Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Schlagwort: historische Instrumente

  • Bio ist besser – auch bei Musik

    »Die ganze Barockmusik ist langweilig« schreibt Herbert Rosendorfer in einer Glosse in der aktuellen Rondo (gehe zu S. 20). Als Ausnahmen lässt er nur Bach, Händel, Telemann und Vivaldi gelten. Die Werke anderer Barockkomponisten sind seiner Meinung nach zu Recht vergessen. Da ist was dran.

    Das Genörgel an historischer Aufführungspraxis dagegen zeugt von Unkenntnis und schlechtem Geschmack. Rosendorfer spricht hier von: »Bio-Musik sozusagen, naturbelassen« und entblödet sich nicht, zu behaupten, Mozart habe sich den Klang moderner Instrumente beim Komponieren gewünscht. Man muss nur mal die Don Giovanni-Einspielungen von Karajan und Jacobs im Vergleich hören, um diesen Gedanken alsbald als untauglich zu verwerfen. Hier klebrig-breiiger Schönklang, der die Möglichkeiten moderner Instrumente vollends kultiviert, dort agile, fein nuancierte Klangrede auf Basis des »dünnen« Klangs alter Instrumente. Jacobs Akademie für Alte Musik zeigt übrigens nicht nur in dieser Aufnahme, dass historische Instrumente nicht schlecht klingen müssen.

    Rosendorfer erlaubt sich hier den gleichen gedanklichen Kurzschluss wie Regisseure, die glauben, Opern des 18. Oder 19. Jahrhunderts ins Hier und Heute übersetzen zu können oder Komponist Arnecke, der heutige Themen mit Mitteln der Oper vermitteln möchte. Aber Mozarts Kompositionen sind wie die Werke jedes anderen Künstlers auch nur zu verstehen, wenn sie vor dem Hintergrund ihrer Entstehungszeit interpretiert werden. Einzelne Aspekte zu isolieren bedeutet, das Werk zu verzerren, denn auch in diesem Fall schreibt das Werkzeug bzw. das Medium (18.-Jhd.-Orchester) an den Gedanken (Musik) mit.

    Auch wenn man die Fortschritts-Logik der Bio-Metapher weiterdenkt wird’s klar: Erdbeerjoghurt mit künstlichem Aroma schmeckt vielleicht erdbeeriger als jeder Biojoghurt mit echten Früchten. Aber deswegen noch lange nicht besser.

  • Mozart mal so

    Nachdem ich neulich von René Jacobs Einspielung des Weihnachtsoratoriums geschwärmt habe, möchte ich heute über seine Don Giovanni-Aufnahme schwärmen. Sie ist ein Beweis für meine gestrige These, dass gute Musik vor allem auch eine Frage der Interpretation ist. Bei Jacobs erübrigt sich jedenfalls die Frage, ob es unbedingt noch eine weitere Aufnahme von diesem Werk geben muss, an dem sich mittlerweile ja auch schon etliche Alte Musik-Experten abgearbeitet haben. Im Unterschied zu denen kann Jacobs sich aber alles Rechthaberische verkneifen. Sein Ansatz klingt nach: »Warum nicht mal so?« Und als Zuhörer denkt man: »Ja genau, warum nicht mal so?«

    Ein Beispiel: Die berühmte Champagner-Arie dirigiert Jacobs ungewöhnlich langsam. Normalerweise wird sie zum Bravourstück für den Dirigenten, mit dem er zeigen kann, bei welch enormen Tempo er Orchester und Sänger noch zusammenhalten kann. Jacobs dagegen gibt der Arie durch das langsame Tempo eine tänzerische Leichtigkeit die zeigt, dass Don Giovanni nicht nur skrupelloser Draufgänger, sondern auch ein charmanter Verführer ist.

    Wenig rechthaberisch wirkt Jacobs Aufnahme auch aufgrund der vokalen Improvisationen und Freiheiten in der Tempogestaltung, die natürlich nicht zwingend, aber immer sehr sinnfällig sind. Im Booklet erfährt man, dass Mozart es »für phantasielos und grob gehalten« hätte, auf solche Verzierungen und Freiheiten wie heute meistens üblich zu verzichten. Zurecht muss man sagen, wenn man Jacobs Aufnahme kennt! Denn hier werden beispielsweise die Themen der Arien immer wieder in der Rezitativbegleitung aufgegriffen, wodurch sozusagen interne Links geschaffen werden. Ein anderes schönes Beispiel ist Zerlinas »Batti, batti«-Arie, in der sie ihren Verlobten zu überzeugen versucht, dass er zu unrecht eifersüchtig ist. Die mal scharfen, mal schmeichelnden Verzierungen und Vorschläge der Sängerin und ungewohnt gesetzte Akzente im Orchester machen dabei deutlich, dass Zerlina nicht bloß sanft-devotes Gesäusel von sich gibt (»Wie ein Lämmchen will ich deine Prügel erwarten«), sondern es sich dabei um berechnende Koketterie handelt. Man muss Zerlina also nicht zur Pornodarstellerin machen, um das rüber zu bringen. 😉