Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Kategorie: Kulturarbeit

  • Kreativität kommt nicht von kreativen Typen

    Im Kulturmanagementblog beschäftigte Christian Henner-Fehr sich gestern mit (irrtümlichen) Erfolgsfaktoren des Innovationsmanagements und stellte fest, dass gerade das Teamwork bei Kultureinrichtungen oft zu kurz kommt, weil Kulturschaffende (s.a. Punkt 1: Kreativität kommt gar nicht von kreativen Typen!) tendenziell zu übermäßigem Einzelgängertum und Individualismus neigen. Daran anknüpfend gibt es noch zwei andere Gründe, die mir wichtig scheinen in Bezug darauf, warum es bei Kultureinrichtungen oft hapert.

    Ein Hauptgrund für die professionelle Implementierung von Innovationsmanagement ist bei den meisten Unternehmen die mittel- und langfristige Existenzsicherung. Wer mit einer neuen Idee als erster auf dem Markt ist, verdient auch zuerst und solange er keine Nachahmer hat, kann er auch gut verdienen. Diese Motivation fällt für öffentlich finanzierte Kultureinrichtungen weg, weil ihre Existenz langfristig gesichert ist – zumindest prinzipiell. Im Rahmen der knapper werdenden Etats, wird man lediglich in Hinblick auf Marketing und Finanzierung innovativ, aber das Kerngeschäft, das »kulturelle Produkt«, bleibt unberührt. Das führt zu dem von mir schon mehrfach angemerkten Paradox, dass Kulturinstitutionen dort am kreativsten sind, wo ihre Ökonomisierung fortschreitet. Wie gesagt: es sind nicht die kreativen Typen!

    Der zweite Punkt hängt damit zusammen: Die künstlerischen Arbeitsläufe sind bei allen Unterschieden im Detail hochgradig standardisiert und routiniert (Theater), teilweise auch überreglementiert (Orchester). Das ist nicht unbedingt ein gedeihliches Klima für die Kunst: »I don’t care about your acht Stunden. Entweder wir arbeiten oder wir arbeiten nicht.« (Leonard Bernstein in einer Probe zu den Wiener Philharmonikern. Vorspulen auf 7:13)

  • Kultur ist unkaputtbar

    Auf dem Kulturmanagement-Blog und auf Moving-Culture wird gerade die gute alte Frage diskutiert, wieweit Kultur mit Wirtschaft verzahnt werden sollten und was Kultur eigentlich „wert“ ist. Ein Problem ist meines Erachtens, dass sich die Grenze gar nicht scharf ziehen lässt.

    Zum einen, weil Kultur nicht von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängt. Besonders die sog. Hochkultur ist hochgradig verinstitutionalisiert, aber mit der Abschaffung von Institutionen geht Kultur an sich nicht verloren. Das einzigartige, aber kostspielige Theaterwesen in Deutschland ist nicht zwingend ausschlagebend dafür, ob Menschen Theater spielen oder nicht. Es hilft dabei, es ist gut, aber es ist nicht das Theaterspielen an sich. Die Schlussfolgerung aus dieser Überlegung ist in meinen Augen allerdings nicht, dass einem deswegen die Institutionen egal sein können, sondern dass man bewusste Entscheidungen für oder gegen diese Institutionen treffen kann. Eine bewusste Entscheidung dafür heißt dann aber auch, die wirtschaftlichen Grundlagen bereitzustellen und nicht ständig in Frage zu stellen. (mehr …)

  • Work-Life-Balance in Kulturberufen

    Heute hörte ich einen NDR-Info-Podcast mit Stephan Grünewald, Gründer und Inhaber von Rheingold, Institut für qualitative Markt- und Medienanalysen. Neben vielen anderem Interessantem sagte Grünewald auch, Manager, die mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten, sollte man das Gehalt kürzen, da sie auf diese Weise ihr kreatives Potenzial lahmlegen würden. Das fand ich gerade auch in Hinblick auf Kulturberufe interessant, wo einerseits 60-Stunden-Wochen ebenso zum guten Ton gehören wie bei Managern oder Unternehmensberatern und man es andererseits eigentlich besonders wenig leisten kann, kreatives Potenzial zu verschleudern.

    Nachtrag: Auf drop.io habe ich übrigens das Interview als MP3-File eingestellt.

  • Künstler sind Überlebenskünstler

    Künstler und Kreative sind in der Regel auch (Über-)Lebenkünstler. Für kreative Selbstbestimmung und -verwirklichung nehmen sie oftmals prekäre und ausbeuterische Arbeitsbedingungen in Kauf. Für einen besonders ausbeuterischen Fall wurde gerade der Raffzahn 07 vergeben, aber auch bei tarifvertraglich geregelten Beschäftigungsverhältnissen, z.B. am Theater nach NV Bühne, fragt man sich, wie man je auf einen grünen Zweig kommen soll. Auf den Nachdenkseiten gibt es einen Artikel zu dieser Problematik, in dem eine interessante Parallele zur Landwirtschaft gezogen wird. Denn dort arbeiten etwa so viele Menschen wie in kreativen Berufen, aufgrund intensiver Lobbyarbeit erfährt dieser Bereich aber ganz andere öffentliche Unterstützung. (Gut, der Erntehelfer wird davon auch nicht viel mitkriegen…)

    Das ist auch deswegen absurd, weil die kreativen Berufe die Zukunftsfähigkeit des gesamten Landes gewährleisten und schon heute wesentlich zur Wohlstandssicherung beitragen und nicht nur – wie auf den Nachdenkseiten angeführt – anderen Menschen das Leben verschönern. Das zeigt ganz sinnfällig die Studie Talente, Technologie und Toleranz – wo Deutschland Zukunft hat des Berlin Instituts für Bevölkerung und Entwicklung zeigt. Je höher das kreative Potenzial einer Region, umso größer der wirtschaftliche Erfolg.

  • Deutsches Historisches Museum erhält »Raffzahn 07«

    Das Deutsche Historische Museum in Berlin hat die »goldenen Raffzähne 2007« für das unfairste Praktikum des Jahres »gewonnen«. Das Kulturmanagement-Blog hofft auf die Selbstregulierungskräfte des Web, die bislang allerdings noch nicht greifen. Also sollte man doch noch einmal in aller Deutlichkeit sagen, dass diese Form des Mäzenatentums eine Sauerei ist. Legt man eine ausbildungsadäquate Bezahlung zugrunde, sichert sich das Museum auf diese Weise eine Spende in Höhe von etwa 25.000-30.000 EUR!! Jeder andere Spender bekäme für diesen Betrag zuallermindest eine äußerst prominente Platzierung auf der Tafel der Freunde und Förderer in der Kassenhalle.

  • Khuon zum Subventionsgemäkel

    Die Äußerungen etlicher Theaterleute, z.B. Schlingensief, Stein oder Peymann, lassen mitunter mehr auf Wahnsinn denn auf Genie schließen. Thalia-Theater-Intendant Ulrich Khuon schafft es dagegen auch mit bedachten, klugen Äußerungen in die Medien. Aktuell äußert er sich bei Spiegel online zu dem Gemäkel in den Feuilletons der Süddeutschen und der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, es gebe zuviel Kultur-Subvention. Das fügt sich zwar harmonisch in den Chor zeitgeistiger Klagen über die ausufernde staatliche Einmischung in eigentlich alles, lässt sich aber durch ein paar einfache Zahlen mühelos widerlegen. Dazu muss man noch nicht besonders klug sein. Klug sind aber Khuons inhaltliche Entgegnungen, insbesondere der letzte Absatz des Artikels.