Christian Henner-Fehr hat kürzlich in zwei Beiträgen über die Problematik der Kulturfinanzierung geschrieben. In einem Beitrag schlug er vor, zusätzliche Einnahmen über eine Community zu generieren, die aber voraussetzt, dass man eine „magnetische Marke“ gebildet hat. Im anderen Beitrag von Christian ging es um den Freiburger Beteiligungshaushalt, der zeigte, dass Politiker offenbar dicht an Volkes Willen sind, wenn sie die Kulturetats zusammenstreichen.
Für die Einrichtungen ist das eine schlechte Nachricht. In der Gegenargumentation die positiven Effekte von Kultur hervorzuheben ist aus ihrer Sicht natürlich dringend anzuraten, neben weiteren Überlegungen wie Christian sie vorschlägt. Aus einer übergeordneten, kultur- und bildungspolitischen Sicht kann man die Problematik in meinen Augen etwas gelassener sehen. Denn Bildungspolitik ist indirekt auch Kulturpolitik, wenngleich mit weniger Klarheit über die Ergebnisse, die dabei herauskommen. Und vielleicht ist es für die Kultur gar nicht so schlecht, wenn kreative Köpfe sie mit weniger Routine, weniger Dünkelhaftigkeit und mehr echter Experimentierfreude und in offeneren Strukturen betreiben.
Die deutsche Theaterlandschaft zum Beispiel ist zwar einzigartig und es wurde deswegen schon vorgeschlagen, diese als Weltkulturerbe schützen zu lassen. Ich persönlich hätte auch nichts dagegen, aber die Frage, ob man diese Besonderheit als Gesellschaft tatsächlich auf ewig finanzieren möchte, ist nichtsdestotrotz legitim. Die meisten Nachbarländer Deutschlands verfügen nicht über ein solch engmaschiges Netz an festen Ensembles und einem entsprechend großen, vielfältigen Theaterangebot. Das hier aber deswegen Barbarei und kulturelles Banausentum regieren würde, kann man nicht behaupten. So ist es tatsächlich die Frage, wie man argumentieren soll, ob man Geld lieber in Bildung steckt (und das heißt im obigen Sinne auch indirekt in Kultur) oder in Theater, wo oftmals doch nur mit grosser Routine und eigentlich sehr geringen Mitteln künstlerischer Output von der Stange produziert wird.
Und eben: Wo Einrichtungen eingehen, könnte der Raum für die bereits bestehende vielfältige Laien- und Amateurkultur größer werden. Klar, dass Ärzteorchester einer mittelgroßen Stadt hat niemals die Klasse, wie das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Meine Erfahrung ist aber, dass das, was bei Amateurorchestern oder Schauspielgruppen an Perfektion, Technik und Könnerschaft gegenüber den großen fehlt, oftmals wett gemacht wird durch das persönliche Engagement der Akteure und das persönliche Involvement der Angehörigen, die im Zuschauerraum sitzen und fast genauso aufgeregt sind wie die Akteure auf der Bühne. Wenn das Ärzteorchester Beethoven spielt, geht es um alles. Ein Orchester wie die Wiener Philharmoniker spielt den perfektesten Beethoven ohne eine einzige Probe und weiß trotzdem, dass er genauso gut gelingen wird wie schon am Abend davor und vor einem Monat und vor einem Jahr. Auch, wenn es eigentlich nichts zu meckern gibt, dann merkt man das und einem Beethoven, bei dem es nicht um alles geht, fehlt einfach auch etwas. Um solche Hochleistungskultur muss man sich m.E. ohnehin keine Sorgen machen. Mehrere Besuche beim Luzern Festival in diesem Sommer haben mich davon überzeugt, dass das Publikum zwar überaltert ist, aber für große Namen immer auch bereit ist, weite Reisen auf sich zu nehmen.
Wie auch immer sich die Kultur aufgrund der schrumpfenden öffentlichen Finanzierung entwickeln wird: sie wird lebendig bleiben, sich wandeln, aber immer ihre Bedeutung im Leben der Menschen haben. Dennoch meine ich, dass die Kulturfinanzierung nicht durch angebliche und tatsächliche Sachzwänge sich ergeben sollte, sondern durch klare Vorstellungen, was man möchte. Vielleicht liegt da das Problem, dass diese Diskussion von zuviel Besitzstandswahrung und Teilinteressen dominiert wird?