Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Kategorie: Allgemein

  • Nebenjob Kulturpolitik

    Der Wirbel um die Verpflichtung von Chris Dercon als Nachfolger von Frank Castorf an der Volksbühne ist gerade etwas abgeebbt, da haben Michael Müller und Tim Renner schon die nächste Personaldebatte provoziert: Tanzchoreografin Sasha Waltz soll ab 2019 gemeinsam mit dem Choreografen Johannes Öhman die Leitung des Staatsballetts Berlin übernehmen. Die Compagnie wehrt sich gegen die Entscheidung und hat eine Petition «Rettet das Staatsballett» gestartet. Dort heißt es:

    Die Ernennung ist leider zu vergleichen mit der Ernennung eines Tennis-Trainers zu einem Fußball-Trainer oder eines Kunstmuseumsdirektors zu einem Chefdirigenten. Die Entscheidung von Michael Müller und Tim Renner zeigt die völlige Unkenntnis beider über die Traditionen und Entwicklungslinien von Tanz und insbesondere Ballett.

    Während ich den Wirbel um Chris Dercon nicht ganz nachvollziehen konnte, geht es mir hier anders. Dercon wird ein Manager-Intendant sein. Solange man nicht weiß, welche Künstler er verpflichtet und was er inhaltlich vorhat, ob er die Volksbühne wirklich zu einer «Eventbude» machen will, ist es in meinen Augen verfrüht, ihn abzulehnen. Waltz dagegen wird eine choreografierende Intendantin sein und ist im klassischen Ballett nicht zu Hause. Da ist klar, dass ein großer künstlerischer Richtungswechsel ansteht, mit vielen Nichtverlängerungen und ungewissem Ausgang, der die Tänzer verständlicherweise beunruhigt. Aber gut, wenn dieser Richtungswechsel wenigstens konsequent wäre… Das ist er aber nicht aufgrund der Doppelspitze von Tanzchoreografin und Ballettchef. Das sieht einfach nach einem faulen Kompromiss aus.

    Ist ja schön, wenn Müller und Renner etwas frische Luft in die Berliner Hochkultur-Betriebe bringen wollen. Kulturpolitisch wäre es allerdings effektiver, dazu erstmal präzise Vorstellungen zu entwickeln und zu kommunizieren, was man genau braucht und will und davon ausgehend Personalien zu entscheiden. Dafür reicht vermutlich die Zeit nicht, wenn man als Regierender Bürgermeister das Amt des Kultursenators noch im Nebenjob erfüllt. Also werden wohl weiterhin höchst streitbare Personalien entschieden, in der Hoffnung und dem Glauben, dass dann alles neu, innovativ und besser wird.

    Nachtrag: Im VAN-Magazin gibt es eine deutliche, aber differenzierte, unaufgeregte und sehr nachvollziehbare Kritik der Personalentscheidung von Wiebke Hüster.

  • Comeback

    Wie schnell doch so ein halbes Jahr vergeht. Ich hatte gar nicht geplant, eine Blogpause zu machen, aber der letzte Post ist vom 31. Januar, also deutlich über ein halbes Jahr alt. Schuld für diese Pause war vor allem der Umzug von der Schweiz nach Hamburg, der eine ganze Menge Energie absorbiert hat. Allein schon die Krankenversicherung zu regeln war ein nervenaufreibendes Halbjahresprojekt für sich. So etwa wie bei Asterix und Obelix auf der Suche nach Passierschein A38.

    httpv://www.youtube.com/watch?v=lIiUR2gV0xk

    Wie auch immer, diese herkuleske Aufgabe ist geschafft und ich habe mir vorgenommen wieder regelmäßig zu bloggen. Die Website habe ich auf eine neue Domain umgezogen, das Template geändert und den Host gewechselt. Ich hoffe, es funktioniert alles, wenn nicht danke ich schon mal im voraus für alle konstruktiven Hinweise.

  • Kulturmanagementlehre: Auf dem digitalen Auge blind

    Das Kulturmanagement als akademische Disziplin feiert dieses Jahr seinen 25-jährigen Geburtstag. Anlässlich dieses Jubiläums unternahm Stephan Opitz kürzlich in der Süddeutschen Zeitung unter dem Titel «Ungeklärte Kernfragen» (leider nicht online verfügbar) eine kritische Würdigung: Die Entstehung des Faches verdanke sich einerseits der Verwandlung von Kultur- und Bildungsereignissen in Events, die in den 1980er Jahren vorangeschritten sei, sowie den zunehmenden Finanzschwierigkeiten, mit denen der in den 1970er massiv ausgebaute Kultursektor seit den 1990er Jahren zu kämpfen habe.

