Abbado-Jubiläumsbox

Veröffentlicht von Christian Holst am

Über all die Feierlichkeiten zu Karajans 100. gerät etwas in Vergessenheit, dass sein Nachfolger Claudio Abbado dieses Jahr 75. Geburtstag feiert, wenngleich erst am 26. Juni. Vielleicht arbeitet die DGG ja noch dran, ich jedenfalls präsentiere hier schon mal die Aufnahmen, die meine Erachtens in eine Abbado-Jubiläumsbox gehören würden.

Mahlers Neunte mit den Berliner Philharmonikern. Die Aufnahme ist nicht perfekt, aber gerade der letzte Satz widerlegt eindrucksvoll die mitunter geäußerte Meinung, Abbado habe den phänomenalen Einheits-Schönklang des Orchesters ruiniert, den Karajan in jahrzehntelanger Arbeit kultiviert hat. Hier wird klar: Nur weil er ihn nicht jedem Werk aufdrückt, egal ob von Bach, Beethoven oder Bruckner, ist der Klang noch lange nicht verloren gegangen. Gerade die „pianissimo-Kultur“ am Ende des letzten Satzes, die auch Leonard Bernstein bei der Aufführung des gleichen Werks mit dem gleichen Orchester in Erstaunen versetzt hatte, ist nach wie vor einzigartig.

Dass Mozart bei Abbado anders klingt als Mahler hört man schön in den Aufnahmen vom Klarinettenkonzert mit Sabine Meyer und vom Exsultate, jubilate mit Christine Schäfer: leicht, locker, beschwingt. Dazu braucht man kein Originalklang-Ensemble, aber Karajans opulenter Einheitsschönklang hat hier natürlich nichts zu suchen.

Die Beethoven-Sinfonien mit den Berliner Philharmonikern klingen dagegen wiederum kraftvoll, energisch, kompakt und gefallen mir deswegen trotz der mitunter sehr schnellen Tempi. Besonders die Sinfonien 1-4.

Die Gurre-Lieder hat Abbado zwar nicht mit den Berliner Philharmonikern eingespielt, aber mangelnden Klangsinn kann man ihm auch hier nicht vorwerfen. Allerdings ist die Aufnahme nicht nur wegen des in allen Klangfarben prachtvoll schillernden und schimmernden Orchesters hervorragend, sondern auch wegen phänomenaler Solisten, allen voran Siegfried Jerusalem als Waldemar und Barbara Sukowa als Sprecherin, die des „Sommerwindes wilder Jagd“ wirklich Leben einhaucht, während Gesangssolisten (z.B. Thomas Quasthoff bei Rattle) in der Regel den Fehler machen, von der Notierung auszugehen und nicht vom Text.

Kategorien: Musik

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