In der wirklich empfehlenswerten Sendereihe Fragen an den Autor vom Saarländischen Rundfunk hörte ich vor kurzem ein Interview mit Susanne Gaschke über ihr Buch «Klick – Strategien gegen die digitale Verdummung». Grob gesagt lautet das Fazit: Wenn digitale Medien aufgrund unbestreitbarer Vorteile ergänzend eingesetzt werden ist das ok, wenn sie andere Aktivitäten verdrängen ist das problematisch. Da schimmern natürlich auch gewisse Vorbehalte einer Print-Journalistin mit durch, aber das macht diese Aussage ja noch nicht falsch. Wirklich interessant fand ich insbesondere einen Gedanken, den Gaschke ganz am Anfang der Sendung formulierte. Und zwar meinte sie, die sozialen Web-Medien seien das neue Heilsversprechen des Kapitalismus bzw. Neoliberalismus. Ihr Argument: Im Kontrast zum real existierenden Sozialismus lag das Heilsversprechen des Kapitalismus bis Ende der 80er stets auf der Hand. Diese Kontrastfolie Sozialismus gibt es seit einiger Zeit nicht mehr, weswegen der Kapitalismus, insbesondere in der aggressiv vorgetragenen Form des Neoliberalismus in den letzten Jahren in die Kritik geraten ist. Also wird die rasante und kapitalistisch getriebene Entwicklung des Internets zur Sozialutopie überhöht und das Netz zu einem demokratisierenden, völkervereinenden Instrument hochgejubelt: Jeder kann seine Meinung frei äußern, in unmittelbaren Kontakt mit Menschen auf der anderen Seite der Erde treten, grenzüberschreitende Zusammenarbeit wird möglich, Diktaturen erzittern vor seiner umstürzlerischen Kraft, in Wikipedia kumuliert sich die überschaubare Klugheit Einzelner zu einer enormen Weisheit der Massen usw. usf. Und all das hervorgegangen aus dem Geiste eines entfesselten, angelsächsisch geprägten Unternehmertums. Das ist ein interessanter Gedanke, denn etliche Prinzipien der sozialen Medien stehen tatsächlich erstmal im Gegensatz zu den Prinzipien des Kapitalismus, vor allem was Vorstellungen über Besitz und Eigentum und damit auch Verwertungs- und Kapitalisierungsrechte angeht. Auf er anderen Seite scheint das Internet die ideale Gelddruckmaschine zu sein, wenn man das richtige Geschäftsmodell gefunden hat. So schnell wie Google hat wahrscheinlich noch kein Weltkonzert zuvor derartige Marktmacht aufgebaut.
Schlagwort: Internet
-
Das Rauschen wird lauter
In letzter Zeit hat das Internet ordentlich auf die Mütze bekommen. Zuletzt warnte Der Spiegel mit großem Aufmacher (zu großen Teilen »inspiriert« von The Atlantic) vor drohender Massenverdummung und löste heiße Debatten damit aus, natürlich auch und gerade in der sog. Blogosphäre (siehe u.a. hier, hier, hier, hier und hier).
Ein Punkt, der m.E. in dieser Diskussion zu kurz kam, ist die Tatsache, dass all der Schwachsinn, der ja unbestritten auch im Internet kursiert, durch dieses nicht erzeugt, sondern nur sichtbar gemacht wird. Der Preis der Vergesellschaftung der Medien und das damit einhergehende Anwachsen der kursierenden Datenmengen und -ströme ist, dass man vermehrt mit Inhalten konfrontiert wird, die für einen wertlos sind. Das Rauschen wird lauter und es wird schwieriger den Unterschied herauszuhören, der einen Unterschied macht.
Die Internetschelte macht zudem deutlich, wie viele Leute in ihren Kommunikationsvorstellungen von einem linear gedachten Sender-Empfänger-Modell geprägt sind: Einer sendet eine Information (aktiv), der andere empfängt sie (passiv). Das Kommunikationsmodell von Friedemann Schulz von Thun zeigt auf anschauliche Arte und Weise, dass dieses Modell schon in der Offline-Welt nicht taugt, weil der Empfänger (sofern er keine triviale Maschine ist) nicht passiv, sondern selbst aktiv, nämlich interpretierend, an der Kommunikation beteiligt ist. Er muss die empfangenen Daten »in Formation« bringen, wie Klaus Jarchow schreibt, damit sie auch eine Information darstellen.
Im Netz ist dieser systemische Aspekt von Kommunikation besonders sinnfällig. Hier gibt es ganz offenkundig nur noch vernetzte, informationsverarbeitende Schaltstellen. Informationen werden aufgenommen, verarbeitet und an andere Schaltstellen weitergeleitet, die das Signal wieder aufnehmen, verarbeiten, weiterleiten usw. usf.