Christian Holst

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Autor: Christian Holst

  • Missverständnisse im Windschatten von Uschis Ente

    In meinen Augen hat der Schlager einen unverdient schlechten Ruf, denn Schlager können große Freude bereiten. Mein Lieblingsschlager ist »Im Wagen vor mir« von Henry Valentino und Uschi. Als ich dieses Lied zum allerersten Mal gehört habe, habe ich lauthals gelacht, weil ich es für eine Parodie hielt. Bis heute höre ich dieses Lied wirklich gern, weil ich es nach wie vor ausgesprochen witzig finde und ich kein anderes Beispiel kenne, bei dem Ironie und Debilität eine so unverbrüchliche Ehe eingehen. Kurz zur Erinnerung: Henry Valentino genießt das einfache Glück einer entspannten Autofahrt (»so schön mit 90«) und hängt sich in den Windschatten von Uschis Ente. Uschi dagegen hält Henry für einen geilen alten Bock (wer könnte es ihr verübeln, bei diesem wunderbar lässig dahergegrunzten »Ra-daa – ra-daa – radadadadaa«?) und kriegt es langsam mit der Angst zu tun. Schließlich fährt sie sogar vorzeitig von der Autobahn ab, um sich »hinter irgendwelchen Hecken« zu verstecken und kommt dadurch zu spät nach Hause.

    Ein richtiges kleines Drama, was sich da abspielt und uns wieder einmal vor Augen führt, dass Männer und Frauen einander einfach nicht verstehen können.

  • Merci für’s Telefon

    Heimat ist natürlich auch da, wo man versteht und verstanden wird. Schweizer machen es da einem nicht immer einfach. Einmal natürlich dieser merkwürdige Akzent, der klingt, als würde er starke Hals- und Rachenschmerzen verursachen, weil er so kratzt und knorzt. Die übertriebenen Verzögerungen auf bestimmten Konsonanten, die die sprichwörtliche Langsamkeit der Schweizer ausmachen, interpretiere ich immer als eine Hinauszögerung der Schmerzen, die da kommen. Würden die Schweizer beispielsweise das Wort »Danke« benutzen, würde es ungefähr so ausgesprochen »Dannnnn-kche«. Um das damit einhergehende Rachenkratzen zu vermeiden, sagt man jedoch meistens lieber »Merci viumau« (=»Merci vielmals«).

    Aber fast noch irreführender ist, dass die Schweizer oft nicht sagen, was sie meinen. Wenn sie zum Beispiel »Terminkalender« meinen, sagen sie »Agenda«, wenn sie »Agenda« meinen, sagen sie »Traktanden«, wenn sie »riechen« meinen, sagen sie »schmecken«, wenn sie »Pfand« meinen, sagen sie »Depot« und so weiter. Besonders witzig: wenn sie »Telefonat« meinen, sagen sie »Telefon«. »Merci für’s Telefon« heißt daher nichts anderes als: »Vielen Dank für den Anruf.«

    Keine rein Schweizer Eigenheit, sondern auch aus Süddeutschland bekannt, sind geballte Intelligenz vermittelnde Wendungen wie: »Ist das nicht der, wo gestern schonmal angerufen hat?«

  • Berge haben es leicht

    Je länger ich in der Fremde bin, umso mehr entdecke ich meine heimatliche Verwurzelung, die ich bis vor nicht allzu langer Zeit wahrscheinlich konsequent bestritten hätte. Als ich neulich in Bremen auf dem Weserdeich spazieren ging und mir der Wind ins Gesicht pfiff, da fühlte ich mich zu Hause und dachte: So muss es sein! Mich können der hohe Schweizer Lebensstandard und die Schweizer Märklin-Modelleisenbahn-Landschaft wenig beeindrucken und als ich neulich in einer Theaterfassung von »Buddenbrooks« war und Tony Buddenbrooks sagte: »Es ist merkwürdig, dass man sich an der See nicht langweilen kann. Liegen Sie einmal an einem anderen Orte drei oder vier Stunden lang auf dem Rücken!«, da habe ich wahrscheinlich zustimmend geseufzt. Das ist ein sehr schöner, zutreffender Satz. Eiger, Mönch und Jungfrau, die ich bei gutem Wetter von meinem Berner Zimmer aus sehen kann (s. Foto: Sonnenaufgang), sind zweifellos beeindruckend. Aber Berge haben es auch leicht. Um einer norddeutschen Marschlandschaft oder gar der noch eintönigeren See etwas abgewinnen zu können, braucht es sehr viel schärfere Sinne. Man muss genauer hinsehen, um etwas zum Staunen zu finden und ist zu einer feinen, differenzierten Wahrnehmung gezwungen. Aber wenn einem das gelingt, erschließt sich ein Reichtum, den Berge kaum zu bieten haben. In einem Eimer Watt befinden sich mehr Lebewesen als in den gesamten Alpen.