    Dafür sollte man das betriebswirtschaftliche Einmaleins lernen, um mit Marketingmethoden, führungstechnischen und finanzwirtschaftlichen Kompetenzen andererseits der Kultur auf die Sprünge zu helfen.

    Grundlegende Aspekte seien in der Ausbildung allerdings auf der Strecke geblieben, so Opitz. Etwa die Frage «Was ist Kultur – und warum soll sie von wem für wen vermittelt werden?», also die nach der grundlegenden Funktion, Bedeutung und Rolle von Kultur in der Gesellschaft. Als jemand, der im kulturwissenschaftlichen Grundstudium dauernd auf Adorno und im Hauptstudium dauernd auf Systemtheorie gestoßen wurde, kann ich den Eindruck nicht teilen, dass diese Frage zu kurz gekommen wäre. Auch im engeren Sinne ist die Kulturvermittlung, nicht zuletzt als Antwort auf den viel beschworenen demographischen Wandel, ein zentrales Thema in der Disziplin Kulturmanagement geworden und Gegenstand jeder gefühlten zweiten Abschlussarbeit, von der ich höre.

    Dass es ungelöste Kernfragen im Kulturmanagement gibt, sehe ich dennoch genauso. In meinen Augen dreht sich eine zentrale Kernfragen darum, wie sich der öffentlich finanzierte Kultursektor den digitalen Wandel zu Nutze macht bzw. der digitale Wandel Tatsachen mit sich bringt, auf die die Kultureinrichtungen zu reagieren haben. Eine Vorstellung davon, wie dies zu einer existenziellen Kernfrage werden könnte, erhält man mit Blick auf die kommerziellen Kulturbetriebe – insbesondere Verlage und Musikbusiness – deren Geschäftsmodelle durch digitale Innovationen entweder bereits überrollt wurden oder gerade überrollt werden. Ein aktuelles Beispiel ist der Streit zwischen Amazon und Hachette bzw. namhaften Autoren aus den USA. Öffentlich finanzierte Kultureinrichtungen mögen hier dank der öffentlichen Finanzierung etwas Schonzeit haben, früher oder später wird sie das Thema auch einholen.

    Zwar ist das Thema Kultur und Digitalisierung Gegenstand der einen oder anderen Publikation, aber als Kernfrage wird es in der Kulturmanagementlehre kaum verstanden. Was sich immerhin in Theorie und Praxis durchgesetzt hat, ist die Erkenntnis, dass auch Kultureinrichtungen digitale Medien für die (externe) Kommunikation nutzen können und sollten. Dieses Subthema der Digitalisierung hat somit inzwischen auch teilweise Eingang in die Studienpläne der Kulturmanagementlehrgänge und die Ressourcenplanung der Kultureinrichtungen gefunden. Aber damit fängt es erst an: Die Digitalisierung betrifft genauso auch die interne Kommunikation, das Marketing und den Kundenservice (Stichwort Big Data und Business Intelligence), das Wissensmanagement, die Rezeptionsgewohnheiten, ästhetische Innovationen, Crowdfunding und die Veränderung des Entscheidungsverhaltens der Besucher oder Kunden (s. hierzu etwa Zero Moment of Truth). Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.

    Mein Eindruck ist, dass der blinde Fleck, den Opitz‘ Analyse diesbezüglich hat, symptomatisch für die gesamte Disziplin des Kulturmanagements ist. Wenn man aber Überlegungen über die Weiterentwicklung des Faches Kulturmanagements anstellt, ist es in meinen Augen zentral, dem Thema «digitaler Wandel» einen größeren Stellenwert einzuräumen. Mit der defensiven Strategie, das Thema so lange zu verdrängen, bis es sich selbst mit Macht aufdrängt, verpasst man die Chance, etwas draus zu machen. Das wär ebenso schade wie dumm.

  • Kulturvermittlung und Web 2.0 – Eine Liebe auf den dritten Blick?

    Bei diesem Blogpost handelt es sich um einen Debattenbeitrag, der im Juni 2012 auf kultur-vermittlung.ch erschienen ist. Da die Rubrik «Debatte» und damit auch der Artikel inzwischen nicht mehr online sind, veröffentliche ich ihn hier mit dem Einverständnis von kultur-vermittlung.ch erneut.

