Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Kategorie: Kulturarbeit

  • Viel oder gut – Was kann Social Media?

    Bei allen Chancen von sozialen Medien (Social Media), die sich durch Offenheit und gleiche Augenhöhe von Sender und Rezipient ergeben, ist die Kommunikation, die sie hervorbringen, oftmals unverbindlich, unkonzentriert, lakonisch, redundant und mitunter leichtfertig. Das Prinzip des Einfach-mal-Machens, das viele der Social Media-Dienste überhaupt erst hervorgebracht hat, obwohl es kein tragfähiges Geschäftsmodell gibt, schlägt auch inhaltlich durch und bestimmt die Kommunikation mittels dieser Dienste. Auch hier gilt der von mir gern zitierte Satz, dass das Medium an den Gedanken mitschreibt. Es wundert daher nicht, dass man in sozialen Medien vor allem pragmatisch ausgerichtete How-to-Anleitungen findet (die durchaus sehr gut sein können!), Tipps, Linksammlungen, Clips oder mal mehr mal weniger unterhaltsame Folienpräsentationen, die ebenfalls zum «einfach mal machen» animieren wollen. Das ist eine spezielle Qualität mit viel Potenzial, keine Frage. Aber lassen sich Social Media-Dienste auch dort, wo man thematisch und inhaltlich tiefer schürfen möchte, sinnvoll einsetzen? Diese Frage ist speziell hinsichtlich der Nutzung von Social Media durch Kultur- und Bildungseinrichtungen spannend, wie mir in einem kürzlichen Beitrag im Kulturmanagement-Blog deutlich wurde. Soziale Medien sind Popularisierungswerkzeuge, die Quantität und Effizienz erzeugen können. Aber eignen sie sich auch für qualitativ hochwertige, effektive Auseinandersetzung mit Kunst, Wissenschaft, Kultur? Wird Wikipedia irgendwann z.B. zitierfähig oder das dacapo-Blog eingefleischte Fans der Duisburger Philharmoniker hervorbringen? Und: soll es das überhaupt?

  • 365/365

    Das Jahr 2008 ist vorbei, Zeit, ein erstes knappes Fazit zu ziehen, was sich in Sachen «Kultur und Web 2.0» oder zumindest «Kultur und Internet» getan hat. Um es vorweg zu nehmen: So einiges.

    Zunächst gibt es eine ganze Reihe neuer Kulturblogs, deren neueste Christian Henner-Fehr aktuell bespricht. Aber beispielsweise auch das Kulturmarketingblog und dieses Blog in seiner jetzigen Form sind Jahrgang 2008.

    Die spannendsten Web/Kulturprojekte des vergangenen Jahres sind in meinen Augen allerdings das dacapo-Blog der Duisburger Philharmoniker und die digitale Konzerthalle der Berliner Philharmoniker. Da capo hat beispielhaft gezeigt wie klassische Kulturinstitutionen Blogs für erfolgreiche Kommunikation nutzen können und welche Wirkung sich mit vergleichsweise geringem finanziellen Aufwand erzeugen lässt. Die Digitale Konzerthalle wiederum, die ich kürzlich kommentiert habe, hat zwar nichts mit Web 2.0 zu tun, ist aber beispielhaft für ein professionell gemachtes, innovatives Webprojekt einer Kultureinrichtung.

    Sicher kann noch keine Rede davon sein, dass sich Kultur und Web 2.0 nun endgültig gefunden haben. Aber es gibt guten Grund guter Dinge zu sein, dass 2009 ein Jahr wird, in dem weitere spannende Ereignisse und Entwicklungen auf diesem Gebiet stattfinden werden. Gerade aus Duisburg dürfen wir wohl noch einiges erwarten…

  • Drohkulisse demografischer Wandel

    Im Rahmen der allgemeinen Reformitis, die ja mittlerweile auch den Kulturbereich zu infizieren droht, darf auch der demografische Wandel als Drohkulisse nicht fehlen. Viele Einrichtungen treibt die Angst um, dass ihnen in den nächsten 20 Jahren das Publikum wegsterben werde. Deswegen schießen aller Orten so genannte Education-Programme aus dem Boden, die die Kartenverkäufe von morgen sicher stellen sollen. Abgesehen davon, dass es natürlich überhaupt nicht schadet, gute Kulturangebote für Kinder und Jugendliche zu entwickeln und das Interesse, das in diesem Alter geweckt wird, sicher am nachhaltigsten ist, frage ich mich aber, auf welcher empirischen Grundlage man hier agiert. Gibt es hierzu wirklich fundierte Zahlen, an denen nichts zu deuteln ist? Würde mich sehr interessieren.

