Online-Kurs: Managing the arts

Veröffentlicht von Christian Holst am

Meine alte Uni, die sich heute Leuphana nennt, bietet zusammen mit dem Goethe-Institut einen «Mentored open online course» (MOOC) in «Managing the arts» an. Der Kursinhalt wird auf der Website folgendermaßen skizziert:

Learn about challenges for cultural managers around the world, acquire marketing and management skills and gain direct insights into four arts organizations. Share your ideas with an international learning community and obtain a university certificate.

Einen kleinen Vorgeschmack auf das, was einen erwartet, gibt auch Kursleiter Chris Dercon (Direktor der Tate Modern) in diesem Video:

Die Teilnahme am Kurs ist kostenlos, die Einschreibung erfolgt ganz einfach via Facebook- oder LinkedIn-Connect. Am Schluss erhält man sogar 5 ECTS-Punkte und ein Zertifikat. Super Sache also und ich bin sehr gespannt, wie diese Digital School funktionieren wird.

Über eine Sache bin ich allerdings gestolpert: Den Titel der Veranstaltung – «Managing the arts». Nennt mich einen Klugscheißer, aber nachdem ich mich gerade ausführlicher mit dem Thema Kultur unternehmen beschäftigt habe, war ich doch stutzig, ob sich Kunst und Kultur wirklich «managen» lassen. Das Wort «Kulturmanagement» benutze ich ganz selbstverständlich, weil es zu einem allgemein gebräuchlichen und verständlichen Begriff für die organisatorische Arbeit rund um Kulturangebote geworden ist. Wenn jeder weiß, was gemeint ist, ist es in meinen Augen nicht so relevant, ob der Begriff in der Sache wirklich 100%ig treffend ist.  Die Formulierung, dass diese oder jene Person Kunst «managed», würde mir allerdings nicht so leicht über die Lippen gehen. Das mag zunächst etwas wortklauberisch erscheinen, aber dahinter steckt ein tiefer gehender Gedanke, den ich kurz erläutern möchte.

In der Betriebswirtschaftslehre setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass die Hauptfunktionen von Management – nämlich das Planen, Steuern und Kontrollieren – sich zwar auf industrielle Prozesse anwenden lassen, in einem dynamischen, wissensgeprägten und personalintensiven Umfeld aber zur Illusion werden. Gut ausgebildete, hochmotivierte Menschen lassen sich ebenso wenig managen wie Märkte. Dementsprechend werden die klassischen Managementinstrumente wie Zielvereinbarung, Planungssitzungen, (klassisches) Projektmanagement, Quartalsberichte etc. immer mehr in Frage gestellt, bis hin zu der Feststellung, dass Management sogar verzichtbar sei. In der Kulturmanagementlehre gelten diese klassischen Instrumente dagegen immer noch als «state of the art». Möglicherweise, weil sich das Management der großen, öffentlich getragenen Einrichtungen erst seit vergleichsweise kurzer Zeit professionalisiert hat. Zwei Beispiele aus einschlägigen Kulturmanagement-Lehrbüchern:

    • Lewinski-Reuter und Armin Klein nennen die Zielvereinbarung als Mittel der Wahl für die erfolgreiche Mitarbeiterführung. Darüber ist man in der Führungslehre für Dienstleistungs- und Industrieunternehmen längst hinweg. Nach meiner Wahrnehmung spielt es in der Praxis der Kulturbetriebe auch nur eine sehr untergeordnete Rolle, weil es ein völlig ungeeignetes Instrument ist, wenn es um Hochleistung geht.
    • Zwei einschlägige Bücher von Sven-Oliver Bemmé und Armin Klein zum Projektmanagement im Kulturbereich gehen mit keinem Wort auf die agilen Formen des Projektmanagements ein. Dabei sind diese nicht nur in der Software-Entwicklung längst gang und gäbe, sondern werden abseits vom Hochschulbetrieb auch für das Kulturmanagement diskutiert (s. z.B. hier und hier).

Die Liste ließe sich fortsetzen. Vor diesem Hintergrund lohnt in meinen Augen ein genauerer Blick, ob und wenn ja, in Bezug auf welche Aspekte Kunst und Kultur denn wirklich gemanaged werden kann. Im Kulturbereich arbeiten viele hochmotivierte, hochspezialisierte Leute, denen extrinsische Anreize in aller Regel herzlich egal sind. Der Prozess der Leistungserstellung ist mitunter extrem komplex und anspruchsvoll; jede Standardisierung (auf die Management meist hinaus will) eine Gefahr der künstlerischen Originalität und damit Qualität. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass für die meisten herausragenden Kulturinstituionen unserer Tage eher das Motto gilt «enterprising the art», auch wenn das vielleicht kein vernünftiges Englisch ist. Ich bin gespannt, inwieweit der Online-Kurs, der sich in Form und inhaltlichem Anspruch ja sehr zeitgemäß und kosmopolitisch präsentiert, diese Aspekte reflektieren wird.


