Gestern schrieb Christian Henner-Fehr darüber, was Marketingleute von Künstlern lernen können. Etwas verkürzt gesagt: Passion und Begeisterung. Dass das leider nicht immer stimmt, konnte ich gestern in der ermüdenden Rienzi-Inszenierung von Katharina Wagner erleben, die ich als weiteren griffigen Beleg für die Verankerung des Theaters in vordemokratischen Strukturen abgebucht habe. Denn dass man Wagner hier ans Regiepult gelassen hat, hat rein gar nichts mit Eignung zu tun, sondern leitet sich scheinbar allein aus einem ungeschriebenen Stammesrecht ab.
Dass mir die Inszenierung gefallen könnte, schien mir von vornherein eher unwahrscheinlich. Da ich Katharina Wagners Wirken bislang allerdings nur im Feuilleton verfolgt hatte, wollte ich mir jedoch einen Eindruck verschaffen, obwohl in Kritiken zum Beispiel zu lesen war: »Grell, laut, plakativ, mit visuellen Faustschlägen.« Ich finde diese Beschreibung etwas irreführend, denn sie suggeriert, dass es überhaupt Regie-Ideen gegeben hat. Es gab aber praktisch keine. Gerade mal zehn Minuten von 3 Stunden Oper mit dauerpräsentem Chor wusste Wagner tatsächlich etwas mit diesem anzufangen (im 3. Aufzug, als die Römer ihre Gefallenen beklagen). Ansonsten stand er einfach auf der Bühne herum und sang. Oder: Rienzi trifft sich mit seinen Verbündeten im Frisörsalon – sowas gab es schon einmal zu oft, als dass man es noch als grell, laut oder plakativ bezeichnen könnte. Zumal Katharina Wagner aus diesem Setting überhaupt nichts macht. Auch hier sitzen die Protagonisten einfach herum, bekommen eine neue Perücke aufgesetzt und fertig. Auch der unvermeidliche Bezug zu Hitler ist kein Schocker (obwohl die Oper in dieser Hinsicht wirklich ergiebig wäre!): Rienzi führt einen speziellen Gruß ein, indem er bei ausgestrecktem Arm mit dem Zeigefinger in die Luft zeigt. Aber selbst solch eine fantasielose Idee ist dann einfach schlecht ausgeführt, denn Rienzi sieht dabei (auch dank Glitzerhemd) eher wie ein John Travolta in Saturday Night Fever aus denn wie ein gefährlicher Demagoge. Statt Passion und Begeisterung also Langeweile und Ideenlosigkeit. Dass das Leitungsteam von der Oper – die ganz offenkundig nicht zu Wagners besten gehört, auch das ist aber keine neue Erkenntnis! – nicht viel hält, war übrigens auch dem sehr dürftigen Programmheft zu entnehmen. Das obligatorische Adorno-Zitat, das in keinem Opernprogrammheft fehlen darf und die nichtbegründete, flaue Behauptung, dass dem Rienzi-Stoff nur mit Dekonstruktion und Ironie beizukommen sei (Deswegen nutzt Rienzi als Waffe einen Laubpuster!). Auch hier kaum mehr. Insgesamt schien also die gesamte Arbeit an der Oper extrem uninspiriert gewesen zu sein. Das hat man am Theater nicht immer im Griff, aber es ist bitter, wenn dann noch nicht einmal handwerkliche Mindeststandards erfüllt werden.
Auch musikalisch war die Aufführung übrigens ein ziemlicher Flop, das Orchester klang dünn und pappig, besonders die Blechbläser machten den gesamten Abend über einen uneingespielten Eindruck und intonierten erschreckend unsauber. Mark Duffin meisterte die mörderische Titelpartie ganz beachtlich, außerdem ragte Tamara Klivadenko als Adriano aus dem ansonsten mittelmäßigen Ensemble positiv hervor. Schwer gemacht wurde es den Sängern allerdings auch durch das offene Bühnenbild; bei einer Oper mit großem Orchester eine echte Rücksichts- (oder Ahnungs)losigkeit seitens des Regieteams. Trotzdem schien mir, als habe der neue Intendant kein glückliches Händchen bei der Zusammenstellung seines neuen Ensembles bewiesen. Aber vielleicht ist es auch nur schlecht bei Stimme wegen des aktuellen Kälteeinbruchs.