    Wenn man sich etwas verallgemeinernde Typologie gestattet, kann man daher zu dem Eindruck kommen, dass Unaufdringlichkeit und Bescheidenheit norddeutsche Tugenden sind, die die Einwohner von der sie umgebenden Landschaft gelernt haben. Allerdings behaupten die Schweizer von sich, in den Bergen zu leben mache ebenfalls bescheiden und demütig, weil einem die eigene Kleinheit immer vor Augen geführt wird.

    Eiger, Mönch, Jungfrau

  • Der kleine Unterschied

    Heute war ich im neuen Bond-Film. Um das Fazit vorweg zu nehmen: es ist ein guter Action-Film und ein weniger guter Bond-Film. Im Vorfelde wurde bereits überall lobend erwähnt, dass der Film realistischer und glaubwürdiger als die Vorgänger sei. Als sei das jemals ein geeigneter Maßstab für einen Bond-Film gewesen. Im Gegenteil: das surrealistische Moment machte wesentlich den speziellen und humoristischen Reiz der Filme aus. Q, der Bond immer in prophetischer Voraussicht mit exakt dem Gimmick ausrüstete, das sich später als lebensrettend oder zumindest ausgesprochen nützlich erwies, fehlt in diesem Film. Und mit ihm die wirklich guten Gimmicks. Das ist schon mal schade. Miss Moneypenny fehlt auch. Auch schade.

    Und dann ist dieser neue Bond doch eher sowas wie der kleine Prolo-Bruder von Bruce Willis als ein würdiger Nachfolger von Connery, Moore und Brosnan. Ein rauhbeiniger Raufbold, der sich lieber prügelt, als seine Gegner aus überlegener Coolness heraus auszutricksen. Action ist ja nichts Neues in Bond-Filmen, ebensowenig die schlagkräftige Faust als Waffe. Aber früher war es letzten Endes die coole Intelligenz, die Bond aus der Patsche half. Jetzt zeichnen ihn dagegen unbekümmerte Draufgänger-Mentalität und durchaus beachtliche Nehmerqualitäten aus.

    Man kann das natürlich alles damit erklären, dass der Film James Bond ganz am Anfang seiner Karriere präsentiert und die zentrale und sehr gut gemachte Kasino-Szene zeigt dann eigentlich schon den »vollendeten« Bond. Aber als er dort gefragt wird, ob er den Martini lieber geschüttelt oder gerührt möchte, antwortet er: »Sehe ich so aus, als ob mich das interessiert?« Nee. Und genau das ist das Problem.

  • Berühmte Schweizer

    Die Selbstgenügsamkeit der Schweizer führt dazu, dass nur wenige von ihnen über die Grenzen des Landes hinweg eine gewisse Berühmtheit erlangen. Man weiß ja nicht mal, wer die Schweiz überhaupt regiert. Schweizer, die man auch im Ausland kennt sind z.B. DJ Bobo, Josef Ackermann, Sepp Blatter und diese Architekten, die das neue Stadion in München gebaut haben. Und Wilhelm Tell kennt man natürlich, obwohl der eigentlich nicht zählt, weil er schon lange nicht mehr lebt. Mit gewissem Erstaunen las ich neulich übrigens in Wikipedia, dass Wilhelm Tell jede Frau haben konnte, die er wollte. Aber nicht, weil er schon damals von allen bewundert wurde, sondern weil er Zuhälter war.

    Roger Federer ist natürlich auch ein ausgesprochen berühmter und beliebter Schweizer. Und er ist mit seiner Perfektion und Überlegenheit irgendwie auch ein sehr typischer Schweizer. Denn wenn Europa eine Schulklasse wäre, dann wäre die Schweiz der notorische Streber: Weiß immer alles als erster, hat immer die Hausaufgaben gemacht – natürlich immer 0 Fehler, prügelt sich nicht wie die anderen, hat das am ordentlichsten geführte Heft und auch der Scheitel ist stets akkurat gezogen. Lehrers absoluter Liebling. Deutschland ist dagegen eher das Problemkind und leidet unter sowas wie einer unentdeckten Hochbegabung. Sowas äußert sich dann leicht in »Minderleistungen« und Verhaltensauffälligkeiten.

  • Wer hat’s erfunden?

    Ach ja, Ricola haben die Schweizer auch erfunden. Ich frage mich dabei allerdings, warum sich die Schweizer so explizit der Erfindung von Kräuterbonbons rühmen? Die Deutschen erfinden Autos und die Schweizer Kräuterbonbons. Hm. Ein bisschen was können die sich vielleicht auch von uns abgucken!?

