Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Kategorie: Bildung

  • Gegen religiöses Rumgeeier

    Vor einiger Zeit hörte ich bei SWR Leute ein sehr temperamentvolles Interview mit Manfred Lütz, der dort sein Buch Gott – Eine kleine Geschichte des Größten vorstellte. Das war ein wirklich spannendes Interview, also habe ich jetzt das Buch gelesen.

    Lütz macht darin einen kleinen, urteilsfreudigen Parforceritt durch die Geistesgeschichte, immer unter dem Blickwinkel, was die Menschen wann und warum über Gott gedacht haben. Das ist oftmals hochinteressant und lehrreich und was er sagt, fand ich inhaltlich fast immer sinnvoll und überzeugend. Etwas anstrengend ist auf Dauer allerdings der betont rotzige Stil, den Lütz im Nachwort selbstzufrieden als »hemdsärmelig« bezeichnet, genauso wie die scheinbare Belesenheit, die Lütz allzu gern zur Schau trägt. Wie es um die tatsächlich steht, fragt man sich allerdings an mancher Stelle, wo die Argumentation all zu windig wird. Zum Beispiel, als Lütz die Quantentheorie kurzerhand erkenntnistheoretisch vereinnahmt und zum argumentativen Super-GAU der Atheisten hochstilisiert und wenige Seiten später die erkenntnistheoretische Interpretation neuerer Hirnforschung mit ein paar ungnädigen Worten vom Tisch fegt.

    Das letzte Drittel ist so eine Art wortreiche Werbebroschüre für die katholische Kirche, die nach Lütz viel besser ist als ihr Ruf. Wer das nicht so sieht, wird hier vermutlich ein Problem haben, ich habe mich bloß gefragt, was das jetzt noch mit dem eigentlichen Thema zu tun hat. Alles in allem hat es aber Spaß gemacht, das Buch zu lesen und mir eine ganze Reihe Anstöße gegeben. Denn das Buch ist auch ein klares Plädoyer gegen religiöses und spirituelles Herumgeeier.

  • Professorin im Wald

    Miriam Meckel, Professorin für Medien- und Kommunikationsmanagement an der Hochschule St. Gallen, hat kürzlich ein Buch herausgebracht über das Glück der Unerreichbarkeit. Dabei geht es um das Phänomen des Kommunikationsstresses, den man sich heute mit ständigem E-Mail-Checken und permanenter Erreichbarkeit über Handy antut. Nicht gut, sagt Meckel. Aber das hat man eigentlich auch vorher schon gewusst, oder? Trotzdem ist es ganz nett und zuweilen sehr aufschlussreich, ihren Videocast anzuschauen. Da sitzt die Professorin mitten im Wald, wo kein Handynetz mehr hinreicht und liest aus ihrem Buch vor. Aktueller Cast: Ich maile also bin ich. (Bei mir war es das Bloggen: Aktueller Google-Rang: 7).

  • Nochmal Grundeinkommen

    Nachdem ich das außerordentlich empfehlenswerte Wir nennen es Arbeit jetzt durchgelesen habe, habe ich angefangen Einkommen für alle von Götz Werner zu lesen. Ebenfalls ein sehr interessantes Buch, lange nicht so gut geschrieben wie »Wir nennen es Arbeit«, dafür inhaltlich vielleicht noch etwas spannender.

    Werners Grundgedanke ist, dass immer weniger Arbeitskräfte benötigt werden, um alles, was eine Volkswirtschaft wie Deutschland braucht, herstellen zu können. Gleichzeitig basiert die Teilnahme an der Volkswirtschaft aber darauf, dass man arbeitet, weil man nur so Einkommen erzielt (Ausnahmen bestätigen die Regel). Deswegen fordert Werner die Entkoppelung von Einkommen und Arbeit und verspricht sich davon die Freisetzung eines enormen kreativen und sozialen Potenzials, weil man frei ist, zu tun, was man tun möchte.

