Web 2.0-Geschäftsmodelle für Kultureinrichtungen

Veröffentlicht von Christian Holst am

Neben dem «mobilen Web» bilden «Geschäftsmodelle im Web 2.0» einen Schwerpunkt auf der stART.10 im kommenden September. Das mag zunächst etwas abwegig erscheinen – schließlich beschäftigen sich, zumindest die öffentlich finanzierten, Kultureinrichtungen auch im echten Leben nicht unbedingt mit Geschäftsmodellen für ihre Arbeit. Eher herrscht weitgehend die Haltung vor, dass Kultur ein Anrecht auf Alimentierung hat, schließlich sei sie «kein Luxus, sondern Notwendigkeit» (ehem. EU-Kulturkommissar Ján Figel‘). Dennoch: in Zeiten knapper werdender öffentlicher Kassen ist es für Kultureinrichtungen strategisch angebracht, auch über alternative Finanzierungsformen (wie eben tragfähige Geschäftsmodelle) zu nachzudenken. Weil das Web 2.0 hier interessante Möglichkeiten bietet, ist es ein Schwerpunktthema auf der stART.

Eine andere Überlegung fasst den Begriff der «Geschäftsmodelle» etwas weiter: Aktivitäten im Web 2.0 von Kultureinrichtungen machen Arbeit und effektive Arbeit ist immer eine Investition in die Zukunft der Einrichtung, in der sie geleistet wird. Investitionen sollten sich aber auf die ein oder andere Art immer rechnen. In diesem Sinne ist die Frage nach den Geschäftsmodellen im Web 2.0 die Frage danach, was man von seinen Web 2.0-Aktivitäten eigentlich hat. Die Antwort muss nicht unbedingt in finanziellen Kennzahlen ausgedrückt werden, aber sie sollte klar und deutlich und am besten smart ausfallen.

Zu den neuen Geschäftssystemen, die das Internet und insbesondere das Web 2.0 hervorgebracht haben, gehören z.B.:

  • Crowdsourcing, d.h. die Auslagerung von Tätigkeiten an Amateure oder Fans. Beispiel aus dem Kulturbereich ist die Verfilmung von Paolo Coelhos «Hexe von Portobello» durch seine Fans. (Genaue Projektbeschreibung im Blog «socialnetworkstrategien».)
  • Crowdfunding, eine Unterform des Crowdsourcing, bei der es um das Sammeln kleiner Geldbeträge in sozialen Netzwerken im Internet geht. Ein Beispiel aus dem Kulturbereich ist sellaband.
  • «Long Tail» meint die Möglichkeit, auch kleine Absatzmengen und Nischenprodukte über einen durch das Internet geografisch skalierten Markt profitabel zu vertreiben. Ein Beispiel aus dem Kulturbereich ist die Band Element of Crime, die Konzertmitschnitte ihrer aktuellen Tournee über iTunes bzw. Tunecore verkauft, insbesondere an die, die live beim Konzert dabei waren und eine akustische Erinnerung haben möchten.
  • Finanzierung durch individualisierte, kontextabhängige Werbung à la Google. Wirklich ausgefeilte Modelle sind mir im Kulturbereich nicht bekannt. Kennt jemand Beispiele?
  • Freemium-Modelle, bei denen Basisdienste zum Zwecke der Marktdurchdringung kostenlos, weitere Dienste zu Profitzwecken jedoch kostenpflichtig angeboten werden. Nach diesem Prinzip funktioniert das Kulturmanagement Network mit einem kostenlosen redaktionellen Angebot und einem kostenpflichtigen Stellenmarkt.

Typischerweise leben diese Geschäftsmodelle von geografisch groß abgesteckten Märkten. Der einzelne Zahlungs- oder Rechnungsbetrag ist meist klein, dem entsprechend hoch müssen die Absatzzahlen sein, bevor nennenswerte Umsätze generiert werden. Viele Kultureinrichtungen sind jedoch lokal oder regional verankert und haben innerhalb dieser begrenzten Öffentlichkeit eine Art Monopolstellung (z.B. ein städtisches Museum oder Theater). Diese Öffentlichkeit bzw. den Markt geografisch zu erweitern ist dank des Internets kein Problem mehr. Umdenken ist allerdings hinsichtlich der Konkurrenzsituation gefragt, die plötzlich eintritt, wenn man seinen Wirkungskreis erweitert. Um sich gegen andere städtische Kultureinrichtungen zu behaupten, die die gleiche Idee hatten, wird plötzlich eine Spezialisierung erforderlich sein, die öffentliche Kultureinrichtungen meist bewusst vermeiden und im Rahmen ihres öffentlichen Auftrags für die regional begrenzte Öffentlichkeit auch vermeiden müssen. Die Antwort auf die neue Herausforderung, sich auf einmal einem Wettbewerb zu stellen, liegt möglicherweise in der Besinnung auf die Besonderheiten und Charakteristika des kulturellen Raums, auf den sich die Einrichtung vormals beschränkt hat.

P.S.: Der Call for Paper für die stART.10 läuft noch bis zum kommenden Freitag, 12. März 2010.


5 Kommentare

Knut O.E. Pankrath · 7. März 2010 um 23:34

Drollig. Da schreibe ich heute was über crowdfunding im Lernbereich, suche hier und da und finde diesen Beitrag. Sind denn Lernanbieter weiter oder weniger weit als „die Kultur“?

Christian Holst · 8. März 2010 um 20:40

Ich glaube, „die Kultur“ insgesamt ist gar nicht so schlecht, die so genannte Hochkultur hat noch Potenzial. Aber wie das im Verhältnis zum Lernbereich ist, kann ich gar nicht einschätzen. Wie sieht es denn da so aus?

Hagen Kohn · 9. März 2010 um 10:23

Das mit der kontextabhängigen Werbung ist ein interessanter Punkt, den wir gerade in Hinblick auf unser Musikerportal http://www.VioWorld.de diskutieren. Zum Beispiel eine selektive Platzierung von Konzerthinweisen. Es überwiegt aber die Skepsis, ob man sich mit einem solchen Modell neben Google behaupten kann.

Christian Holst · 9. März 2010 um 13:12

@Hagen Ich würde denken, dass weniger Google das Problem ist, als die Größe des Marktes. Als Nischenanbieter sind die Anzeigen die ihr schaltet, doch ohnehin schon ziemlich gut auf eure Zielgruppe abgestimmt, oder? Vielleicht fällt dieses Geschäftsmodell für den (traditionellen) Kulturbereich aus, weil es einfach kein Massenmarkt ist?!

Hagen Kohn · 11. März 2010 um 11:04

Völlig richtig, wir haben das Thema auch erstmal auf die lange Bank geschoben, zumal das Bannergeschäft in unserer Nische recht gut läuft. Ich denke, das wird die nächsten Jahre auch noch so bleiben.

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