Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Blog

  • Web 2.0-Geschäftsmodelle für Kultureinrichtungen

    Neben dem «mobilen Web» bilden «Geschäftsmodelle im Web 2.0» einen Schwerpunkt auf der stART.10 im kommenden September. Das mag zunächst etwas abwegig erscheinen – schließlich beschäftigen sich, zumindest die öffentlich finanzierten, Kultureinrichtungen auch im echten Leben nicht unbedingt mit Geschäftsmodellen für ihre Arbeit. Eher herrscht weitgehend die Haltung vor, dass Kultur ein Anrecht auf Alimentierung hat, schließlich sei sie «kein Luxus, sondern Notwendigkeit» (ehem. EU-Kulturkommissar Ján Figel‘). Dennoch: in Zeiten knapper werdender öffentlicher Kassen ist es für Kultureinrichtungen strategisch angebracht, auch über alternative Finanzierungsformen (wie eben tragfähige Geschäftsmodelle) zu nachzudenken. Weil das Web 2.0 hier interessante Möglichkeiten bietet, ist es ein Schwerpunktthema auf der stART.

    Eine andere Überlegung fasst den Begriff der «Geschäftsmodelle» etwas weiter: Aktivitäten im Web 2.0 von Kultureinrichtungen machen Arbeit und effektive Arbeit ist immer eine Investition in die Zukunft der Einrichtung, in der sie geleistet wird. Investitionen sollten sich aber auf die ein oder andere Art immer rechnen. In diesem Sinne ist die Frage nach den Geschäftsmodellen im Web 2.0 die Frage danach, was man von seinen Web 2.0-Aktivitäten eigentlich hat. Die Antwort muss nicht unbedingt in finanziellen Kennzahlen ausgedrückt werden, aber sie sollte klar und deutlich und am besten smart ausfallen.

    Zu den neuen Geschäftssystemen, die das Internet und insbesondere das Web 2.0 hervorgebracht haben, gehören z.B.:

    • Crowdsourcing, d.h. die Auslagerung von Tätigkeiten an Amateure oder Fans. Beispiel aus dem Kulturbereich ist die Verfilmung von Paolo Coelhos «Hexe von Portobello» durch seine Fans. (Genaue Projektbeschreibung im Blog «socialnetworkstrategien».)
    • Crowdfunding, eine Unterform des Crowdsourcing, bei der es um das Sammeln kleiner Geldbeträge in sozialen Netzwerken im Internet geht. Ein Beispiel aus dem Kulturbereich ist sellaband.
    • «Long Tail» meint die Möglichkeit, auch kleine Absatzmengen und Nischenprodukte über einen durch das Internet geografisch skalierten Markt profitabel zu vertreiben. Ein Beispiel aus dem Kulturbereich ist die Band Element of Crime, die Konzertmitschnitte ihrer aktuellen Tournee über iTunes bzw. Tunecore verkauft, insbesondere an die, die live beim Konzert dabei waren und eine akustische Erinnerung haben möchten.
    • Finanzierung durch individualisierte, kontextabhängige Werbung à la Google. Wirklich ausgefeilte Modelle sind mir im Kulturbereich nicht bekannt. Kennt jemand Beispiele?
    • Freemium-Modelle, bei denen Basisdienste zum Zwecke der Marktdurchdringung kostenlos, weitere Dienste zu Profitzwecken jedoch kostenpflichtig angeboten werden. Nach diesem Prinzip funktioniert das Kulturmanagement Network mit einem kostenlosen redaktionellen Angebot und einem kostenpflichtigen Stellenmarkt.

    Typischerweise leben diese Geschäftsmodelle von geografisch groß abgesteckten Märkten. Der einzelne Zahlungs- oder Rechnungsbetrag ist meist klein, dem entsprechend hoch müssen die Absatzzahlen sein, bevor nennenswerte Umsätze generiert werden. Viele Kultureinrichtungen sind jedoch lokal oder regional verankert und haben innerhalb dieser begrenzten Öffentlichkeit eine Art Monopolstellung (z.B. ein städtisches Museum oder Theater). Diese Öffentlichkeit bzw. den Markt geografisch zu erweitern ist dank des Internets kein Problem mehr. Umdenken ist allerdings hinsichtlich der Konkurrenzsituation gefragt, die plötzlich eintritt, wenn man seinen Wirkungskreis erweitert. Um sich gegen andere städtische Kultureinrichtungen zu behaupten, die die gleiche Idee hatten, wird plötzlich eine Spezialisierung erforderlich sein, die öffentliche Kultureinrichtungen meist bewusst vermeiden und im Rahmen ihres öffentlichen Auftrags für die regional begrenzte Öffentlichkeit auch vermeiden müssen. Die Antwort auf die neue Herausforderung, sich auf einmal einem Wettbewerb zu stellen, liegt möglicherweise in der Besinnung auf die Besonderheiten und Charakteristika des kulturellen Raums, auf den sich die Einrichtung vormals beschränkt hat.