    Das Web 2.0 und die klassische Kultur – das ist keine Liebe auf den ersten Blick. Noch nicht einmal unbedingt auf den zweiten. Das Social Web scheint so viele Gewissheiten des klassischen Kulturbetriebs über den Haufen zu werfen: freier Download statt Recht auf geistiges Eigentum, die Intelligenz der Masse statt Genie des einzelnen Künstlers, Zerstreuung statt Muße und Konzentration, unverbindliche Häppchenkultur statt der Bereitschaft, sich auch auf Schwieriges einzulassen.

    Dieser Eindruck bestätigt sich, wenn man auf Facebook, Twitter und Co. nach Kultureinrichtungen sucht. Natürlich sind dort mittlerweile viele Kultureinrichtungen vertreten, aber allzu oft verstehen sie Social Media nur als zusätzliche, neue Kanäle, die mit den altbewährten PR- und Marketingbotschaften befüllt werden können. Für die Kulturvermittlung wird Social Web nur selten genutzt. Teilweise kursiert sogar die Sorge, das Internet könne Kulturvermittlung überflüssig machen. Die Kulturmanagement-Professorin Birgit Mandel spricht hier von «kulturellen Selbstbildungsprozessen» der sog. «digital natives». Ob einem Oper gefällt? – mal schnell bei Youtube gucken. Was war noch mal Impressionismus? Kurz bei Wikipedia nachschlagen, dann weiß man’s. Wenn man es so sieht, dann scheint das Web 2.0 mehr eine Bedrohung als eine Bereicherung zu sein. Bei einer Entwicklung, die aber nicht mehr aufzuhalten, sondern nur noch mit zu gestalten ist, zählt aber der Blick auf die Chancen.

    Gerade wer junge Menschen ansprechen möchte, kommt an Facebook und Co. nicht mehr vorbei. Laut James-Studie 2010 haben 84% aller Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren ein Profil in einem Social Network, meist bei Facebook. Wer mit jungen Menschen kommunizieren möchte und – fast noch wichtiger – lernen möchte, wie sie kommunizieren, sollte sich auf Facebook umsehen.

    Vor allem spricht aber ein inhaltlicher Grund für Kulturvermittlung im Social Web: Gute Vermittlung bedeutet, nicht nur zu belehren und zu informieren, sondern die Faszination der Kunst durch Partizipation erlebbar zu machen. Was liegt da also näher, als das «Mitmach-Web» – wie das Web 2.0 auch genannt wird – für die Kulturvermittlung zu nutzen? Es gibt erstaunlich wenige Beispiele, wo das bereits geschieht.

    Eins ist das Education-Angebot des Staatsballetts Berlin. Dies umfasst natürlich Angebote für Schüler, selbst zu tanzen. Aber nicht jeder ist zum Tänzer geboren. Eine andere Möglichkeit besteht daher darin, dass die Schüler die Compagnie mit der Kamera begleiten und Filme über deren Arbeit produzieren, die sie bei Youtube einstellen. Diese Videos taugen nicht als PR-Clip, aber die jungen Filmemacher lernen aus nächster Nähe, was es heißt, ein Ballett zu erarbeiten. Und die Filme, in die sie ihre eigene ästhetische Handschrift einbringen können, verbreiten sie in ihren Netzwerken und werden so selbst zu Kulturvermittlern.

    Das Social Web ermöglicht auf diese Weise «kulturelle Selbstbildungsprozesse» im besten Sinne, macht das Engagement der Fans sichtbar und multipliziert es. Eine Studie aus den USA zeigt, dass das nicht das Kunsterlebnis vor Ort ersetzt. Im Gegenteil – wer sich in den digitalen Medien mit Kunst und Kultur auseinandersetzt, wird angeregt, dies auch im Hier und Jetzt der Aufführung oder Ausstellung zu tun.

    Viele Kinoromanzen leben davon, dass sich die Protagonisten zuerst nicht mögen und erst nach allerlei Wirren zueinander finden. Aber das Happy End bleibt nie aus. Warum sollte es also bei der Kultur und dem Web 2.0 anders sein?

