Jahrestagung Fachverband Kulturmanagement
Ende Januar fand in Weimar die Jahrestagung des Fachverbands Kulturmanagement statt. Thema der Tagung war «Kultur im Umbruch. Transformation von Systemen, Institutionen und Formaten». Im Ankündigungstext hieß es:
Migration, Digitalisierung, Globalisierung gehen mit einer Neuordnung des kulturellen Feldes einher. Praktiken, Institutionen und Arbeitsbedingungen in der Kulturproduktion und Kulturkonsumption haben sich fundamental gewandelt. Sozioökonomische, demographische und technologische Entwicklungen stellen unter anderem Kulturpolitik und Kulturfinanzierung vor große Herausforderungen. Betroffen sind davon kulturell-künstlerische Produktion, Distribution und Rezeption (z. B. durch TTIP, Kulturgutschutzgesetz, neue Technologien etc.). Vor diesem Hintergrund zeichnet sich eine sektorale Neuverortung und Neubestimmung ab, in der auch die Kräfteverhältnisse zwischen öffentlich-rechtlichen, privatwirtschaftlich-kommerziellen und zivilgesellschaftlichen Akteuren und Institutionen neu ausgehandelt werden. Diese Transformation verlangt einen Umbau des gesellschaftlichen Kultursystems und seiner Institutionen.
Ein aktuelles, spannendes Thema also. Dieses Thema ausgerechnet auf einer Tagung in Weimar zu diskutieren hatte einen gewissen ironischen Reiz. Ich war zum ersten Mal in der Stadt und habe zugegebenermaßen nur einen oberflächlichen Eindruck erhalten. Aber dem Anschein nach gibt es nur wenig andere kulturelle Orte in Deutschland, die so sehr von ihrer kulturellen Vergangenheit leben und zehren. Hier ist einfach alles irgendwie Goethe, Schiller oder Anna Amalia. Die Stadt ist klein, hübsch, adrett, sauber, wenn es nicht so abschätzig klingen würde, könnte man auch sagen provinziell. Von Umbruch, Migration, Digitalisierung oder gar Globalisierung ist hier wenig bis gar nichts zu merken, wenn man mal eine Handvoll japanischer Touristen außen vor lässt. Aber warum sollte man nicht gerade an so einem Ort, also mit gewissem Abstand, über genau diese Themen nachdenken und diskutieren?
Und so wurde die Tagung im Festsaal des Schlosses eröffnet. Von WLAN keine Spur, Handynetz so lala. Nach einem etwas eitlen Eröffnungs-Vortrag des Präsidenten der Klassikstiftung thematisierte Mark Speich von der Vodafone Stiftung das Verhältnis von Kulturanbietern und Sponsoring. Sponsoring ist und war ein Machtattribut. Wer sponsort zeigt, dass er es sich leisten kann, jenseits rein renditebezogener Erwägungen Geld auszugeben. Lange war der Kulturgenuss eine Distinktionstechnik der Wirtschaftseliten (Speich bezog sich hier auf die Forschungen von Michael Hartmann), dies scheint sich seit einiger Zeit allerdings in Richtung Marathonlaufen zu verschieben. Sehr gefallen hat mir an Speichs vielschichtigem Vortrag, dass es sich nicht um ein Loblied auf das Sponsoring handelte, sondern eine überaus differenzierte Betrachtung war mit teilweise kritischen Überlegungen zu der Rolle des Sponsors, in der er ja sprach.
Da ich den Freitag morgen für ausgedehnteren Frühsport an der Ilm genutzt habe, ging es für mich los mit einem Vortrag von Martin Zierold und Alan Salzenstein. Sie plädierten dafür, Change Management (oder allgemeiner Transformierungskompetenz) als Querschnittsaufgabe des Kulturmanagements zu lehren und nicht als isoliertes Modul. Zudem sprachen sich die beiden für eine enge Zusammenarbeit mit Kultureinrichtungen in der Ausbildung aus, beklagten aber die geringe Offenheit der Einrichtungen gegenüber Änderungsvorschlägen und Ideen der Studenten. Hier fehlte mir die Perspektive der Einrichtungen, die viel Arbeit mit der Zusammenarbeit mit Studenten haben bei meist überschaubarem Output. Ich denke, da stehen die Hochschulen in der Pflicht, den Nutzen für die Einrichtungen deutlich(er) zu machen. Das wird nicht reichen:
.@culturelab @kmnweimar Mir fällt kaum eine Organisation ein, die nicht von Austausch mit Studierenden auf vielen Ebenen profitieren könnte.
— Martin Zierold (@MZierold) 20. Januar 2017
Tobias Knoblich, Kulturdezernent in Erfurt, sprach anschließend über die Schwierigkeiten, die Veränderungsprozesse, von denen an der Tagung die Rede war, kulturpolitisch zu begleiten und voranzutreiben. Der Tonfall des Vortrags war zwar durchaus launig, zwischen den Zeilen ließ sich aber auch eine ganze Menge Frustration heraushören.