    P.S.: Der Call for Paper für die stART.10 läuft noch bis zum kommenden Freitag, 12. März 2010.

  • Führung im Kulturbetrieb II

    In neueren Führungskonzepten wird unterschieden zwischen transaktionaler und transformationaler Führung. Transaktionale Führung versteht Arbeit als ein Tauschverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die Individualinteressen der Mitarbeiter und die Unternehmensinteressen werden über eine Tauschaktion (Transaktion) ins Verhältnis gesetzt: Leistung gegen Belohnung. Der Mitarbeiter wird im Sinne der klassischen wirtschaftswissenschaftlichen Terminologie als rational denkender und handelnder Nutzenmaximierer, als homo oeconomicus, gesehen. MbO fällt unter diesen Ansatz der transaktionalen Führung. Über die speziell im Kulturbetrieb aber auch allgemein damit einhergehenden Probleme habe ich im ersten Teil beschrieben. Oftmals wird das transaktionale Modell übrigens dem Manager zugeschrieben, während sich der Leader des transformationalen Modells bediene. Aufgrund dessen, was ich im ersten Teil über Leadership geschrieben habe, kann ich mich dieser Auffassung allerdings nicht anschließen.

    Transformationale Führung

    Im Unterschied zum transaktionalen Modell umfasst die transformationale Führung auch soziale und emotionale Aspekte von Führung und spricht damit auch höhere Bedürfnisse des Menschen an. Hier geht es darum, den Mitarbeitern persönliche Entfaltungsmöglichkeiten zu geben, die intrinsische Arbeitsmotivation auf den Unternehmenszwecks auszurichten und den Mitarbeiter auf diese Weise zum Mitunternehmer zu machen, man könnte auch sagen zu «transformieren». Analog zu den berühmten vier P des Marketing, bietet das Modell der transformationalen Führung vier Is als Merkhilfe. Denn transformationale Führung ist

    • Identifizierend. Damit ist ein authentisches Verhalten der Führungskraft gemeint, der dadurch Respekt und Vertrauen gezollt werden und die durch Übereinstimmung von Reden und Handeln zur Identifikationsfigur wird.
    • Inspirierend. Die Führungskraft vermag es, Sinn zu stiften (zum Beispiel mittels Vision, Symbolen, Bilder) und dadurch die Bedeutung von Zielen und Aufgaben zu erhöhen. Die Identifikation mit den Zielen der Firma wird so nicht nur durch monetäre oder Status-Anreize erreicht, sondern auch durch persönliche Verbundenheit.
    • Intellektuell. Die Mitarbeiter werden aber auch auf geistiger, intellektueller Ebene angeregt, Denkmuster zu hinterfragen und aktiv neue Erkenntnisse und Einsichten anzustreben, Probleme als Chance zu begreifen, etwas neues zu lernen und im Sinne des Ganzen zu denken und Verantwortung zu übernehmen (Mitunternehmertum).
    • Individuell. Im Rahmen der transformationalen Führung geht die Führungskraft individuell auf die Mitarbeiter und ihre sozialen Interaktionen ein, fördert und fordert den Einzelnen gemäß seinen Stärken und Schwächen und entwickelt Perspektiven mit ihm/ihr.

    Insbesondere den letzten Punkt erachte ich in Hinblick auf Führung im Kulturbetrieb für besonders wichtig, denn es ist ja nicht nur ein Klischee, dass Künstler Individualisten sind und dementsprechend auch individuell behandelt werden wollen. Der ehrgeizige, aber unerfahrene Jungschauspieler muss anders geführt werden als die Diva auf der Höhe ihrer Karriere und anders als der alternde Schauspieler, dessen beste Zeit vorbei ist. Der gewissenhafte Verwaltungsangestellte muss anders geführt werden als der genialische, aber launenhafte Hausregisseur. Diese, zugegebenermaßen etwas klischeehaften, Beispiele beziehen sich allein auf die Funktion des Mitarbeiters und zeigen, dass bereits in Bezug auf dieses eine Kriterium verschiedenste Führungsansprüche bestehen.

