Brecht wünschte sich, Radiohörer sprechen machen zu können. Joseph Beuys meinte, jeder Mensch sei ein Künstler. Das Web 2.0 hat beides wahr werden lassen. Für Beuys‘ These fand ich kürzlich ein schönes Beispiel auf der Ideenbörse für das Kulturmarketing. Für einen Spot für den neuen Z4 hat BMW den Künstler Robin Rhodes eine große weiße Fläche mit einem mit farbigen Reifen versehen Z4 befahren lassen. Die weiße Fläche wurde so zur Leinwand, der Z4 zum Pinsel, das künstlerische Resultat ist ein buntes Knäuel bunter Fahrspuren. Der Clou: Im Netz kann man es Rhodes nachmachen, indem man eine Software installiert, ein Symbol ausdruckt (beides auf dieser Seite zu finden), das von der Webcam des Computers erkannt wird und in der Wiedergabe auf dem Bildschirm durch einen Z4 ersetzt wird. Indem man das Blatt dann hin und herbewegt, kann man, dem schwungvollen Fahrgefühl des Z4 entsprechende, farbige Autospuren auf den Bildschirm malen. Kompliziert zu erklären, am leichtesten verständlich wird es sicher, wenn man sich diesen Youtube-Clip ansieht:
Das ist in technischer Hinsicht sicher verblüffender als in ästhetischer. Aufschlussreich finde ich allerdings auch die Tatsache, wie Kunst genutzt wird, um dem Z4 eine kulturelle Aura zu verpassen. Das Produkt kann sich mit seinen «inneren Werten» offenbar im hart umkämpften Automarkt nicht mehr differenzieren. Es differenziert sich über die Assoziation mit Ästhetik und künstlerischer Stilsicherheit. Erfolgreich ist nicht mehr, wer effizient Knappheiten zu beseitigen vermag, so wie die klassische Lehre meint, sondern erfolgreich ist, wer Knappheiten schafft, indem er sein Produkt in markttauglicher Weise kulturell auflädt und dem Käufer das Gefühl vermittelt, mit jeder Fahrt seiner unverwechselbaren, einzigartigen, kreativen Persönlichkeit mit ebenso unverwechselbaren, einzigartigen «Pinselstrichen» auf die Straße Ausdruck zu verleihen, anstatt nur ein Transportproblem zu lösen. So wird alles Management zum Kulturmanagement.
Eine andere, wesentlich günstigere Möglichkeit, mittels der jeder zum Künstler wird, ist das kleine, keine 300 KB große Tool MousePath. Einmal gestartet, hält es sämtliche Malereien fest, die man täglich mit seiner Mouse auf den Bildschirm zeichnet. Wenn die Mouse ruht, entstehen – je länger umso größere – Kreise. Hier meine Gemälde von gestern und heute. Sieht doch aus wie astreine abstrakte Kunst, oder? 🙂
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