Zunächst einmal ein frohes neues Jahr und viel Erfolg und alles Gute für 2019!
In der Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom vergangenen Wochenende ist unter der Überschrift Die Möglichmacherein Artikel erschienen, der einen guten Überblick gibt, was man heute als Kulturmanager können muss, wie sich das Berufsbild geändert hat und weiter ändert und welche Ausbildungsmöglichkeiten es gibt. Im Zuge der Recherchen hat die Redakteurin im vergangenen Herbst auch mit mir gesprochen und meine Prognose zur digitalen Zukunft des Fachs übernommen:
Holst sieht das Kulturmanagement der Zukunft als „Knotenpunkt“, in dem sich der digitale Austausch zwischen kreativen Künstlern und kreativem Publikum bündeln könnte.
Leider gibt es noch viel zu wenige Beispiele, wie so etwas konkret aussehen könnte. Einen kleinen Eindruck gibt die Aktion eines Künstlerkollektivs, das letztes Jahr das MoMA digital gekapert hat. Warum solche Aktionen nicht viel öfters und viel gezielter auch im Einvernehmen veranstalten?
Einen Tag vor der Eröffnung der Bayreuther Festspiele 2015 wurde der erste Tweet im frisch eröffneten Twitter-Account @BayreuthFest veröffentlicht:
Morgen gehen die Bayreuther Festspiele los. Dieses Jahr wagen wir den Schritt weiter in den neuen Medien: Hallo Twitter!— BayreutherFestspiele (@BayreuthFest) 24. Juli 2015
Die Komische Oper Berlin, die selbst schon seit längerer Zeit auf Twitter aktiv war, begrüßte die Festspiele und wünschte viel Erfolg. Die Süddeutsche Zeitung, der Bayerische Rundfunk, ZEIT online und andere erwähnten den Account und griffen die dort verwendeten Hashtags für die eigene Berichterstattung auf. Auch bei Wagner-Fans fand der Account sofort Anklang: Zwei Tage nach dem ersten Tweet zählte @BayreuthFest bereits 500 Follower, am Ende des Festspielsommers waren es 1.500.
Heute muss ich mal einen kleinen Rant über etwas schreiben, was mich seit einiger Zeit immer wieder aufgeregt hat. Und zwar ist das das ignorante Verständnis von Marketing, das im Kulturbereich erschreckend weit verbreitet ist. Nur zwei kleine Beispiele, die stellvertretend für eine fast schon epidemische Haltung stehen:
Neulich wurde ich von einem altgedienten Kulturfunktionär darüber belehrt, dass Marketing (also «meine» Disziplin) ja schön und gut sei, am Ende aber das Auftun von Geldquellen («seine» Disziplin) die Königsdisziplin des Kulturmanagements sei. Ich habe mir verkniffen zu sagen, dass man die Funding-Aufgaben im Kontext von Kulturmanagement zum Beschaffungsmarketing zählen kann und sie dort auch organisatorisch oftmals verortet werden. Wo da ein Widerspruch sein soll, habe ich jedenfalls nicht verstanden.
Das andere war ein eigentlich harmloser Satz in einem VAN-Artikel. Da stand: «Audience Development, Marketing und Imageaufbesserungen der Institutionen sind gut und wichtig, aber der Zweck von Musikvermittlung liegt nicht primär darin, gutes Bildmaterial für Hochglanzbroschüren zu liefern.» Ich bin mir natürlich im Klaren darüber, dass dieser Satz einfach locker flockig dahingeschrieben wurde und das Verhältnis von Musik(vermittlung) und Marketing in dem Artikel nicht das eigentliche Thema war. Aber er deutet dennoch auf ein sehr typisches Statusgerangel innerhalb vieler Einrichtungen und auf ein weit verbreitetes und äußerst unproduktives Missverständnis hin. (mehr …)
Bettina Fraschke, die Kulturredakteurin der Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen (HNA), hat kürzlich ein Interview mit mir geführt, das jetzt auch online steht. Thema sind digitale Kommunikationsstrategien von Theatern. Viel Spaß beim Lesen!
