Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Autor: Christian Holst

  • Was soll G8 in der Schule?

    In der FAZ gibt es einen äußerst lesenswerten Artikel über die G8-Schulreform und Politiker und Funktionäre, die Bildung mit Wissen verwechseln. Möglicherweise weil es ihnen zumindest an ersterem mangelt. Besonders schöner Satz:

    Früher nannte man jemanden einen Streber, einen Fachidioten, wenn man sagen wollte, dass da einer keine Lebenserfahrung außerhalb der Schule gesammelt hat. Dass sich da einer versteigt in fachliche Richtigkeiten, ohne das Richtige an den rechten Platz im Leben rücken zu können.

    Ich kann dem Autor nur zustimmen, auch zu dem, was er bereits vor der Hessen-Wahl geschrieben hat.

  • Jeder Mensch ist Kunst

    Heute ist nicht nur jeder Mensch ein Künstler, sondern auch Kunst. Auf der Seite barcodeart.com kann man sich selbst zum Kunstwerk barcodieren lassen. Das bin ich:


    Einkaufspreis $6,23, sofern ich die etwas kryptische Auswertung richtig verstanden habe. Ernüchternd.

    Überhaupt: lässt sich das Symbol für ökonomische Verwertbarkeit schlechthin wirklich zu Kunst transzendieren? Da haben vielleicht nicht nur Verschwörungstheoretiker ihre Bedenken.

  • Diva im Badeanzug

    Der Weser-Kurier stellte gestern in einem Bericht über die Midem 08 fest, dass der Klassikmarkt zunehmend nach den Mechanismen des Popmarktes funktioniert. Das künstlerische Fliegengewicht Anna Netrebko lässt grüßen. Die Gefahr sei, so der Weser-Kurier, dass Künstler verheizt würden. Die andere Gefahr, die nicht erwähnt wurde aber damit zusammenhängt, ist die der nachlassenden Qualität. Sehr schön zu hören in den La Traviata-DVDs mit Netrebko und Angela Gheorghiu. Wo Netrebko froh ist, wenn sie an den richtigen Stellen atmet, gestaltet Gheorghiu jede einzelne Note mit bemerkenswertem künstlerischen Instinkt. Und dabei würde sie, im Badeanzug das Lied an den Mond singend, gar nicht mal schlechter aussehen als Netrebko.

  • Von Coelho lernen

    Die CD-Verkäufe bröckeln seit einiger Zeit fröhlich dahin, auch im letzten Jahr gab es wieder Umsatzeinbußen von 20%. Auf der Musikmesse Midem kam die Musikindustrie deswegen überein, zukünftig verstärkt auf Online-Vermarktung und vor allem auf Online-Abos zu setzen. Naxos macht bereits vor, wie es gehen kann. Die Branche verbindet damit die Hoffnung, das Problem der Raubkopien auf diese Weise in den Griff zu bekommen. Ob es wirklich ein Problem ist fragt man sich allerdings, wenn man bei Bernd Röthlingshöfer liest, wie clever Paulo Coelho seine langweiligen Bücher mittels Raubkopien an den Mann bringt.

  • Ausgegoogelt

    Vor einiger Zeit habe ich darüber geschrieben, dass Google dabei ist, zum neuen Microsoft zu werden. Mich hat das trotzdem nicht davon abgehalten, ordentlich zu iGooglen, sprich mir bei Google ein komplettes virtuelles Büro einzurichten.

    Nachdem ich kürzlich gelesen habe, dass Google nicht weniger anstrebt, als die Macht über das Wissen der Welt und mittlerweile auf bestem Wege ist, habe ich kurzerhand meine Feeds auf newsalloy.com »gezügelt«, wie man in der Schweiz sagen würde. Ist sowieso viel komfortabler und schicker als der Google Reader. Textverarbeitung mache ich jetzt mit zoho.com und Websuche mit ask.com und altavista.de. Das ist nicht ganz so praktisch wie alles aus einer Hand, aber auch nicht so unheimlich.

    Als ich dann heute diesen Clip sah, fühlte ich mich dann noch einmal voll und ganz bestätigt.

  • Kurzrezension: Sopranos, Staffel 3

    Nach einer wirklich lahmen ersten Episode hat sich die 3. Staffel der Sopranos zur bislang eindeutig besten entwickelt. Der Grund: die Geschichten sind gut und die Figuren entwickeln sich und handeln glaubwürdiger als in den ersten beiden Staffeln, insbesondere der zweiten. Die kriminellen Aktivitäten treten etwas in den Hintergrund und die persönlichen Krisen aller Familienmitglieder in den Vordergrund. Tonys Frau Carmela hadert mit der Ehe, Tochter Meadow ist unglücklich verliebt und Anthony Jr. fliegt von der Schule. Höhepunkt der Staffel ist sicher die Beziehung, die Tony mit einer attraktiven Autoverkäuferin, brillant gespielt von Annabella Sciorra, eingeht. Das ist ebenso erotisch wie aufreibend, nicht nur für Tony, sondern auch für den Zuschauer. Grandios übrigens auch das Ende der letzten Folge, wo die gesamte Familie zu einer Beerdigung zusammenkommt. Das kann in seiner filmischen Qualität schon fast mit dem Ende der Paten-Trilogie mithalten. (Naja: fast.)

