Christian Holst

Kulturmanagement :: Kulturmarketing :: Digitale Transformation


Autor: Christian Holst

  • Vier tote, weiße Männer füllen die Konzertsäle

    Ein Viertel aller Stücke, die die großen US-Orchester ins Programm nehmen, stammen von nur vier Komponisten, berichtet Norman Lebrecht. Eine kleine Handvoll toter weißer Männer, nämlich Mozart, Beethoven, Brahms und Tschaikowsky. «And you wonder why people have stopped going», schlussfolgert Lebrecht aus dieser «schockierenden Statistik» lakonisch. Offenbar sitzt er auch dem zur Zeit um sich greifenden Glauben auf, dass ethnische, soziale, geschlechtliche Vielfalt per se (musikalische) Qualität und ein begeistertes, treues Publikum bedeutet. Nähere Begründung, warum das so sein sollte? Fehlanzeige. Es kann also genauso gut sein – mir persönlich erscheint das auch wesentlich wahrscheinlicher -, dass es diesen vier toten weißen Männern zu verdanken ist, dass überhaupt noch Leute ins Konzert gehen. (Plakativ gesprochen.) Sofia Gubaidulina beispielsweise ist eine weiße, lebende Frau und großartige Komponistin aber nicht gerade bekannt dafür, dass die Leute ihrer Werke wegen scharenweise in die Konzertsäle strömen würden. Das kann man schade finden, ist aber eine Tatsache, mit der die Orchester umgehen müssen.

  • Marktforschung mit Googlesuche

    The auto suggest results provided by Google & Bing are a goldmine of insight for today’s marketeers.

    schreibt die Website answerthepublic. Was eigentlich als Service für die Suchmaschinennutzer gedacht ist, um schneller an gute Suchergebnisse zu kommen, gibt Content-Anbietern einen äußerst interessanten Einblick, wonach Leute suchen und dementsprechend Anhaltspunkte für die eigene Contentredaktion und Suchmaschinenoptimierung. Answerthepublic stellt daher die häufigsten Suchanfragen rund um ein Keyword zusammen und visualisiert sie auf hübsche Art und Weise. So wie hier für den Suchbegriff «Oper». Warum Carmen so beliebt ist, würde mich tatsächlich auch mal interessieren. 😉

  • Theater-Trailer-Macher schaut nach Schwedt

    Was würdet ihr vermuten, welches deutschsprachige Theater macht die erfolgreichsten Stücke-Trailer? Münchner Kammerspiele? Schauspielhaus Bochum? Thalia Theater? Wie es aussieht, ist es eher das Theater Schwedt in der Uckermark.

    httpv://www.youtube.com/watch?v=lNIfZNivN_E

    Fast 120.000 Views hat der Trailer für die Theaterfassung von Wolfgang Herrndorfs «Tschick». Mich würde echt interessieren, was das Geheimnis dahinter ist. Wann funktioniert Bewegtbildwerbung für ein Theater so gut wie hier? Wenn sie wie ein Kinotrailer aufgemacht ist? Es möglichst nicht nach Theater aussieht? Ganz viel Reichweite gekauft? Von Google gepusht? Nackte Brüste? Fanden die Filmemacher den Clip so gut, dass sie ihn so oft angeschaut haben? Ich hab keine Ahnung, würde es aber wirklich gern wissen!

  • Theater: Rasenden Stillstand überwinden

    Lesenswertes Feature auf den Seiten des Bayerischen Rundfunks zur Situation und Zukunft der Theater:

    Die Theater … beschäftigen sich mit Migranten und Geflüchteten, erproben Stadtraumprojekte und Kooperationen. Das ist richtig, aber noch keine Innovation. Der künstlerische Kern der Häuser bleibt meist stabil, es kommen nur immer mehr äußere Schichten hinzu. Das ist nicht Wandel, sondern Wachstum. Und Wachstum statt Wandel heißt: mehr Geld, mehr Veranstaltungen, mehr Arbeit für die Schauspieler. Aber weniger Zeit zum Nachdenken, weniger Kunst. Weniger neue jedenfalls.

    Das ist richtig. Eine Frage, die ich mir in dem Zusammenhang immer stelle ist, ob das Theater diese geforderte Innovation überhaupt leisten kann? Kann und muss man mit so einem alten Apparat wirklich neue Sichtweisen produzieren, sind Reformen wirklich möglich? Oder haben nicht Netflix.com, Kino und andere Kanäle längst übernommen (das Stichwort Disruption fällt ja zur Zeit dauernd) und wir leisten uns das gute, alte Stadttheater als wehmütige Erinnerung an ein früheres Kapitel der Mediengeschichte?