  • Mindestlohn am Theater

    In letzter Zeit wird die prekäre Lage von Künstlern immer häufiger zum Thema gemacht, habe ich das Gefühl: Im Frühjahr veröffentlichte theaterjobs.de eine Vergütungsumfrage, über die ich hier bereits kurz geschrieben habe. Die aktuelle Ausgabe der Kulturpolitischen Mitteilungen widmet sich dem Schwerpunkt «Kreatives Prekariat» mit etlichen interessanten Artikeln zum Thema. Kulturmanagement.net lässt nun eine Sonderreihe mit dem Titel «Mindestkultur» über den soeben beschlossenen Mindestlohn und dessen Auswirkungen auf den Kulturbereich folgen. Den Auftakt zu dieser Serie durfte ich mit einem kurzen Kommentar zum Mindestlohn am Theater geben.

  • Theater als das schlechte Gewissen der anderen

    Die Theater scheinen für die Kulturwelt das zu sein, was die Grünen in der Politik sind: das schlechte Gewissen der anderen. Diese Schlussfolgerung legt ein Fall nahe, der sich kürzlich am Burgtheater ereignete. Anlässlich des 125-jährigen Geburtstags wurde dort ein Kongress veranstaltet mit dem Titel «Von welchem Theater träumen wir?» Ein Billetteur, so nennt man in Österreich offenbar den Zuschauerdienst, verstand diese rhetorische Frage absichtlich miss und versuchte eine kurze Pause zu nutzen, um in einer kurzen Ansprache das Theater zu schildern, von dem er träumt: Eines, zu dem die Billetteure dazugehören und nicht in ein Sicherheitsunternehmen ausgelagert sind, das wohl nicht im Burgtheater, aber an vielen anderen Orten offenbar in massive Menschenrechtsverletzungen involviert ist. Auf youtube findet man den Versuch, die Rede zu halten, auf nachtkritik.de dann die schriftliche Version der Performance, die geplant war und die mehr als unglückliche Antwort des Burgtheaters darauf. Ausserdem eine Reihe von Kommentaren, in denen diese Antwort auseinander genommen wird und dem Billetteur zu seinem Mut gratuliert wird. Angesichts der Selbstgerechtigkeit, die einen aus der Erklärung der Theaterleitung anspringt, bleibt mir die Frage: Wie kommt es, dass Theater einerseits lautstark beanspruchen, unverzichtbare kritische Instanz der Gesellschaft zu sein, ihr den Spiegel vorzuhalten und so weiter und andererseits noch nicht einmal dann merken, wie schlecht vor der Tür des Glashauses gekehrt worden ist, in dem sie selbst sitzen, wenn sie mit der Nase in diesen Dreck gestossen werden. Dieser Eindruck muss ja zumindest entstehen, wenn man so wenig auf die inhaltlichen Vorwürfe eingeht. «Illusion ist immer noch das Kerngeschäft des Theaters, so sehr mir da einige widersprechen werden», schreibt Frederik Tidén. «Die Illusion des trompe l’oeil und der vierten Wand ist nur einer anderen Illusion gewichen: Der Illusion auf der richtigen Seite zu stehen.»

    Nachtrag vom 19. Oktober: nachtkritik.de führte noch ein kurzes Interview mit Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann zu dem Fall. Vielsagend ist die Antwort auf die Frage, wie sich neoliberales Geschäftsgebahren und utopisches Moment des Theaters vereinbaren lassen. Hartmann spielt der Politik den schwarzen Peter zu und verweigert jede unternehmerische Verantwortung für das Haus, das er leitet. Mit dieser Haltung haben sich Kultureinrichtungen vielleicht in den 1970er Jahren führen lassen, heute kostet sie das Theater seine (mittelfristige) Zukunft.

  • Frauenquote im Kulturbereich?

    Dass Kultur im Bundestagswahlkampf praktisch keine Rolle gespielt hat, liegt in der Natur der Kulturfinanzierung in Deutschland begründet: sie ist Kommunen- und Ländersache. Insofern verwundert es nicht, dass kaum eine der fünf (nunmehr vier) großen Parteien der Kultur mehr als zwei Seiten ihres Wahlprogramms gewidmet hat. Kulturmanagement-Network hat sich dennoch die Mühe gemacht und die Positionen in einer Serie dargestellt. Aufgrund des mauen Interesses und der geringen Bedeutung der Kulturpolitik in der Bundespolitik blieb eine Meldung fast völlig unbeachtet, die jedoch eigentlich einige grundsätzliche Überlegungen provoziert. Und zwar forderte Jürgen Trittin im Namen der Grünen eine Frauenquote für Kulturberufe. Auf den ersten Blick betrachtet hat diese Forderung zumindest mehr Sinn, als Privatunternehmen eine solche Quote aufzuzwingen. Schliesslich leben viele grosse Kultureinrichtungen von staatlichem Geld. Die Vertragsfreiheit, wie sie für private Unternehmen gilt, steht hier also ohnehin unter einem gewissen Vorbehalt politischer Zielsetzungen. Warum also nicht auch unter dem Vorbehalt einer Frauenquote?

