Demokratische Kultur in Deutschland und Europa

Veröffentlicht von Christian Holst am

Der Wirbel, den das Nein der Iren zum Vertrag von Lissabon verursacht hat, zeigt wie schlecht es um die demokratische Kultur in Europa steht. Anders als viele Politiker jetzt glauben machen wollen, haben 1 Million Iren nicht 500 Mio. Europäern ihren unmaßgeblichen Willen aufgedrückt, sondern als einzige die Möglichkeit gehabt, ihren Willen wirklich demokratisch kund zu tun und das stellvertretend für die Mehrheit der Europäerinnen und Europäer getan. Die Drohungen gegen Irland und gegen Länder, die die Entscheidung der Iren ernst nehmen und die Ratifizierung des Vertrags aussetzen (Polen, Tschenien), zeigen deswegen die anmaßende Gesinnung hinter der demokratischen Maske von Steinmeier, Schäuble, Koch-Mehrin und allen möglichen anderen Politikern.

Volksentscheide werden gerne als Befindlichkeitsbarometer abqualifiziert, untauglich als maßgebendes Element demokratischer Prozesse. Einigermaßen erstaunlich ist deswegen, was Horst Köhler kürzlich zu diesem Thema gesagt hat. Er fordert mehr demokratische Teilhabe der Bevölkerung, denn: »Es ist auch Eure Demokratie, also helft bitte mit, etwas Gutes draus zu machen.« Wobei dieses unscheinbare Wörtchen »auch« höchst verräterisch ist. Offenbar meint auch Köhler, dass es »vor allem« die Demokratie der Berufspolitiker, Bürokraten, Lobbyisten und Berater ist. Diese Herrschaftsform ist aber eigentlich die Aristokratie, denn das heißt wörtlich übersetzt »Herrschaft der Besten«. Nur: Wenn man es so sagt, besteht allerdings kein Zweifel mehr, dass das niemand wollen kann. Also bleiben wir lieber bei »parlamentarische Demokratie«.

Dass es übrigens sehr gute juristische Gründe gibt, gegen den Vertrag von Lissabon zu sein, wurde in der Diskussionsrunde zum bei Phoenix deutlich, in der auch Karl Albrecht Schachtschneider zu Gast war – emeritierter Jura-Professor aus Erlangen, der gegen die Ratifizierung des Vertrages durch Bundestag und Bundesrat Verfassungsbeschwerde eingelegt hat.


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