Am Nachmittag ging es um den Wandel der Institutionen. Mara Kaeser sprach über die künstlerische Neuausrichtung von Theatern am Beispiel eines Intendanzwechsels an den Münchner Kammerspielen. Sie betonte dabei insbesondere die Rolle des Intendanten als Change Agents. Ralph Ziegler widmete sich Kulturprojekten im ländlichen Raum. Seine Beispiele legten die Schlussfolgerung nahe, dass Kulturpolitik vor allem darin bestehen sollte, die kulturellen Initiativen einzelner Personen zu unterstützen und zu fördern, auch wenn die Abhängigkeit von diesen Personen der kulturpolitischen Kontinuität entgegen stehen kann. Björn Neuhaus und Ursula Bongaerts sprachen schließlich über Evaluation im Kulturbereich. Aufgrund der Kritik, die Neuhaus an der letzten Jahrestagung zum Thema Evaluation übte, kam es zu einer kontroversen Diskussion – sonst herrschte an der Tagung eher eine einvernehmliche Atmosphäre vor. Ich selbst durfte in dem Panel einen Input zum Thema Unternehmertum als Katalysator für künstlerische Innovation geben.
Parallel dazu gab es eine Session, bei der es offenbar je einen Vortrag zu Globalisierung und Migration gab. Ansonsten fanden diese Schlagworte aus der Ausschreibung wenig Raum auf der Tagung. Beim Thema Digitalisierung war das anders. Dazu gab es sogar ein eigenes Panel. Aufschlussreicher Weise waren hier allerdings fast nur Studenten zugegen. Auch aus der Führungsriege des Fachverbands war, soweit ich das gesehen habe, nur der Sessionleiter anwesend.
Bei der #fvkm17 geht es um Transformation. Im Track #Digitalisierung sitzen gefühlt nur Studis. – Wir werden uns also gedulden müssen. 😬
— Christian Holst (@culturelab) 20. Januar 2017
Dass wir uns gedulden müssen, bestätigte auch der höchst interessante Vortrag von Rainer Glaap, mit dem die Session eröffnet wurde. Beim Thema Dynamic Pricing ist bei den Einrichtungen wenig Dynamik zu erkennen, teilweise eher offener Widerstand. Ich selbst bin zwiegespalten, was dieses Thema angeht: Aus Marketingsicht finde ich es sehr spannend und vielversprechend, aus Kulturnutzer-Sicht finde ich es auch problematisch. Denn natürlich ist es das Ziel der Anbieter, eine Informationsasymmetrie aufzubauen und gegen den Kunden auszunutzen. Das Gegenargument ist, dass wir solche Preissysteme doch längst akzeptiert haben (Tankstellen, Tourismus etc.) und frei in unserer Entscheidung sind. Stimmt im Prinzip. So frei, wie WhatsApp nicht zu nutzen. Interessanterweise kam es bei den Vorträgen zur Digitalisierung früher oder später immer auch auf ethische Fragen. Für die Klassik Stiftung Weimar waren zum Beispiel unternehmensethische Überlegungen ausschlaggebend, nicht am Google Arts Project teilzunehmen. Julia Glessner konnte die Haltung der Stiftung zwar sehr nachvollziehbar begründen, aber die Entscheidung passt ins Bild, das man vom Weimarer Kulturstandort bekommt: Der Umbruch, der andernorts in vollstem Gange ist, ist hier noch nicht angekommen.
Am Samstag morgen hielt Kristina von Bülow einen Vortrag über Vernetzung und Interaktion als Erfolgsfaktoren für Kulturkommunikation. Sie sah in der Globalisierung (hier tauchte das Schlagwort nochmal auf) und Digitalisierung die Möglichkeit für neue Kooperationen und Nischenformate, die bislang chancenlos waren, aufgrund globaler Rezipierbarkeit aber ihr Publikum finden können (entsprechend Chris Andersons «Long Tail»). Carsten Winter verfolgte in seinem daran anschließenden Vortrag eine ähnliche Stoßrichtung: Auch er beschäftigte sich mit dem durch die Digitalisierung ausgelösten Strukturwandel und zeigte am Beispiel von Culturepreneuren der Musikszene, wie sich die Organisation der Wertschöpfung von den Unternehmen (Labels) in die Netzwerke der Künstler verschiebt. Aus dieser Analyse leitete er ein Plädoyer ab für den Paradigmenwechsel von der »Kultur für alle» hin zu einer «Kultur von allen für alle».
Michael Hutter und Carsten Baumgarth setzten den Schlusspunkt der Tagung. Hutter mit einem sehr theoretischen Vortrag über «Ernste Spiele», bei dem mir der Bezug zum Tagungsthema nicht klar geworden ist. Carsten Baumgarth mit einem äußerst kurzweiligen, praxisnahen und unterhaltsam bebilderten Vortrag über die Zusammenarbeit von Urban artists (z.B. Graffiti-Künstler) und Marken.
Alles in allem war es eine sehr gelungene, gut organisierte, interessante Tagung mit vielen interessanten Begegnungen, Denkanstößen und Inputs. Kleiner Wermutstropfen: Bei parallelen Sessions hat man immer die Qual der Wahl und kann leider nicht alles wahrnehmen. Es ist daher schade, dass (bislang?) keine Dokumentation der Tagung zur Verfügung steht, weder in den digitalen Netzwerkmedien, von deren Chancen ja immer wieder die Rede war, noch in anderer Form. Einzig unter dem vom Kulturmanagement Network etablierten Hashtag #fvkm17 findet man eine Handvoll Tweets zur Tagung. Ein Tagungsbericht erscheint dann vermutlich auch in der nächsten Ausgabe der (kostenpflichtigen) Zeitschrift für Kulturmanagement.
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