen deutscher Theater. Gefällt mir.

  • Geht Marketing mit Instagram?

    Eine meiner Lieblingsdiskussionen im Bereich Social Media dreht sich um die Frage, ob und wenn ja wie man mit Instagram eigentlich Marketing machen kann. Einmal bekam ich die Antwort: «Naja, professionell halt». Ansonsten wird gern ins Feld geführt, dass die Wachstumsraten so groß wie bei keinem anderen Social Network sind (2015 waren es 20% Wachstum in den USA), es nirgends sonst so viel Interaktion gibt, Bilder halt emotional sind und schnell erfasst werden, Facebook nur noch was für Leute ab Mitte 30 ist usw. Meine Gegenthese ist dann immer, dass das zwar alles stimmt, aber noch nichts mit Marketing zu tun hat. Auch eine Website, die explizit absatzwirtschaft.de heißt, bleibt da mit ihren 5 Tipps für erfolgreiches Marketing auf Instagram sehr an der Oberfläche:

    Instagram ist der neue Renner unter den sozialen Medien und wird immer wichtiger für Marken und Unternehmen.

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