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  • Wagner als Vordenker eines neuen Theaters

    In der aktuellen Ausgabe der Mitteilungen der Richard Wagner-Gesellschaft ist ein längerer Aufsatz von mir erschienen, den ich auch hier zugänglich mache. Der Aufsatz basiert auf einem Vortrag, den ich im Frühjahr auf einer Tagung der Wagner-Gesellschaft halten durfte. Er greift im ersten Teil einen Blogpost aus dem März auf. Wenn man etwas weiterliest, kommt aber auch noch Neues…

    Anlässlich des bevorstehenden Verdi- und Wagner-Jubiläumsjahr fragte die ZEIT im Herbst 2012 zehn Opernintendanten, wen der beiden sie für den größeren Komponisten hielten. Das Ergebnis war nicht überraschend, wenngleich doch interessant. Acht der zehn hielten es für am diplomatischsten, beiden die gleiche Größe und Bedeutung beizumessen und ließen allenfalls noch ihre private Vorliebe durchblicken. Zwei Intendanten allerdings schlugen sich eindeutig auf Seiten Verdis. Seine Opern seien kürzer, humaner, ehrlicher, konstruktiver. Wie man aus diesem flauen Lob unschwer ableiten kann, sind es jedoch nicht die Vorzüge und Qualitäten Verdis, die sie zu dieser Einschätzung bringen: Adjektive wie «kürzer» oder «konstruktiver» sind nicht gerade erste Wahl für eine ernst gemeinte Lobeshymne. (mehr …)

  • Ausgeliefert!

    Wer Kultur unter die Menschen bringt, lebt oftmals prekär. Auch bei Konsumgütern wie T-Shirts oder Turnschuhen quält es unser Gewissen nicht, dass sie unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt werden. Der Skandal an diesem Bericht über die Arbeitsbedingungen bei Kulturverteiler Amazon ist daher nicht, dass die Menschen so schlecht behandelt werden, sondern dass das neuerdings nicht mehr schön weit weg in Fernost passiert, sondern vor „unserer Haustür“.

  • «Mit offenen Flügeln spielen» – Interview mit Meret Lüthi

    Im Rahmen der Serie zum Kulturunternehmertum im KM Magazin veröffentliche ich heute ein Interview mit der Geigerin und Orchesterleiterin Meret Lüthi. Das Interview habe ich in Hinblick auf den Artikel zum Thema «Führung und Zusammenarbeit» geführt: Wie führt man ein Team aus hochqualifizierten Freiberuflern, die einen hohen Anspruch an sich und ihre Arbeit haben? Den Artikel, in dem ich meine Schlussfolgerungen aus diesem Interview darstelle, erscheint in der nächsten Ausgabe des KM Magazins.
    Meret Lüthi ist künstlerische Leiterin des Berner Orchesters Les Passions de l’Ame, das 2008 gegründet wurde. Das Orchester führt Musik des 17. und 18. Jahrhunderts in historisch informierter Aufführungspraxis auf. Es besteht aus einem Stamm von vierzehn freiberuflichen Musikern, die für ca. sechs Konzertprojekte pro Saison zusammenkommen. Meret Lüthi leitet die Konzerte von der Position der Konzertmeisterin aus.

    Wie kommt man auf die Idee ein Orchester zu gründen? Ist das zusammen mit anderen entstanden oder hast du Leute gesucht, die zusammen mit dir deine Idee verwirklichen?
    Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Ich habe die Idee geäußert, aber zugleich waren wir zuerst eine kleine Gruppe von drei Musikern, einem Coach und einer Kulturmanagerin, die das erste Projekt realisiert hat. Für dieses erste Projekt haben wir es uns nicht zugetraut, die musikalische Leitung selbst zu übernehmen und daher haben wir diese einem erfahrenen Coach im Bereich der historisch informierten Performance anvertraut. Nach dem ersten Projekt habe ich die musikalische Leitung übernommen und bin während der folgenden Projekte mehr und mehr in dieses Amt hineingewachsen. Seit dem vierten Projekt – das war 2009 – haben wir die gleiche Stammbesetzung und seitdem hat das Orchester auch seine eigene künstlerische Handschrift. (mehr …)