    Grundsätzlich ist es ja durchaus plausibel, dass vor allem ältere Menschen Kultureinrichtungen besuchen. Junge Menschen wissen mit einer speziellen Szene- oder Subkultur in aller Regel mehr anzufangen, als mit traditioneller Kultur. Die Schlussfolgerung, die traditionellen Kultureinrichtungen müssten dann eben hier andocken, halte ich für ebenso falsch, wie die des Musiklehrers, mit der 9. Klasse mal einen Bushido-Song zu analysieren. Da macht man sich nur lächerlich. Berufseinsteiger, die sich im Job beweisen müssen, sind auch keine ideale Zielgruppe für zusätzliche emotionale und intellektuelle Herausforderungen am Feierabend. Junge Eltern haben dann weder den Nerv, noch die Zeit, noch das Geld regelmäßig das Theater oder die Oper zu besuchen. Bleiben die älteren Menschen über 45 übrig, die mittlerweile lokal verankert sind, entsprechend verdienen, sich weder beruflich noch privat die Hörner abstoßen müssen und daher einem anspruchsvollen Freizeitvergnügen gegenüber aufgeschlossen sind.

    Auch das ist freilich nur eine Hypothese, aber vielleicht plausibel genug, um nicht in Panik auszubrechen, weil man im Konzert- oder Theatersaal vor allem die sogenannten Best oder Silver Agers zu Gesicht bekommt. Jenseits von Vermutungen kann man sich eigentlich nur bewegen, wenn deutschlandweit über Jahrzehnte hinweg eine einheitliche Studie durchgeführt würde, die über die demografischen Entwicklungen unter den Besuchern Aufschluss gäbe. Untersuchungen, mit je unterschiedlichem Forschungsdesign, die je spezielle kulturelle Milieus oder Traditionen betrachten, sollten zumindest mit größter Vorsicht genossen werden.

    Also bemüht man sich als öffentlich finanzierte Kultureinrichtung weiterhin (wie man es unabhängig von vermeintlich alarmierenden Studien sowieso tun sollte), ein umfassendes Kulturangebot zu machen, bei dem Kinder und Jugendliche die Faszination der jeweiligen Kunstgattung erfahren können und junge und mittelalte Erwachsene ebenso auf ihre Kosten kommen wie die langjährigen treuen Abonnenten jenseits der 60.

  • Deutsches Kulturmodell rabiat verteidigen (Best practice III)

    Ich hatte es schon im Beitrag zur NPO-Blogparade gesagt, dass das deutsche Kulturmodell durchaus Grund gibt, stolz darauf zu sein. Die Intendantin der Berliner Philharmoniker, Pamela Rosenberg, sieht das offenbar ähnlich. Sie wird im Zusammenhang mit den immensen, existenzbedrohenden Problemen amerikanischer Kultureinrichtungen in der Zeit mit folgender Aussage zitiert:

    Das deutsche Modell ist absolut das beste. Man muss es rabiat verteidigen.

    Noch scheinen deutsche Sponsorengelder sicher, Sponsoren wie Autostadt oder Deutsche Bank machen betont auf zuversichtlich. Trotzdem: diese Gelder hängen von der Willkür der Geber ab, deren Reaktion auf einen eventuellen nächsten Schock wohl keiner vorhersagen kann. Deswegen nehme ich Rosenbergs Zitat zum Anlass, das deutsche Kulturmodell als solches ebenfalls als Best practice in meiner kleinen Reihe aufzuführen.

