Nicht nur aufgrund der zahlreichen Beispiele in der Web 2.0-Serie des Kulturmarketing-Blog, sondern auch durch aktuelle Gespräche bekomme ich das Gefühl, dass Web 2.0 in Kultureinrichtungen ein Thema wird und auch hier mit einiger Verspätung ein gewisser Hype entsteht. Mitunter werden die Möglichkeiten äußerst euphorisch und optimistisch eingeschätzt, mit Web 2.0 neues Publikum erschließen zu können. Da man mittlerweile in etwa weiß, was das Web 2.0 kann und was nicht, könnte das Kulturmarketing diese Hype-Phase eigentlich überspringen und von vornherein mit ganz pragmatischen und realistischen Erwartungen an das Thema herangehen.
Live-Übertragungen von Events halte ich da zum Beispiel für nicht sonderlich erfolgsversprechend. Sei es ein Orchesterkonzert der Musikhochschule Rostock, die Wiederaufnahme der Meistersinger bei den Bayreuther Festspielen oder Konzerte aus Aspen oder Aix-en-Provence (geniale Seite!), die Faszination klassischer Musik vermittelt sich wohl kaum über PC-Monitor und -Boxen. Das gilt insbesondere, wenn es nicht um die großen, eingängigen Hits geht, zu denen ich die Meistersinger schon nicht mehr rechnen würde. Es mag funktionieren, einen Eindruck von dem zu vermitteln, was die Besucher erwarten dürfen. Streams und Clips werden aber eine schlechte Alternative zur Live-Veranstaltung bleiben und auch nur für Personen in Frage kommen, die sowieso auch ins Konzert gehen würden.
Neues Publikum gewinnt man nicht mit neuen Medien, sondern mit einer neuen, web 2.0-gemäßen Haltung. Die besteht darin, den Dialog und die Vernetzung mit den BesucherInnen zu suchen, und zwar auf Augenhöhe. Gerade im Bereich der Hochkultur gilt es da m.E. zunächst, einigen Dünkel gegenüber dem Publikum über Bord zu werfen und es nicht nur als stumpfe, konsumistische, tendenziell ignorante Masse wahrzunehmen, die es zu gutem Geschmack zu erziehen gilt. Bevor man diese neue Haltung nicht verinnerlicht hat, wird man das Web 2.0 auch nicht erfolgreich nutzen können.
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