  • Eindimensional

    Eigentlich ist theater-tv.com eine gute Idee. Die Videos sind, wie die gesamte Seite, gut gemacht. Eine Produktion, von der ich viel schlechtes gehört habe, schien mir vom Film her zu urteilen durchaus einen Besuch wert. Das spricht zumindest aus Theatermarketing-Sicht für grundsätzlichen Sinn und Zweck des Portals.

    Den Anspruch »Kulturinfos in einer neuen Dimension« löst die Seite allerdings nur ein, sofern man die Betonung auf das Wörtchen »einer« legt. Denn die multidimensionalen, unendlichen Weiten des sog. »Web 2.0« bleiben komplett ungenutzt. Warum sind die Videos nicht als Videocast erhältlich? Warum gibt es keine Kommentarfunktion, keine Bewertungsfunktion, keine Einbettungs- oder auch nur Empfehlungsfunktion, um die sog. »viralen Effekte« zu nutzen. Es ist eine Website, die es nur deswegen vor 5 oder 10 Jahren noch nicht hätte geben können, weil die Verbindungen zu langsam waren. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber diese Seite ist wieder ein Beleg dafür, dass »heutige« Kommunikation eben doch nicht das Ding von Theaterleuten ist.

  • Gegen religiöses Rumgeeier

    Vor einiger Zeit hörte ich bei SWR Leute ein sehr temperamentvolles Interview mit Manfred Lütz, der dort sein Buch Gott – Eine kleine Geschichte des Größten vorstellte. Das war ein wirklich spannendes Interview, also habe ich jetzt das Buch gelesen.

    Lütz macht darin einen kleinen, urteilsfreudigen Parforceritt durch die Geistesgeschichte, immer unter dem Blickwinkel, was die Menschen wann und warum über Gott gedacht haben. Das ist oftmals hochinteressant und lehrreich und was er sagt, fand ich inhaltlich fast immer sinnvoll und überzeugend. Etwas anstrengend ist auf Dauer allerdings der betont rotzige Stil, den Lütz im Nachwort selbstzufrieden als »hemdsärmelig« bezeichnet, genauso wie die scheinbare Belesenheit, die Lütz allzu gern zur Schau trägt. Wie es um die tatsächlich steht, fragt man sich allerdings an mancher Stelle, wo die Argumentation all zu windig wird. Zum Beispiel, als Lütz die Quantentheorie kurzerhand erkenntnistheoretisch vereinnahmt und zum argumentativen Super-GAU der Atheisten hochstilisiert und wenige Seiten später die erkenntnistheoretische Interpretation neuerer Hirnforschung mit ein paar ungnädigen Worten vom Tisch fegt.

    Das letzte Drittel ist so eine Art wortreiche Werbebroschüre für die katholische Kirche, die nach Lütz viel besser ist als ihr Ruf. Wer das nicht so sieht, wird hier vermutlich ein Problem haben, ich habe mich bloß gefragt, was das jetzt noch mit dem eigentlichen Thema zu tun hat. Alles in allem hat es aber Spaß gemacht, das Buch zu lesen und mir eine ganze Reihe Anstöße gegeben. Denn das Buch ist auch ein klares Plädoyer gegen religiöses und spirituelles Herumgeeier.

  • Ausweg aus dem Museum?

    »Wir verehren Altes, nur weil es alt ist.« ist eine zentrale These eines Essays aus der Zeit vom 3.1.08 (Siehe auch Kulturmanagement-Blog und Kulturblog.ch). Warum das Berliner Stadtschloss originalgetreu wieder aufgebaut werden soll, gar nicht mal nur konserviert, sondern komplett neu wieder aufgebaut, das verstehe ich tatsächlich auch nicht. Aber ansonsten glaube ich doch eher, dass wir Altes verehren, weil es gut und verehrungswürdig ist. Was überdauert hat, ist ja nur die Spitze eines Eisberges alter Kunst, von dem sich der weitaus größte Teil unter der Wasseroberfläche befindet, soll heißen: verworfen und vergessen ist. Es ist auch nur ein verschwindend kleiner Teil verglichen mit dem, was an zeitgenössischer Kultur rezipiert wird. Zu glauben, diese fände im Museum oder im Theater statt, ist fast ein bisschen rührend. Wer geht schon ins Museum?

    Einen »Ausweg aus dem Museum«, wie Blom das nennt, muss deswegen nur der suchen, der selbst in alten Kategorien denkt und nicht merkt, dass der Botticelli von heute möglicherweise Modefotograph ist und kein Maler und die heute bedeutenden Dramatiker nicht mehr für das Theater schreiben, sondern »Star Wars« oder »2001: A Space Odyssey« und anderes drehen und gedreht haben. Wer im Theater das wirklich »Heutige« sucht, wird dort deswegen trotz allen Regietheaters nicht fündig werden. Das Theater war das authentische Medium von Shakespeare, Schiller, Verdi und anderen. Heute ist es als Institution selbst Museum und als solches hat es seine Nische verdient. Museen freilich auch, aber die machen in der Regel auch keinen Hehl draus, dass es bei ihnen Altes zu sehen gibt.