  • Best Practice II: Bayerische Philharmonie

    Die lebhafte Diskussion zu Armin Kleins »Der exzellente Kulturbetrieb« veranlasste mich zu der Behauptung, ich würde keine Kultureinrichtungen kennen, die so schlecht arbeiten würden, wie Klein es in seinem Buch als allgemeines Niveau suggeriert. Ich muss gestehen, dass mir mittlerweile doch zwei bis drei eingefallen sind, die wirklich ziemlich unprofessionell arbeiten. Trotzdem scheinen mir diese Negativ-Beispiele lange nicht so repräsentativ, wie Klein nahelegt und wie es auch in der Diskussion über das Buch immer wieder behauptet wurde. Deswegen habe ich mir vorgenommen, ab und an über Kultureinrichtungen zu schreiben, in denen mit klarem Ziel vor Augen etwas bewegt wird, wo neue Konzepte erprobt werden, neue oder gute alte Ideen Wirklichkeit geworden sind und die die unvergleichliche Vielfalt, Leistungsfähigkeit und vor allem auch Breitenwirkung des deutschen Kulturlebens veranschaulichen.

    Ein Beispiel für solch eine ambitionierte Kultureinrichtung mit anspruchsvollem, stimmigem Konzept ist die Bayerische Philharmonie. Der Verein bietet ein umfassendes Angebot von der Vermittlung der Grundlagen des symphonischen Musizierens in der Kinderphilharmonie über Kammermusikkurse mit Solisten der drei großen Münchner Orchester und Professoren bis hin zu Orchesterakademien mit Dirigenten wie Sir Colin Davis, Zubin Mehta oder Esa-Pekka Salonen. Wer Profi-Musiker werden will, kann also seine gesamte Ausbildungszeit über in der Bayerischen Philharmoine Ensembleerfahrung sammeln: mit neun Jahren in die Kinderphilharmonie München, mit 14 ins Münchner Jugendorchester, mit 19 oder 20 in die Junge Münchner Philharmonie bis er oder sie dann mit 26 oder 27 eine Stelle in einem Profi-Orchester antritt, Lehrer wird oder was auch immer.

    Aufgebaut hat das der Dirigent Mark Mast, der 1994 die Leitung des Münchner Jugendorchesters übernahm, damit aber nicht ganz ausgelastet war und das Programm in der oben beschriebenen Weise erweiterte, nebenbei aber auch noch Intendant des Schwarzwald Musikfestivals und der Sergiu Celibidache-Stiftung ist. Ein Kulturunternehmer also, wie ihn Armin Klein sich nicht besser hätte ausdenken können. 😉

  • Reihe Best Practice I: Kleinstkindertheater

    Ausgehend von meinen Anmerkungen zu Armin Kleins Buch »Der exzellente Kulturbetrieb«, hat sich im Kulturmanagment-Blog eine kontroverse Diskussion entwickelt, ob Klein mit seiner Einschätzung denn nun richtig liegt oder eher nicht. Dabei ist vielleicht noch einmal wichtig, klar zu stellen, dass ich nicht alles falsch finde, was Klein schreibt. Zu vieles finde ich aber entweder einseitig oder zu oberflächlich, zum Beispiel wenn Klein einfordert, dass Kulturbetriebe nach ihrer eigenen, nicht nach behördlicher, Logik arbeiten sollen, sie aber seinerseits nicht anhand ihrer eigenen betrieblichen Logik berät, sondern die (nicht nur für den Kulturbetrieb) fragwürdige der allgemeinen BWL anlegt.

    Da ich mit meiner Meinung doch relativ allein dastehe und Kleins pessimistische Einschätzung tendenziell eher geteilt wird, habe ich mir gedacht, eine kleine Reihe über innovative Konzepte in deutschen Kultureinrichtungen (es werden wohl in erster Linie Theater und Orchester werden) zu machen. Sachdienliche Hinweise sind natürlich herzlich willkommen.

