Bill Gates Ausspruch «Content is king» schien lange Zeit ganz besonders auch für Kultureinrichtungen zu gelten. Schließlich ist das Produkt hier keine Ware oder Dienstleistung, sondern selbst «Content», die Häuser «prall gefüllt mit Geschichten und Geschichte, Menschen und Berufen», wie Hagen Kohn vor einiger Zeit schrieb. Ich selbst war auch lange von dieser These überzeugt und habe sie z.B. in meinem Beitrag zum ersten stARTconference-Tagungsband vertreten. Gute, interessante Inhalte, so die Überzeugung, werden durch Suchmaschinen und die Verteilmechanismen digitaler Netzwerkmedien schon das Publikum erreichen, das sich für diese Inhalte interessiert. Pull statt Push. In meiner Arbeit ist dann allerdings eine gewisse Ernüchterung eingetreten, die ich vor einiger Zeit in einem Blogbeitrag beschrieben habe. Mir schien, dass insbesondere auf Facebook doch wieder die Regeln der klassischen Push-Werbung gelten. Der Blog-Artikel ist bereits dreieinhalb Jahre alt, der Eindruck verfestigt sich aber immer mehr.
Von Cory Doctorow gibt es ein schönes Zitat, das mir das Problem von Content Marketing und Storytelling im Kultursektor sehr gut auf den Punkt zu bringen scheint:
Conversation is king. Content is just something to talk about.
Der Content, über den Kultureinrichtungen verfügen, mag reichhaltig sein, aber er ist in aller Regel selbstreferenziell und hat allermeist wenig mit Konversation zu tun. Es wird vielmehr monologisiert, unter welchen Umständen ein Werk entstanden oder uraufgeführt wurde, welchen aufstrebenden Künstler man nicht verpassen sollte, welcher großartige Regisseur für eine aufregende Neudeutung eines tausendfach inszenierten Klassikers gewonnen werden konnte oder (Blick hinter die Kulissen ist immer gut!) wie dieser Regisseur beim Konzeptionsgespräch sitzt. Viele Kultureinrichtungen machen das mittlerweile mit einem hohen Professionalisierungsgrad und großem Ideenreichtum. Aber es geht um die Einrichtung und ihr großartiges Angebot, nicht um das Publikum und seine Motivation, eine Kulturveranstaltung zu besuchen. Die Diagnose, die Trevor O’Donnell für amerikanische Kultureinrichtungen stellt, muss man wohl für deutsche Einrichtungen übernehmen:
But arts marketing is by and large an under-informed, self-centered, uni-directional process that consists of spraying self-congratulatory bombast at the world and hoping enough people still care.
Wenn man diese Attitüde in andere Bereiche überträgt, versteht man schnell, warum Kulturmarketing-Aktionen oftmals wirkungslos bleiben. O’Donnell vergleicht das Kulturangebot z.B. mit Girl Scout Cookies und überlegt, wie wenig die Girl Scouts wohl verkaufen würden, wenn sie ihre Cookies im typischen Kulturmarketing-Tonfall anpreisen würden:
The essential motif in this compelling morsel of transcendent deliciousness comes from mentha, or mint, a genus in the family Lamiaceae, which was a popular ingredient in Hungarian folk traditions.
In Hamburg war die Abokampagne 16/17 des Thalia Theaters eine gelungene Ausnahme von diesem Marketingprinzip. Sie stellte humorvoll auf Gründe ab, ein Abo zu buchen («Endlich wieder Elternabend!») und ließ Abonnenten zu Wort kommen. Ansonsten kranken viele Kulturmarketing-Kampagnen daran, dass ihnen die Idee fehlt, wie der Brückenschlag vom eigenen Angebot (ich denke, man sollte selbstverständlich davon ausgehen können, dass die Macher dieses Angebot gut und toll finden) zu ihrem Publikum gelingt. Dazu muss man das Publikum kennen und mit ihm reden. Man sollte wissen, warum die Leute kommen. Und Konversationen sind King, einerseits um die Beweggründe herauszufinden und andererseits, um Beweggründe zu geben. Und wenn man das gut macht, kann man sich vielleicht sogar Audience Development sparen…?
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