  • Musiker als Unternehmer

    Aktuell gibt es beim VAN-Magazin einen sehr ausführlichen, lesenswerten Kommentar von der Komponistin Emily Doolittle zum Thema «Komponisten als Entrepreneure».

    Der Kommentar basiert auf der altbekannten Prämisse, dass Kunst nichts müssen soll und folglich Kunst und ökonomische Zweckorientierung nicht zusammenpassen. So weit, so richtig, die Frage scheint mir hier zu sein, wie der Begriff Unternehmertum verstanden wird. Wenn er Vorschub leisten soll, das Dasein von Künstlern laufend zu prekarisieren und die sozialen Risiken dieses Daseins zu privatisieren, wenn er meint, Kunst müsse gezielt an Marktbedürfnissen oder gar Renditeaussichten ausgerichtet werden, dann lehne ich ihn auch ab.

    Aber ich verstehe den Begriff nicht so. Nicht im Kultursektor und auch in Bezug auf andere Bereiche nicht. Unternehmerisch zu arbeiten heißt in meinem Verständnis vor allem, initiativ zu sein, Möglichkeiten zu suchen und zu finden, gestaltend zu arbeiten – unabhängig davon, was man gestaltet. Das können Produkte sein, soziale Strukturen, ein Geschäftsmodell, Farben, Töne oder was auch immer. In diesem Sinne arbeitet ein Unternehmer immer ins Ungewisse hinein und muss immer Kreativität und eine gewisse Risikobereitschaft mitbringen. Der Software-Entwickler wie der Künstler. Mit dem Unterschied, dass der Software-Entwickler bessere Aussichten hat, für seine Risikobereitschaft eines Tages finanziell belohnt zu werden. Aber zunächst einmal setzt Unternehmertum immer auch eine gewisse wirtschaftliche Unabhängigkeit voraus, weil man die Früchte seiner Arbeit – seien sie materieller oder immaterieller Art – immer erst später ernten kann. Insofern gebe ich Doolittle dann doch wieder recht, wenn sie schreibt:

    Wir brauchen Stiftungen und Töpfe, die auf der Basis unterstützen, was wir versuchen, nicht, was wir versprechen zu produzieren. Wir brauchen die Freiheit, auch Musik zu schreiben, von der das Publikum noch nicht weiß, dass es sie will. Wir brauchen ein soziales System, dass es uns ermöglicht, lang genug nicht über Geld nachzudenken, um etwas zu erschaffen. Und wir müssen die Möglichkeit haben, zu experimentieren, ohne uns zu sorgen, dass das Ausbleiben eines kommerziellen Erfolgs im finanziellen Ruin mündet.

  • Tablets statt Notenständer

    Norman Lebrecht berichtet, wie Tablets die klassischen Papiernoten ersetzen. Ist vielleicht praktisch, wenn nicht mehr alle Striche, Notizen und Korrekturen von Hand eingetragen werden müssen, sondern mit einer Änderung für alle Musiker einer Gruppe verfügbar sind. Umblättern geht per Pedal, ohne Geraschel und ohne Hektik. Und wenn sich die Tablets erstmal etabliert haben, kann der Dirigent eigentlich zu Hause bleiben und von dort kann er vor einer Kamera dirigieren, die ihn auf die Tablets überträgt. Wäre gut für’s Klima, schlecht für die Fluggesellschaften. 😉

  • Nebenjob Kulturpolitik

    Der Wirbel um die Verpflichtung von Chris Dercon als Nachfolger von Frank Castorf an der Volksbühne ist gerade etwas abgeebbt, da haben Michael Müller und Tim Renner schon die nächste Personaldebatte provoziert: Tanzchoreografin Sasha Waltz soll ab 2019 gemeinsam mit dem Choreografen Johannes Öhman die Leitung des Staatsballetts Berlin übernehmen. Die Compagnie wehrt sich gegen die Entscheidung und hat eine Petition «Rettet das Staatsballett» gestartet. Dort heißt es:

    Die Ernennung ist leider zu vergleichen mit der Ernennung eines Tennis-Trainers zu einem Fußball-Trainer oder eines Kunstmuseumsdirektors zu einem Chefdirigenten. Die Entscheidung von Michael Müller und Tim Renner zeigt die völlige Unkenntnis beider über die Traditionen und Entwicklungslinien von Tanz und insbesondere Ballett.