    In einem Kommentar fragt Christian Henner-Fehr, wer denn in Deutschland etwas zum Thema Audience Development mache. Wie der Zufall es wollte, bin ich heute über ein passendes Beispiel aus Dresden gestolpert: ein Kleinstkindertheaterfestival für Unter-Drei-Jährige. Das ist strategisch natürlich äußerst gewieft, weil man die Kinder so mit Theater anfixen möchte, noch bevor sie in die Fänge von Handys, Computern oder Fernsehern geraten. Aber mal ehrlich: Ist das jetzt exzellent oder einfach gaga? Ist das innovativ gedacht oder die Bankrotterklärung des Theaters? Mir scheint die Grenze nicht ganz scharf gezogen zu sein. Trotzdem sei dieses Beispiel mit durchaus ernstem Hintergrund zur Diskussion gestellt, denn Klein fordert vom exzellenten Kulturbetrieb:

    Die Aufmerksamkeit sollte in Zukunft also sehr viel verstärkter dem Publikum von morgen und seiner zielgerichteten Entwicklung (»Audience Development«, wie es im Amerikanischen heißt) gelten.

  • NPO-Blogparade: Selbstbestätigung durch Finanzkrise

    »Keine Panik. Das ist schon wieder nicht das Ende« titelt die aktuelle Brandeins zur Finanzkrise und bietet damit eine treffende Einschätzung und sinnvolle Handlungsempfehlung. Denn die Panik ist ja nicht nur Folge der Krise, sondern – zumindest zum Teil – auch deren Ursache. Gerade dadurch ist die Krise nicht auf den Finanzsektor beschränkt geblieben, sondern hat gesamtwirtschaftliche Auswirkungen, deren Ausmaß für mich als Laien nicht abzusehen ist, die früher oder später aber natürlich auch die NPOs und Kultureinrichtungen treffen können. Insbesondere solche, die verstärkt auf die viel gepriesenen kurzfristigen, projektorientierten Finanzierungsformen wie Sponsoring, Fundraising und Fördergelder gesetzt haben. Was das im Einzelnen bedeuten könnte könnte, haben Karin Janner und Brigitte Reiser bereits im Rahmen der NPO-Blogparade dargestellt.

    Wie Kulturstaatsminister Bernd Neumann kürzlich bemerkte, ist die Lage für öffentlich finanzierte Kultureinrichtungen grundsätzlich weniger dramatisch, da ihre Finanzierung mit öffentlichen Mitteln stabiler, langfristiger und nachhaltiger ist. Eine Chance, die ich daher in der Finanzkrise sehe, besteht in einem klaren, selbstbewussten Bekenntnis zu dem deutschen Kulturmodell mit breiter öffentlicher und damit relativ krisensicherer Finanzierung. Anstatt wie Armin Klein radikales Umdenken einzufordern und das angeblich so viel besucherorientiertere, unbürokratischere, visionsgeleitete amerikanische Kultursystem als Modell der Zukunft zu verklären, können wir uns ruhig mal darüber freuen, doch erstaunlich viele und grundlegende Dinge richtig gemacht zu haben und den scheinbar typisch deutschen Selbstzweifel und -hass durch die scheinbar typisch amerikanische Selbstgewissheit ersetzen. Besser werden zu wollen, ist natürlich nach wie vor erlaubt.

  • Wir sind besser als Armin Klein glaubt

    Bücher, die in dramatischer Weise gesellschaftliche Missstände aufzeigen und schonungslos Reformen fordern haben seit einiger Zeit Konjunktur: Gabor Steingart, Hans Werner Sinn, Meinhard Miegel, Paul Kirchhoff usw. Da konnte es nicht ausbleiben, dass sich früher oder später eine Kassandra zu Wort melden würde, um auch dem deutschen Kulturbetrieb als solchem gehörig die Leviten zu lesen und ein tiefgreifendes Umdenken zu fordern. Die Rede ist von Armin Kleins Buch Der exzellente Kulturbetrieb.

    Diesen Büchern ist gemein, dass sie allesamt auf wenigen, immergleichen Mantren beruhen, die in jeweils verschiedenen Abwandlungen lauten: zuviel Staat, zuviel Regulierung und Bürokratie, zu wenig Eigenverantwortung und Eigeninitiative, verbitterte Besitzstandswahrung aller Orten, weiterwurschteln ohne Ziel und Vision. Um es vorweg zu nehmen, es ist die größte Schwäche von Kleins Buch, sich unreflektiert dieser Reformrhetorik zu bedienen.