    Grundsätzlich bin ich immer skeptisch bei solch umwälzenden Vorschlägen, zumal ich mich der Ansicht nicht anschließen kann, in Deutschland laufe zur Zeit alles furchtbar schief. Sicher ist vieles nicht perfekt (so wie in der Schweiz 😉 ), aber man sollte sich doch auch immer klar machen, dass man wirklich auf extrem hohen Niveau jammert. Trotzdem: Die Idee vom Grundeinkommen gefällt mir, vielleicht, weil sie nicht als wichtigtuerisches politisches Programm verkündet wird, sondern als eine Vision davon, was unsere Gesellschaft langfristig ausmachen soll. Eine Frage, die sich die Politik aufgrund ihres engen Vierjahres-Horizonts so gut wie nicht stellt. (Klimaziele bis 2050 liegen zwar außerhalb des Horizonts, sind aber als Vision etwas fade.)

  • Banause

    Gestern haben wir einen Ausflug nach Worpswede gemacht. Ich muss sagen, dass Paula Modersohn-Becker jetzt nicht so mein Fall ist, obwohl sie eindeutig die beste – im Sinne von eigenständigste – dieser Worpsweder Künstler ist. Überhaupt Malerei ist eigentlich nicht so mein Ding. Es gibt Bilder, die gefallen mir ganz gut und andere, die gefallen mir weniger, aber insgesamt finde ich, dass Malerei im Vergleich zu anderen Künsten recht nichtssagend ist. Auf mich wirkt es einfach etwas beliebig, was da gemalt wurde, ob es nun der Sturm im Moor oder das Mädchen am Schafsgatter oder die alte Bäuerin am Spinnrad ist. Ich kann nicht nachvollziehen, was die Künstler antreibt. Das ist grundsätzlich bei Malerei so, nicht nur bei den Worpsweder Leuten. Bilder bleiben ohne nachhaltigen Eindruck auf mich. Bin ich ein Banause?

  • Auch du, mein Sohn?!

    Mich beschäftigt schon seit längerem die Frage, warum Ober beim Weineinschenken die linke Hand immer hinterm Rücken verstecken. Neulich fand ich nun irgendwo eine Erklärung dafür. Im römischen Reich wollten die Consuln so sicherstellen, dass ihnen nicht aus einem Ring noch schnell etwas Gift mit in den Wein gemischt würde, denn das ließe sich nur mit zwei Händen bewerkstelligen. So richtig schlüssig finde ich diese Erklärung zwar nicht – als gäbe es nicht mindestens 100 andere Tricks, das Gift in den Wein zu bekommen. Und wenn man ganz auf Gift verzichten wollte, dann könnte man hinterm Rücken prima eine Waffe verstecken und den ahnungslosen Consul attackieren, wenn er den ersten Schluck von seinem giftfreien Wein nimmt. Also, es bleibt eine ganze Reihe Fragen offen, aber immerhin eignet sich die Erklärung hervorragend als Aufhänger für gepflegten Smalltalk.

  • Querdenker raus!

    Mir sind selbsternannte Querdenker sehr suspekt. Sich selbst so zu nennen ist eitel und erstmal nichts als eine Behauptung. Häufig steckt auch die als Stärke getarnte Unfähigkeit geradeaus denken zu können dahinter und dann dient der Begriff »Querdenker« nur als Euphemismus für »Idiot«. Als besonders unangenehmes Beispiel stößt mir immer wieder der ewig neunmalkluge Brand-eins-Leitartikler Wolf Lotter auf. Das ist wirklich ein ganz großer Minuspunkt, denn Brand eins ist sonst ein durchaus anregendes, interessantes Magazin.

    Mir ist dessen Querdenkerei zum ersten Mal allerdings nicht in Brand eins, sondern in einem Interview im Kulturmanagement.net-Letter aufgestoßen, wo er vermeintlich subversive Gedanken zur Finanzierung des Kulturwesens äußerte. Toll quergedacht, aber leider entlarvt er sich selber, indem er Begriffe falsch benutzt oder verwechselt (z.B. »Subvention« statt »Finanzierung«) und Sachverhalte unrichtig und verzerrt darstellt, damit sie in seine Linie passen. Z.B. spricht er vom »Beamtenkünstler«, den es praktisch nicht gibt, der nach Lotter aber zum Wohle der Kunst dringend abgeschafft werden müsste! Und am Schluss läuft es (wie auch in den meisten seiner Brand eins-Artikel) doch nur auf das Bullshit-Fazit »Mehr Eigenverantwortung« hinaus und ist damit an Zeitgeist-Konformität und Floskeligkeit kaum zu toppen.