5 Kommentare

Anke von Heyl · 1. Februar 2015 um 16:03

Lieber Christian,
danke dir für deinen Beitrag. Ich bin immer sehr dafür, Begriffe auch mal auf den Prüfstand zu legen. Worthülsen mag ich so gar nicht. Und oft werden Diskussionen verwässert, weil man gar nicht mehr genau weiß, worüber mal eigentlich spricht. Hauptsache das Buzzword wird oft genug erwähnt.
Was deine Skepsis angeht, gilt die den Inhalten des MOOC oder denkst du, dass sie es hätten anders nennen sollen?
Ich habe mich als Spectator angemeldet und bin schon sehr gespannt darauf, was dort passieren wird. Es hängt wahrscheinlich auch sehr viel vom Engagement der Teilnehmer ab.
Und nicht zuletzt: Deine Argumente, dass sich Kulturbetriebe mit dem Managen schwer tun oder es vielleicht gar nicht brauchen, teile ich nicht ganz. Ich gebe dir Recht, dass in der Kultur sehr spezielle Bedingungen herrschen, bei denen man oft nicht weiter kommt, wenn man das an der freien Wirtschaft misst. Aber ich finde eben auch sehr oft, dass es doch auch Sinn macht, sich mal die Perspektive eines Managers aufzusetzen, der etwas verkaufen will. Ich bin da sehr für das kreative Anpassen. Finde es zum Beispiel super, wenn man mal über den Begriff „Kunde“ nachdenkt.

Wie so oft, es ist nicht eindimensional und eine Diskussion lohnt sich allemal. Mal sehen, vielleicht kann man diese auch in diesem Goethe MOOC führen.

    Christian Holst · 1. Februar 2015 um 16:25

    Liebe Anke, danke für deinen Kommentar. Wie gesagt, ich spreche auch ganz selbstverständlich von Kulturmanagement. Außerdem praktiziere ich das, was es beschreibt, täglich. 🙂 Trotzdem würde ich eben nicht davon sprechen, dass ich Kultur «manage». Ich bin dem Kurs gegenüber gar nicht skeptisch, sondern neugierig, aber über den Titel gestolpert. Ich mache daran momentan noch überhaupt nichts Inhaltliches über den Kurs fest, man spricht eben einfach so von arts management/Kulturmanagement. Aber er war für mich der Ausgangspunkt für den Gedanken, den ich im Post formuliert hab. Ich glaube im übrigen auch, dass die Kulturszene viel mehr von der freien Wirtschaft lernen kann, als sie zunächst denkt. Dort ist man eben mit vielen Sachen schon weiter, einfach weil der Wettbewerb einen höheren Anpassungsdruck erzeugt und man kurze Reaktionszeiten hat, die eine gemütliche Planung einmal quer durch alle Hierarchiestufen und zurück nicht mehr erlaubt. Ich bin sehr dafür, dass man sich im Kulturbereich öfters mal die Brille des Unternehmers aufsetzt. Der will ja auch etwas verkaufen und hat Kunden, arbeitet typischerweise aber kreativer und unkonventioneller als der Manager, aber mit der gleichen Passion wie ein Künstler. Deswegen passt Unternehmer- und Künstlertum in meinen Augen super zusammen.

Julian Stahl · 23. März 2015 um 22:44

Lieber Christian Holst,
Ihren Grundgedanken zum Management von Kulturorganisationen und der nahezu durchweg veralteten Betrachtung in Kulturmanagement Handbüchern stimme ich sehr zu. Da gibt es meines Erachtens erheblichen Nachholbedarf und aktuelle Organisations- und Managementbetrachtungen außerhalb des Kulturorganisationskontextes sind da deutlich weiter. Neben vielen anderen Aspekte ist wahrscheinlich auch das einer der Gründe, warum einer Auseinandersetzung mit der Organisation kultureller ‚Produktion‘ weiterhin so kritisch gegenüber gestanden wird.
Deshalb begrüße ich Ihr Hinterfragen der Begrifflichkeit. Dabei scheinen Sie „Management“ in diesem Zusammenhang allerdings ebenfalls aus einer klassischen Sichtweise zu betrachten, aufgrund derer Sie kritisch an den Begriff anknüpfen. Aus diesem Grund würde ich dafür plädieren, nicht nur zu hinterfragen welche Aspekte in Kulturorganisationen überhaupt „gemanaged“ werden können, sondern auch mit welchen Begriffen von Management dabei überhaupt gearbeitet wird. Versteht man unter Management beispielweise Überlegungen dazu, unter welchen Rahmenbedingungen welche Prozesse in Kulturorganisationen die künstlerische Arbeit fördern, muss das Management vielleicht nicht gleich verschwinden.

    Christian Holst · 29. März 2015 um 10:03

    Lieber Julian Stahl, danke für den Kommentar! Richtig, die Frage ist auch, mit welchen Begrifflichkeiten von Management gearbeitet wird. Die Meinung, dass man Management ganz abschaffen sollte, habe ich zwar zitiert, würde sie mir aber nicht zu eigen machen. Mir ist immer wichtig zu sagen, dass sich künstlerische Arbeit und Management nicht voneinander trennen lassen. Man fördert mit Management nicht künstlerische Arbeit, sondern sie ist in meinen Augen Teil davon, so wie sich z.B. auch Gesangs- oder Spieltechnik nicht von der Kunst isolieren lässt. Ein Dirigent „managt“ auch das Zusammenspiel im Orchester und zwischen Solisten, Chor und Orchester während ein Geschäftsführer einer Kulturinstitution der Kunst Schaden zufügt, wenn er seine Arbeit nicht auch als künstlerische Arbeit versteht. Ich glaube, in diesem Zusammenhang ist der Begriff des Unternehmers sehr hilfreich, weil er für mein Verständnis die Begeisterung für und die Ausrichtung auf die Sache mit den administrativen Tätigkeiten (also klassisch verstandenen Managementaktivitäten) vereint. Und weil ein Unternehmer trotzdem immer auch seine Kunden im Auge haben muss, was m.E. im landläufigen Verständnis des Begriffs Kulturmanagement viel zu kurz kommt.

Julian Stahl · 30. März 2015 um 0:44

Lieber Christian Holst,
vielen Dank für die Spezifizierung. Da kann ich nur voll und ganz zustimmen!
Herzliche Grüße
Julian Stahl

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