    Schenkt man Klein Glauben, ist die deutsche Kulturlandschaft mittlerweile so verkorkst, dass nur noch ein harter, sauberer Schnitt und ein Neustart bei Null hilft. So besteht das erste Kapitel mit dem Titel »Zeit, dass sich etwas bewegt« in einer Auflistung all der Probleme, mit denen Kultureinrichtungen angeblich und tatsächlich zu kämpfen haben. Diese Bestandsaufnahme ist bereits höchst fragwürdig, weil Klein sich fast ausschließlich auf Zeitungsartikel (immerhin niveauvoller Zeitungen wie der FAZ und der Zeit) beruft (S. 16ff.), wissenschaftliche Studien aus zweiter Hand zitiert (z.B. S.21) und andere Wissenschaftler streckenweise aus der Sekundärliteratur zitiert werden (z.B. Luhmann, S. 47). Weiter geht es mit begrifflichen Unklarheiten. Klein spricht zum Beispiel von Subventionen für öffentliche Kulturbetriebe, später von Kultur als meritorischem Gut, d.h. als Leistungen, die auf Basis eines gesellschaftlichen Konsenses öffentlich finanziert werden. Dass öffentliche Finanzierung und Subvention jedoch zwei grundsätzlich verschiedene Dinge sind, wird deutlich, wenn man von staatlichen Subventionen für das Schulwesen oder die Polizei spricht. Klingt unsinnig, eben weil es keine Subventionen sind. Rein aus solchen formalen Gründen sind schon mal schwere Bedenken bei der Seriosität der Analyse anzumelden.

    Für den in Kleins Augen unumgänglichen Neustart empfiehlt er Kulturbetrieben zunächst einmal, Vision und Mission zu formulieren. Das heißt für ihn zum einen zu klären, wohin wollen wir uns entwickeln? (Vision) und zum anderen klar zu kriegen, warum gibt es uns heute? (Mission) Die Einschätzung, dass es ein gravierendes Problem im Kulturbereich gibt, weil diese Fragen oftmals nicht ausreichend beantwortet sind, kann ich nicht teilen. Die Aufgabe eines Stadttheaters (anhand dessen Beispiel Klein das Vorgehen deutlich macht) oder Landesmuseums ist in aller Regel klar umrissen und langfristig definiert. Da sich solche Einrichtungen nicht in einer hochdynamischen Konkurrenzsituation mit anderen Wettbewerbern befinden, lässt sich zudem die für private Unternehmen geltende Logik nicht ohne Weiteres auf öffentliche Kulturbetriebe übertragen.

    Überhaupt wird allzu oft die Marktlogik umstandslos auf den Kulturbereich angewandt und Methoden und Instrumente aus der BWL propagiert, die dort auch nicht mehr der letzte Stand der Forschung sind oder für Kulturbetriebe gar nicht sinnvoll greifen. Während Klein z.B. im Rahmen der strategischen Neuausrichtung die gute alte Situations- und SWOT-Analyse empfiehlt, wären gerade für gesellschaftlich stark verpflichtete und vernetzte Einrichtungen, wie Kulturbetriebe es sind, neuere, systemische Methoden und ganzheitliches Management mit Auswertung über Balanced Scorecards wesentlich sinnvoller.

    Das gleiche Problem im Kapitel »Konsequente Besucherorientierung«, wo das klassische Marketingmodell der BWL ohne weiteres auf den Kulturbereich übertragen wird, ungeachtet der Tatsache, dass zum Beispiel für die Preispolitik oftmals gänzlich andere Regeln gelten und ungeachtet der Tatsache, dass dieses Modell auch längst nicht mehr unumstritten ist. Überhaupt könnte man sich wünschen, dass ein kulturell beleckter Autor zunächst einmal den Begriff des Marketings für den Kulturbereich ganz grundsätzlich kritisch reflektiert. In dieser Hinsicht sehr empfehlenswert sind die Bücher von Peter Bendixen.