    Situative Führung

    Einen Ansatz, diesen unterschiedlichen Ansprüchen Rechnung zu tragen, bietet die situative Führung, z.B. in Form des Reifegradmodells von Hersey und Blanchard. Hierbei wird je nach Reifegrad und Motivation des Mitarbeiters ein anderer Führungsstil empfohlen. In Abhängigkeit von Motivation und Reifegrad wird unterschiedlich geführt:

    • Ist die fachliche Kompetenz und Motivation hoch, kann gemäß dem Management by Exceptions delegiert werden («delegating»). Diese Führung ist weder sonderlich aufgabenorientiert, noch sonderlich beziehungsorientiert.
    • Ist die fachliche Kompetenz hoch, die Motivation jedoch niedrig, zum Beispiel bei altgedienten Routiniers, wird weniger aufgabenorientiert, dafür stark beziehungsorientiert geführt («participating», kooperativer Stil).
    • Ist die fachliche Kompetenz niedrig, aber die Motivation hoch, zum Beispiel bei ambitionierten Anfängern, wird gleichermaßen stark beziehungs- und aufgabenorientiert geführt («selling», trainieren)
    • Bei geringer Reife und niedriger Motivation des Mitarbeiters erhält dieser einfach Anweisungen («telling», unterweisen). Die Führung konzentriert sich auf die Aufgabe, nicht auf die Beziehung zum Mitarbeiter.

    Jenseits von dieser schematisierten Darstellung situativer Führung umfasst diese freilich auch Führungshandeln in Bezug auf gruppendynamische und zwischenmenschliche Sym- und Antipathien. Um bei den konkreten Beispielen zu bleiben: Die Leiter der Schreinerwerkstatt und der Malerei, die sich seit Jahren in den Haaren liegen, müssen anders angesprochen werden als Disponent und Schauspieldirektor, die beste Freunde sind usw.

    Wie ich bereits im ersten Teil angesprochen habe, arbeitet in Kultureinrichtungen typischerweise eine besonders bunte Mischung an verschieden ausgebildeten und sozialisierten Menschen, weswegen die Führungsanforderungen hier wahrscheinlich anspruchsvoll und vielfältig wie kaum sonst irgendwo sind. Aber nicht nur im Kulturbereich, sondern insgesamt im kreativen, wissensbasierten, innovativen, dynamischen Umfeld, wo große Komplexität herrscht und Ziele nicht statisch definiert werden können, sondern sich kontinuierlich ändern und angepasst werden müssen, bietet sich daher intuitives, transformationales Führungshandeln zugunsten von Führungstechniken an. Transformationale Führung beinhaltet gegenüber der transaktionalen Führung, zu der MbO gerechnet werden kann, einen entscheidenden Paradigmenwechsel in der Sicht auf Führung: Der Vorgesetzte wird zur Führungskraft. Führungsinteraktionen berücksichtigen nicht mehr nur die vertikale Ebene von Vorgesetztem zu Mitarbeiter, sondern auch die horizontale Ebene der Mitarbeiter und ihre wechselseitige Beeinflussung untereinander. Die Führungskraft versucht komplexe, soziale Interaktionen in ihrem Team so zu beeinflussen, dass dieses seine Kreativität und Produktivität voll entfalten kann und in den Dienst der Sache stellt. Das heißt, die Führungskraft kann nicht mehr unbedingt wissen, was am Ende herauskommt und ist im besten Fall selbst von dem Ergebnis positiv überrascht.

  • Führung im Kulturbetrieb I

    Vor einiger Zeit rezensierte Christian Henner-Fehr in seinem Blog Armin Kleins Buch zu «Leadership im Kulturbetrieb». In den Kommentaren entspann sich dann eine Diskussion zu Sinn und Unsinn von Kleins Vorstellungen, die mich dazu veranlasst haben, das Thema für mich noch einmal gründlich aufzurollen und Führungsprinzipien für Kulturbetriebe zu skizzieren, die ich als tauglicher erachte. Die Ergebnisse stelle ich hier in zwei Teilen unter der Überschrift «Führung im Kulturbetrieb» zur Diskusion. Der erste Teil widmet sich noch einmal den zentralen Instrumenten, die Klein vorschlägt, der zweite denjenigen, die ich für geeigneter halte.

    Meine Kritik zielte darauf, dass Klein den Modebegriff «Leadership» auf den Kulturbereich überträgt und dabei in meinen Augen wesentliche Aspekte und Führungsbedingungen außer Acht lässt. Für Klein läuft es, grob gesagt, darauf hinaus, dass er «Leadership» mittels Vision und die Umsetzung der Vision mittels Management by Objectives (MbO) empfiehlt.