    Einen sehr guten und prägnanten Einblick in die Schweizer Vorstellung eines erfüllten Lebens erhält man meines Erachtens in »Asterix bei den Schweizern«. Ich dachte zunächst, dass dieser Titel etwas irreführend ist, denn Schweizer kommen in der ganzen Geschichte kaum vor. Zumindest auf den ersten Blick, denn es ist wie immer: Gallier gegen Römer. Aber eben nicht zusammen mit den Schweizern, wie man vielleicht vorschnell denken könnte, wenn man z.B. noch »Asterix bei den Briten« im Kopf hat. Die Schweizer sind natürlich neutral. Deswegen entdeckt man sie erst auf den zweiten Blick, wie sie im Hintergrund irgendeinen Fußboden schrubben oder eine Büste abstauben. Und das trifft es irgendwie recht gut: Die Schweizer sind sehr ordentlich und sauber, aber einem ordentlichen Abenteuer nicht gerade zugeneigt. Um sie herum vollzieht sich die Weltgeschichte, aber sie halten sich da tunlichst raus. (Oftmals schlauerweise, muss man sagen.) Das war offenbar schon zu Cäsars Zeiten so – zumindest, wenn man Asterix als historisches Zeugnis gelten lässt – und ist heute nicht anders. Aber wenn es gut läuft, dann bleibt ein bisschen Geld in der Schweiz hängen und das wird mit außerordentlicher Gastfreundschaft aufgenommen.

  • Birchermüesli

    Otto Schily soll sinngemäß einmal gesagt haben: »Nicht die Schweiz sollte der EU beitreten, sondern die EU der Schweiz.« Wahrscheinlich würde sie das ja auch sofort tun, wenn die Schweiz sie ließe. Gemeint war natürlich, dass sich EU-Länder im Allgemeinen und Deutschland wahrscheinlich im Besonderen ordentlich was abgucken sollten von der Schweiz.

    In vierlei Hinsicht ist die Schweizer Kultur tatsächlich nachahmenswert. Z.B. gibt es dort eine unaufgeregte Demokratie, die dank regelmäßiger Volksabstimmung diesen Namen auch halbwegs verdient. Die Schweizer haben das Schweizer Taschenmesser erfunden und machen die beste Schokolade. Auch der Reißverschluss ist die Erfindung eines Schweizers. Eine Schweizer Invention, die besondere Erwähnung verdient, ist übrigens das Bircher-Müesli. Seit ich mich vermehrt in der Schweiz aufhalte, ernähre ich mich zu 30% von Bichermüesli. Birchermüesli ist gesund, bekömmlich, einfach herzustellen bzw. in der Schweiz überall auch leicht fertig zu bekommen und trotz alledem schmeckt es auch einfach richtig gut.

    Wer sich selbst davon überzeugen möchte, dem sei hier eine Anleitung an die Hand gegeben.

    1 EL Haferflocken (nicht mehr!) mit 50 ml Wasser und dem Saft einer halben Zitrone vermischen. Dann das Ganze kurze Zeit quellen lassen. Dazu 1 EL Joghurt und etwas Honig geben. Mit einer Bircherraffel (Apfelreibe) 1 großen, säuerlichen Apfel reiben und dazugeben. Schließlich kommt noch 1 EL geriebene Haselnüsse dazu. Das Ganze gut umrühren und nach Belieben mit Honig süßen.

    Und wenn vom Birchermüesli die Rede ist, dann darf natürlich auch der Hinweis nicht fehlen, dass die etwas verschrobene Schreibweise »-müesli« sehr wohl korrekt ist und dem deutschen »Müsli« entspricht, das in der Schweiz wiederum das Diminutiv von »Maus« ist.

  • Neue Blogs braucht das Land

    Deutschland fällt international ab: Lohnkosten, Steuern, Arbeitszeit, Gesundheitskosten, Bildungsniveau, Staatsquote usw. usf. Und was Blogs angeht, haben wir auch schon längst den Anschluss verloren. Nur 8% der Deutschen nutzen diese schöne Möglichkeit des so genannten Web 2.0. In den USA – auch hier die Amis vorbildhaft – sind es dagegen 24%. Also fragte ich mich, was ich für mein Land tun kann und dieser Blog hier ist nun das Mindeste.

    Tatsächlich muss man aber auch fragen, was diese 8% überhaupt heißen. Neulich surfte ich mal auf jetzt.de und guckte mir dort ein bisschen die Blogs an. Ich muss sagen, ich war ziemlich entgeistert. Da schreiben lauter kleine Menschen (so zwischen 17 und 23) altkluge oder kritische oder vermeintlich aufgeklärte Blogs über Beziehungstücken und darüber, wie Medien unsere Wahrnehmung von der Welt manipulieren und dass Politiker lügen und sonstwas, und kriegen dafür Blogstipendien und Empfehlungen der Redaktion. Das fand ich bescheuert. Ich finde, die sollten lieber Niedlichkeitsstipendien vergeben, für die niedlichste Meinung oder den absolut unabgeklärtesten Blog, den man sich denken kann. Man kann sich genau vorstellen, wie die Freunde all dieser Baby-Blogger sagen: »Boah, du kannst so geil schreiben, du musst unbedingt Journalist werden oder Schriftsteller«. Und irgendwie können die auch schreiben, aber sie haben einfach noch nichts verstanden vom Leben. Ich will natürlich nicht in die Falle tappen und jetzt behaupten, ich hätte schon viel vom Leben verstanden. Aber ich weiß immerhin: Die FAZ wartet nicht auf mich, und ZEIT und Spiegel auch nicht; dieser Blog ist das Höchste der Gefühle und mein kleiner Beitrag dazu, dass es wieder aufwärts geht mit Deutschland.