Während vergangene Woche in Hamburg bei der Jahrestagung des Fachverbands Kulturmanagement über Leadership und Innovation diskutiert wurde, eskalierte eine Auseinandersetzung, die als Paradebeispiel dienen kann, wie man es in Bezug auf beide Themen nicht machen sollte. Was war passiert? Der Komponist und Dramaturg Arno Lücker und die Komponistin Carlotta Joachim hatten einen sog. Shred über den Geiger Daniel Hope erstellt, was der offenbar gar nicht lustig fand. Das Konzerthaus Berlin, wo Hope viel spielt und Lücker eine Konzertreihe betreut, beendete daraufhin die Zusammenarbeit mit Lücker. Hopes Label Deutsche Grammophon versuchte offenbar, die Neue Musik Zeitung, für die Lücker schreibt, zur gleichen Maßnahme zu bewegen. Die vollständige Geschichte kann man u.a. im Bad Blog of Musick und auch im Blog hundert11 (in mehrerenArtikeln und mit zahlreichen Links zu weiteren Quellen) nachlesen. Das Ganze eskalierte schnell und gründlich, so dass irgendwann sogar die Times, die New York Times, Forbes und Alex Ross vom New Yorker darüber berichteten. Albrecht Selge (hunder11) bezeichnete den Fall und insbesondere den Rauswurf Lückers durch das Konzerthaus Berlin treffend als ein Paradebeispiel für Führungsversagen im Kultursektor. (mehr …)
Bill Gates Ausspruch «Content is king» schien lange Zeit ganz besonders auch für Kultureinrichtungen zu gelten. Schließlich ist das Produkt hier keine Ware oder Dienstleistung, sondern selbst «Content», die Häuser «prall gefüllt mit Geschichten und Geschichte, Menschen und Berufen», wie Hagen Kohn vor einiger Zeit schrieb. Ich selbst war auch lange von dieser These überzeugt und habe sie z.B. in meinem Beitrag zum ersten stARTconference-Tagungsband vertreten. Gute, interessante Inhalte, so die Überzeugung, werden durch Suchmaschinen und die Verteilmechanismen digitaler Netzwerkmedien schon das Publikum erreichen, das sich für diese Inhalte interessiert. Pull statt Push. In meiner Arbeit ist dann allerdings eine gewisse Ernüchterung eingetreten, die ich vor einiger Zeit in einem Blogbeitrag beschrieben habe. Mir schien, dass insbesondere auf Facebook doch wieder die Regeln der klassischen Push-Werbung gelten. Der Blog-Artikel ist bereits dreieinhalb Jahre alt, der Eindruck verfestigt sich aber immer mehr. (mehr …)
Auf nachtkritik gibt es seit einigen Jahren schon die Serie Debatte zur Zukunft des Stadttheaters. Besondere Highlights dieser Serie sind der Artikel von Ulf Schmidt zum agilen Theater und – ganz aktuell – ein Beitrag von Thomas Schmidt, der ein interessantes neues Reformmodell vorstellt, das man schleunigst einmal ausprobieren sollte. Schmidt beklagt, dass die Reformmodelle, die bislang diskutiert und umgesetzt wurden (zuletzt in Mecklenburg-Vorpommern), immer auf die Machtabsicherung der Intendanz abzielen. Als Alternative entwickelt er dagegen ein Mitbestimmungsmodell, das den „informierten Künstler“ voraussetzt. So wie ich den Beitrag lese, ist das einfach ein anderes Wort für den kulturunternehmerisch denkenden Theatermitarbeiter. Die in einer Person gebündelte Leitungsmacht wird durch ein Mitbestimmungsmodell, das Künstlern (und hoffentlich auch anderen Mitarbeitern) erlaubt, Einfluss auf die strategischen Entscheidungen ihres Theaters zu nehmen. Das ist eigentlich das Modell, das viele freie Orchester bereits praktizieren. Meine These ist ja, dass sich eine solche unternehmerische Haltung auch sehr positiv auf die künstlerische Klasse auswirken wird. Wäre interessant zu sehen, ob sich dieser Effekt im Theaterbereich auch so zeigen würde. (mehr …)
Mir war lange nicht klar, was «künstlerische Forschung» eigentlich sein und bringen soll. Jetzt bin ich zufällig auf ein Beispiel gestoßen, anhand dessen man das gut erklären kann: «Her Opponent» ist eine Art «Best of» aus den Fernsehdebatten von Clinton und Trump, nachgestellt mit der Methode des dokumentarischen Theaters. Das Setting ist allerdings etwas verändert: Trump wird von einer Frau und Clinton von einem Mann dargestellt. Die Idee dabei:
What would the experiment reveal about male and female communication styles, and the differing standards by which we unconsciously judge them?
