Axel Kopp hat gerade 10 Online-Marketing-Tipps für Theater in seinem Blog veröffentlicht. Tipp 2 – eine Chat-Funktion, die auf der Website eingebunden wird – gefällt mir sehr gut, weil das ein besucherorientierter Service wäre, der die Conversions auf der Website wahrscheinlich ziemlich befeuern würde. Ebenfalls sehr besucherorientiert ist der Vorschlag, die Stücke zu verschlagworten, um dem Publikum ein paar Anhaltspunkte zu geben, was es zu erwarten hat. Aber Axel ahnt schon, dass so etwas einen großen Aufschrei seitens der Künstler zur Folge hätte.
Und dieser vermutete Aufschrei ist nur die Spitze des Eisberges namens «angebotsorientierte Denkhaltung». Die besteht plakativ gesprochen darin, irgendwas zu machen, was man selbst gut findet und sich dann auf die Freiheit der Kunst zu berufen, wenn andere es nicht genauso gut finden. Ein besonders anschauliches Beispiel dieser Denke begegnete mir neulich in einem Kommentar des Regisseurs Marcus Lobbe zu einem nachtkritik.de-Artikel:
Wir sind Künstler und machen Kunst, und nach §5,3 des GG müssen wir gar nichts müssen. Wir können und dürfen, müssen müsssen (sic!) wir nur, was wir für relevant, wichtig und richtig halten.
Das strotzt natürlich von ziemlicher Ahnungsloskeit. Erstens zielt dieser Grundgesetz-Artikel darauf, die Kunst vor staatlicher, politischer Einflussnahme zu schützen. Dieser Artikel garantiert weder Geld, noch hält er Kunst frei davon, einen gesellschaftlichen Zweck erfüllen zu sollen, wenn denn Geld fließt. (Bei der ebenfalls erwähnten Forschung und Lehre leuchtet das sofort ein.) In den Verfassungen der Länder gibt es dann in der Regel eine Verpflichtung des Staates zur Förderung von Kunst, Kultur und Bildung. Hier geht es also zwar um Geld, allerdings ist ganz allgemein von Kunst und Kultur die Rede, nicht im Speziellen von Theatern. Zweitens dürfte diese Haltung ein wesentlicher Grund dafür sein, dass die Besuchszahlen der öffentlichen Theater seit 20 Jahren erodieren, im Schauspiel besonders krass (Quelle, S. 15). Weniger Publikum heißt auf mittlere Sicht auch sinkende Legitimation der öffentlichen Finanzierung. Und Art 5, Abs. 3 des GG sagt nicht, dass die Finanzierung der deutschen Theater bis in alle Ewigkeit festgeschrieben ist. Letztlich sägen die Künstler mit einer solch angebotsorientierten Haltung, wie sie in dem Zitat zum Ausdruck kommt, also an dem Ast, auf dem sie sitzen.
Aber was stattdessen? Immer sehr lesenswert zu diesem Thema finde ich das Blog von Trevor O’Donnell, einem amerikanischen Kulturmarketing-Experten. Er kann sich wunderbar über das selbstbezogene, angebotszentrierte Marketing von Kultureinrichtungen aufregen, das sich immer nur darum dreht, wie wichtig, richtig und großartig die Häuser sich und ihr eigenes Tun finden. In O’Donnells Augen sollte es stattdessen um Folgendes gehen:
Learn what your customers want and then use that information to show how your products will satisfy their yearnings.
Interessant an dieser Formulierung finde ich, dass es nicht einfach darum geht, die angebotsorientierte Haltung durch eine nachfrageorientierte zu ersetzen und dem Publikum anzubieten, was es explizit verlangt. Die Kunst bleibt frei. Aber es geht darum, zu verstehen, warum die (potenziellen) Besucher ins Theater kommen. Und – jetzt bitte stark sein, lieber Marcus Lobbe – der Regisseur ist meist nicht der Grund. Überhaupt ist die Auseinandersetzung mit einem Kunstwerk nur ein Grund unter vielen – üblicherweise ein wichtiger, aber meist auch nicht so wichtig, wie die Einrichtungen meinen. Die Gründe, warum Leute kommen oder nicht, sollte man kennen. Und dann geht es darum, den potenziellen Besuchern zu zeigen, wo die Schnittmengen sind, zwischen ihrer Motivation, einen Abend im Theater zu verbringen und dem, was das Theater im Angebot hat.
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