    Im Kapitel »Die lernende Kulturorganisation« beklagt Klein die überbordende Bürokratie in Kultureinrichtungen und kritisiert, dass Theater und Museen, die ja oftmals als nachgeordnete Behörden oder Regiebetriebe organisiert sind, nach Behördenlogik arbeiten und nicht der Logik ihrer speziellen Aufgabe folgen würden. Eine erstaunliche Feststellung für jemanden, der selbst am Theater gearbeitet hat. Gerade hier ordnen sämtliche Abteilungen (abgesehen vielleicht von der Lohnbuchhaltung) ihre Arbeitsweise der Logik des Betriebs unter: »Dienst nach Bedarf« ist das Motto für fast alle Mitarbeitergruppen, nicht »Dienst nach Vorschrift«. Sonst wären Nacht- und Wochenendarbeit für Künstler, Leitungsteam, Technik und Werkstätten eben so wenig eine Selbstverständlichkeit wie Überstunden für termingerechte Fertigstellung von jeweils individuell gefertigten Bühnenbildern und Kostümen.

    Die Liste ließe sich ohne Weiteres fortsetzen. Kulturmanagement sollte sich in meinen Augen jedoch davor hüten, einfach eine BWL für Kulturbetriebe zu sein, vielmehr eine um eine kulturelle Dimension erweiterte BWL, die nicht nur für Kultureinrichtungen stimmt, sondern alle Bereiche des Wirtschaftslebens bereichern kann. Wer regelmäßig Brand eins liest (aktuell mit einem wirklich witzigen Titel!), sollte wissen, was ich meine. Erfolgreiches, nachhaltiges, modernes Management braucht immer eine kulturelle Dimension. Das sollte das Kulturmanagement zu allererst begreifen. Das diesbezügliche Reflexionsniveau in Kleins Buch ist dürftig, die erwähnten Bücher von Bendixen zeigen, dass und wie es anders geht.

    Darüber hinaus ärgert mich, dass Klein mit zeitgeistiger Reformrhetorik die deutsche Kulturlandschaft schlechter macht, als sie ist. Sie ist einzigartig in ihrer Vielfalt und ihrer Leistungsfähigkeit, bei allen unbestreitbaren Herausforderungen und Problemen. Eine Antwort auf die oben erwähnten Bücher von Kirchhoff, Sinn und Co. ist Peter Bofingers Wir sind besser als wir glauben. Das sollte auch die Antwort der Kulturmanager auf Kleins Buch sein!

  • Weniger Geld heißt weniger Kunst

    Da das Chemnitzer Theater seit diesem Sommer wieder tarifliche Löhne zahlt, muss es 30 Mitarbeiter entlassen. Dass der Intendant verspricht, dass dies ohne künstlerische Konsequenzen möglich sein wird, verstehe ich als implizites Eingeständnis, in den vergangenen Jahren ineffizient gearbeitet und 30 Leute durchgeschleppt zu haben bzw. unter den künstlerischen Möglichkeiten geblieben zu sein. Das Versprechen ist deswegen heikel und betreibt eine Entwicklung, die der Kulturbetrieb nicht endlos mitmachen kann. Gleiche Kunst mit immer weniger Geld ist eine Rechnung, die auf Dauer nicht funktionieren kann, zumal in öffentlichen Kulturbetrieben praktisch kein Produktivitätsfortschritt erzielt werden kann. Weniger Geld muss also auch heißen weniger Kunst. Das zu vertreten traut sich natürlich kein Intendant, der karrieremäßig noch etwas vorhat.

  • Bremer Theater gewinnt Marketing-Preis

    Das Bremer Theater hat den Marketing-Preis Highlight 08 des Landes Bremen für innovatives Marketing gewonnen. Interessant wäre zu erfahren, was konkret denn so innovativ ist, denn die in der Nachricht genannten Markenwerte bleiben ohne konkrete Belege bloß leere Worte: kreativ, innovativ, emotional und international, Qualität, Vertrauenswürdigkeit, Tradition und Wertorientierung. Die Bremer Stadtmusikanten ins Logo eingebaut zu haben? Wirklich nicht sehr originell. Schon gar nicht, da der Hahn auch schon beim vorherigen Intendanten im Dienst war. In Sachen Web 2.0 ist auch nichts los. Mein Eindruck: das Bremer Theater ist marketingmäßig äußerst solide und professionell unterwegs, nicht mehr und nicht weniger. Ein echter Marketing-Clou war bislang nur die Verpflichtung von Katharina Wagner als Regisseurin für den Rienzi. Und vielleicht diesen Preis gewonnen zu haben?! Aber was soll’s? Herzlichen Glückwunsch!