  • Verhext

    Es ist wie verhext. Irgendwann schrieb ich ja mal, dass ich nicht soooo viel von guten Vorsätzen halte. Seit ein paar Jahren verfolge ich allerdings den guten Vorsatz, mich weiterzubilden und dadurch die Rentabilität meines Humankapitals zu optimieren. Und hier liegt es gar nicht an mir, zumindest nicht direkt, dass er nicht Wirklichkeit wird. Indirekt schon, denn ich melde mich immer für Kurse an, die sonst keinen interessieren und die deswegen abgeblasen werden. Was ist los? Können die anderen schon alles? Den Rhetorikkurs, den ich neulich mal gemacht habe, hätte ich fast verpasst, weil er tatsächlich stattgefunden hat.

  • Die Friedrich-Naumann-Stiftung, die sich jetzt in etwas missglücktem Deutsch »Friedrich Naumann – Stiftung für die Freiheit« nennt, hat eine Studie bezahlt, die »die Forderung nach einem differenzierten Studienentgeltsystem« unterstützt. Die Begründung für Studiengebühren ist, dass Akademiker »trotz ihres guten Verdienstes über Steuern weniger ans Hochschulsystem zurück[zahlen], als sie an Ausbildungsleistungen erhalten haben.«

    Ich bin neulich in einer Diskussion schon einmal auf diese These gestoßen worden und habe daraufhin mal für mich überschlagen, dass ich bei einigermaßen zurückhaltenden Verdienstaussichten mein Studium nach ca. 15 Jahren komplett zurückbezahlt haben werde. Dabei habe ich noch nicht einmal zugrunde gelegt, dass ich an einer der finanziell am schlechtesten ausgestatteten Unis in Deutschland studiert habe. Folglich werde ich mich dann also die verbleibenden 25 Jahre meines Berufslebens an der Finanzierung von Schulen, Polizei, Bürokratie, Straßen und Theatern beteiligen.

    In der Diskussion um Studiengebühren wird in meinen Augen vor allem bei zwei Punkten zu kurz gedacht:

    • Bildung wird allein als Investition in einzelne Personen gesehen. Das ist sie sicher auch, aber sie ist genauso Investition in eine Gesellschaft. Der globale Wettbewerb findet auf volkswirtschaftlicher Ebene statt und nicht zwischen Kim Lee und Stefan Schulz persönlich.
    • Das heißt in meinen Augen, dass die Sicherung eines hohen Bildungsniveaus eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Es besteht ja politisch Konsens darüber, dass Bildung die wichtigste Ressource westlicher Länder ist oder zumindest wird. Ich verstehe daher nicht, warum der Zugang zu Bildung durch Studiengebühren erschwert wird. Das ist dämlich.

    Wie viel von der wissenschaftlichen Unabhängigkeit der Studie zu halten ist, lässt sich schon aus dem Titel ablesen: »Grundlagen eines differenzierten Studienentgeltsystems«. Durchgeführt wurde sie vom »Liberalen Institut«. Sagen die FDP-Politiker in Wahlkampfreden nicht immer, es sollte ohne »ideologische Scheuklappen« diskutiert werden?

    P.S.: Ab dem nächsten Eintrag gibt’s dann auch wieder richtige Überschriften. 😉

  • Berühmte Waldorfschüler

    Bin heute auf eine Liste mit berühmten Waldorfschülern gestoßen. Sind ja doch mehr, als ich gedacht hätte. Z.B. Heiner Lauterbach – tsss. Ich dachte dagegen immer, dass Annie Lennox Waldorfschülerin gewesen sei und deswegen ihr Duo mit Dave Stewart »Eurythmics« genannt hat – eben auch in der typischen Schreibweise. Im Wikipedia-Eintrag über Lennox ist nur zu lesen, dass sie als Kind mit Eurythmie in Berührung gekommen ist.

    Insgesamt viele Schauspieler, ein paar Politiker und immerhin ein Profi-Fußballer!