Jede Erfindung braucht einen Mutigen der sie vordenkt. Beim Podcasting scheint das Bertolt Brecht gewesen zu sein. Ende der 1920er Jahre schrieb er:
Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn auch in Beziehung zu setzen. Der Rundfunk müsste demnach aus dem Lieferantentum herausgehen und den Hörer als Lieferanten organisieren.
Dank der Vergesellschaftung der Medien, die mit deren Digitalisierung möglich geworden ist, machen die Medien heute auch denjenigen sprechen, der vormals die passive Hörerrolle einnahm. Jeder Hörer ist damit zum potenziellen Lieferanten geworden. Interessant ist dabei auch, dass Brecht nicht nur technische Vorstellungen beschrieb, die heute durch das Podcasting weitgehend erfüllt werden, sondern dass er dabei auch an die positiven kulturellen und gesellschaftlichen Veränderungen dachte, die heute dem partizipativen Web zugeschrieben werden: Das neue Medium gibt jedem Einzelnen eine Stimme, ermöglicht eine neue Kultur der Meinungsfreiheit, stärkt die Demokratisierung und neue Formen gesellschaftlicher Zusammenarbeit und ist geeignet, alte hierarchische oder gar totalitäre (Kommunikations-)Strukturen zu untergraben. Brecht dachte damit vor dem Hintergrund seiner sozialistischen Überzeugungen eine Entwicklung voraus, die heute als «Heilsversprechen des Kapitalismus» Realität geworden ist. Das ist nicht ohne Ironie.
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