Neulich schrieb ich darüber, dass dieser Tage gern ein Zusammenhang zwischen Fußball und Ästhetik konstruiert wird und kam zu dem Schluss, dass dieser aber letztlich nicht «verhebt», wie man in der Schweiz sagt. Den Titelgewinn der spanischen Mannschaft sehe ich als weiteren Beleg für diese These.
Zugegeben: keiner spielt «schöneren» Fußball und keine Mannschaft hat den Sieg im Sinne der reinen Fußballlehre mehr verdient als Spanien. Aber der Marsch der Spanier zum Titel folgte einer lauen Dramaturgie: Spanien war haushoher Favorit und zeigte während des gesamten Spiels kaum je eine Blöße oder Nerven. Aber wer will schon einen Helden sehen, der seine Mission ohne Schramme besteht? Selbst die großen, scheinbar unbezwingbaren Helden der Literaturgeschichte waren zu schlagen, sei es wegen ihrer Achilles-Ferse oder einer verwundbaren Stelle zwischen den Schulterblättern. Ob Achilles, Siegfried oder sonstwer: bei der Verwundbarkeit fängt ihre Geschichte an interessant zu werden und auf ihr basiert ihre literarische Unsterblichkeit. Gut, das Spiel gegen die Schweiz hat gezeigt, dass die Spanier auch nicht unbesiegbar sind. Aber auch wenn die Schweizer das nicht gerne hören, war das nur ein kleiner Schönheitsfehler und keine echte Bedrohung für den Favoriten. Alles weitere effizient, unspektakulär, mühelos und irgendwie vorhersehbar und trotzdem kein einziges Spiel der K.O.-Runde mit einem deutlicheren Ergebnis als 1:0 gewonnen, keine Situation wo ein Spiel umgedreht werden musste, keine spektakulären Schiedsrichterfehlentscheide, die den Helden ins Wanken gebracht hätten oder ähnliches. Wenn das guter Fußball sein soll, dann ist der offenbar sehr langweilig. Aber was soll an langweiligem Fußball gut sein?
Und um wie viel heroischer und dramaturgisch ergiebiger ist der Sieg, der nicht erwartet sondern hart erarbeitet wird? Die Schweizer feierten den Sieg über Spanien fast so wie die den WM-Titel, als Griechenland 2004 Europameister wurde mäkelten auch nur die so genannten Experten über den «Rumpelfußball» mit dem die Griechen mehr schlecht als recht den Titel erkämpften. Alle anderen freuten sich mit den Griechen. Aus dem Kampf, dem ungewissen Ausgang, der überraschenden Wendung, harten Rückschlägen, dem Selbstzweifel des Helden entstehen große Geschichten und große Unterhaltung. Das zeigt jedes gute Buch, jeder guter Film, jedes gute Drama.
Gut, ob man sich den guten alten Fußball zurückwünschen sollte, der mehr Kampf- als Ballsport war, möchte ich mal dahingestellt sein lassen. Aber unter dramaturgischen Gesichtspunkten ist die WM 2010 äußerst langweilig ausgegangen und der Sieg der Spanier denkbar «unverdient».
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