Die Annahmen der Forscher waren folgende:
that Trump’s aggression—his tendency to interrupt and attack—would never be tolerated in a woman, and that Clinton’s competence and preparedness would seem even more convincing coming from a man.
Vor und nach den Vorstellungen wurden die Zuschauer befragt, was sie von der Debatte mit vertauschten Geschlechterrollen erwarten bzw. wie sie sie wahrgenommen hatten. Die Ergebnisse waren überraschend. Viele Personen hatten nicht damit gerechnet, dass sich ihre Sicht auf die Debatte so ändern würde. Der hartnäckige, angriffige Debattierstil der Frau fand Anerkennung und Respekt, das faktenkundige, aber auswendig gelernt erscheinende Reden des Mannes fand niemand einnehmend. Sein Dauerlächeln wurde gar als «really punchable» beschrieben. Die Wahl wäre also möglicherweise wesentlich deutlicher zu Gunsten Trumps ausgegangen, wenn er eine Frau und Clinton ein Mann wäre.
Auf youtube gibt es einen kurzen Probenmitschnitt zu sehen. (S. auch die Kommentare unter dem Video.)
Leider habe ich nicht das ganze Stück gesehen und eine Einschätzung auf Basis dieser zwei Minuten ist zugegebenermaßen etwas zweifelhaft. Aber mein vorsichtiger Eindruck geht in die Richtung, die auch das Publikum beschreibt. Zwar wirkt keiner der beiden Kandidaten sympathisch oder gar gewinnend, aber die Frau doch wesentlich klarer und greifbarer in ihrem Anliegen.
Dokumentarisches Theater ist sicher methodisch an vielen Punkten angreifbar: Vielleicht war die Frau einfach der bessere Schauspieler? Vielleicht wäre mit anderen Schauspielern etwas anderes herausgekommen? Trotzdem zeigt dieses Beispiel in meinen Augen gut, dass künstlerische Forschung durch Veranschaulichung und Perspektivwechsel aufschlussreiche Erfahrungen und Erkenntnisse ermöglichen kann.
Vor einigen Wochen ging es hier um die Angebotsorientierung, die bei den meisten öffentlich finanzierten Kultureinrichtungen anzutreffen ist. Aber ich bin natürlich nicht der erste, dem das auffällt. Armin Klein etwa fordert schon seit langem und immer wieder konsequente Besucherorientierung von den Kultureinrichtungen und betont ebenso regelmäßig, dass das nicht den Ausverkauf künstlerischer Unabhängigkeit und Freiheit bedeutet. Bislang bestimmen zwei Konzepte die Diskussion und Bemühungen zu diesem Thema: Kulturvermittlung und Audience Development (AD). (mehr …)
Axel Kopp hat gerade 10 Online-Marketing-Tipps für Theater in seinem Blog veröffentlicht. Tipp 2 – eine Chat-Funktion, die auf der Website eingebunden wird – gefällt mir sehr gut, weil das ein besucherorientierter Service wäre, der die Conversions auf der Website wahrscheinlich ziemlich befeuern würde. Ebenfalls sehr besucherorientiert ist der Vorschlag, die Stücke zu verschlagworten, um dem Publikum ein paar Anhaltspunkte zu geben, was es zu erwarten hat. Aber Axel ahnt schon, dass so etwas einen großen Aufschrei seitens der Künstler zur Folge hätte. (mehr …)