    Während ich den Wirbel um Chris Dercon nicht ganz nachvollziehen konnte, geht es mir hier anders. Dercon wird ein Manager-Intendant sein. Solange man nicht weiß, welche Künstler er verpflichtet und was er inhaltlich vorhat, ob er die Volksbühne wirklich zu einer «Eventbude» machen will, ist es in meinen Augen verfrüht, ihn abzulehnen. Waltz dagegen wird eine choreografierende Intendantin sein und ist im klassischen Ballett nicht zu Hause. Da ist klar, dass ein großer künstlerischer Richtungswechsel ansteht, mit vielen Nichtverlängerungen und ungewissem Ausgang, der die Tänzer verständlicherweise beunruhigt. Aber gut, wenn dieser Richtungswechsel wenigstens konsequent wäre… Das ist er aber nicht aufgrund der Doppelspitze von Tanzchoreografin und Ballettchef. Das sieht einfach nach einem faulen Kompromiss aus.

    Ist ja schön, wenn Müller und Renner etwas frische Luft in die Berliner Hochkultur-Betriebe bringen wollen. Kulturpolitisch wäre es allerdings effektiver, dazu erstmal präzise Vorstellungen zu entwickeln und zu kommunizieren, was man genau braucht und will und davon ausgehend Personalien zu entscheiden. Dafür reicht vermutlich die Zeit nicht, wenn man als Regierender Bürgermeister das Amt des Kultursenators noch im Nebenjob erfüllt. Also werden wohl weiterhin höchst streitbare Personalien entschieden, in der Hoffnung und dem Glauben, dass dann alles neu, innovativ und besser wird.

    Nachtrag: Im VAN-Magazin gibt es eine deutliche, aber differenzierte, unaufgeregte und sehr nachvollziehbare Kritik der Personalentscheidung von Wiebke Hüster.

  • Warum der Klassikbetrieb keinen Geschlechterkampf braucht

    Susanne Küblers Kritiken zu den Produktionen am Opernhaus Zürich habe ich nicht immer geteilt, fand sie aber immer fair und nachvollziehbar. Gleiches gilt für ihre kulturpolitischen Statements. Umso mehr wundert mich ihr aktueller Artikel über die angeblich ausbaufähige Gleichberechtigung im Klassikbetrieb. Sie lobt zunächst die Bemühungen des Lucerne Festivals, dirigierende und komponierende Frauen zum Schwerpunkt zu machen. Das mag man als kulturpolitisch wertvolles Signal werten. In meinen Augen ist das eine Themensetzung, die vor allem unter PR-Gesichtspunkten sinnvoll war, weil sie mehr Medien-Aufmerksamkeit gebracht hat, als etwa «Humor» oder andere Schwerpunkte der letzten Jahre. Aber welches künstlerisches Statement sollte damit verbunden sein? (mehr …)

  • Comeback

    Wie schnell doch so ein halbes Jahr vergeht. Ich hatte gar nicht geplant, eine Blogpause zu machen, aber der letzte Post ist vom 31. Januar, also deutlich über ein halbes Jahr alt. Schuld für diese Pause war vor allem der Umzug von der Schweiz nach Hamburg, der eine ganze Menge Energie absorbiert hat. Allein schon die Krankenversicherung zu regeln war ein nervenaufreibendes Halbjahresprojekt für sich. So etwa wie bei Asterix und Obelix auf der Suche nach Passierschein A38.

    httpv://www.youtube.com/watch?v=lIiUR2gV0xk

    Wie auch immer, diese herkuleske Aufgabe ist geschafft und ich habe mir vorgenommen wieder regelmäßig zu bloggen. Die Website habe ich auf eine neue Domain umgezogen, das Template geändert und den Host gewechselt. Ich hoffe, es funktioniert alles, wenn nicht danke ich schon mal im voraus für alle konstruktiven Hinweise.

  • Wie ist das jetzt eigentlich mit dem Social-Media-ROI?

    Lässt sich für Social-Media-Aktivitäten ein «Return on Investment» (ROI) definieren? Diese Frage wurde vor einiger Zeit intensiv diskutiert. Hagen Kohn, der sich auch damals mit etlichen Beiträgen und einem Sammelband-Aufsatz an der Diskussion beteiligte, hat das Thema nun auf seinem Blog wieder aufgegriffen. Und zwar in Form einer kleinen Interview-Serie, zu der ich den Auftakt machen durfte. Kurz zusammengefasst: Ich denke, so etwas wie ein ROI lässt sich für Werbeanzeigen auf Facebook, Google oder Twitter gut bestimmen, wenn man die Conversions, also die Verkäufe/den Umsatz, gegen die Kosten rechnet. Bei sonstigem Content macht es in meinen Augen wenig Sinn. (mehr …)