    Leadership

    Zunächst zum Thema «Leadership»: Fredmund Malik hat diesen Modebegriff sehr überzeugend auseinandergenommen. Es beginnt damit, dass es sich bei dem Begriff um schlecht rückübersetztes Englisch handelt und er eigentlich nichts anderes als Management meint. Die scheinbar so sinnfällige Unterscheidung zwischen dem Manager, der exekutiert, kontrolliert, stabilisiert etc. und dem Leader, der durch sein Charisma begeistert und visionengetrieben gestaltet und innoviert etc. wird bei Malik damit schnell zur hinfälligen Unterscheidung. Damit einher geht für Malik auch die Tatsache, dass nicht Persönlichkeitsmerkmale und Charisma entscheidend für Führungserfolg sind, also nicht, was jemand ist, sondern, was jemand tut. Sowohl die großartigsten, als aber auch die schrecklichsten Ereignisse der Geschichte wurden durch «Leader» herbeigeführt. Die detaillierte Kritik lässt sich nachlesen in dem Buch: Leadership. Best practices und Trends von Heike Bruch und Bernd Vogel. Reflexionen zum Begriff des Leadership wie Malik sie anstellt, sucht man bei Klein jedoch vergebens. Man mag es nun kleinkariert finden, Klein dafür zu kritisieren, dass er einen trotz aller Fragwürdigkeiten ja durchaus geläufigen Fachterminus übernimmt. Mich stört es auch nur insoweit, als es der erste Hinweis auf das geringe Reflexionsniveau des Buches ist, das im Weiteren zu m.E. nutzlosen, wenn nicht gar irreführenden Empfehlungen kommt.

    Führung mittels Vision

    Dabei ist Führung über Vision erstmal ein einleuchtendes Konzept. Es basiert auf der Erkenntnis, dass extrinsische Motivatoren nicht reichen, um Höchstleistung zu erbringen und dass ein Unternehmen seinen Mitarbeitern (Lebens-)Sinn vermitteln, d.h. eine ganz wörtlich zu verstehende «sinnvolle» Tätigkeit bieten muss, um zu Höchstleistungen anszuspornen. Zugespitzt gesagt, soll die Vision dem Mitarbeiter vermitteln, warum es sich für ihn lohnt, Lebenszeit in dieses Unternehmen zu investieren. Eine Vision soll organisationale Energie freisetzen, die sich mittels Bezahlung oder anderer extrinsischer Motivatoren nicht heben lässt. Wenn Nike die Vision verfolgte: «Crush Adidas», dann ist damit ein klar definiertes, erreichbares, sportliches Ambitionsniveau festgelegt, dass durchaus in der Lage ist, Potenzial freizusetzen.

    Öffentlich finanzierte Kulturbetriebe funktionieren jedoch anders als ein Unternehmen wie Nike. Zum einen sind die Mitarbeiter (zumindest die künstlerischen) in aller Regel in hohem Maße intrinsisch motiviert, was sie allerlei Zumutungen bezüglich Bezahlung und Arbeitszeiten wegstecken lässt. Die Notwendigkeit den Mitarbeitern Sinn für ihre Arbeit zu versprechen, ist damit zwar nicht per se unnötig aber deutlich geringer als in Industrie- oder anderen Dienstleistungsunternehmen. Dazu kommt, dass die öffentlich finanzierten Kulturbetriebe einen öffentlichen Auftrag haben, der ihnen einen recht eng definierten Handlungsrahmen und -horizont vorgibt. Ein Dreisparten-Stadttheater soll auch in fünf Jahren noch Stadttheater sein und die Einwohner der finanzierenden Kommune mit anspruchsvollem Theater versorgen. Es kann gewisse Schwerpunkte setzen, aber grundsätzlich muss es für jung und alt, für Schauspiel-, Tanz- und Opernfans, für Unterhaltungsfans wie für hornbebrillte Literaturfreaks ein ansprechendes Angebot machen. Es ist zum Beispiel nicht frei zu entscheiden, dass beste Jugendtheater oder die avantgardistischste Experimentierbühne des deutschsprachigen Raums zu werden und dementsprechend alle Kräfte auf dieses Ziel zu fokussieren.

    Beide Faktoren schließen eine Vision nicht aus, reduzieren aber ihre Wirksamkeit erheblich und stellen sie damit als effektives Führungsinstrument in Frage. Die Vision, die sich für ein Stadttheater oder ein städtisches Museum entwickeln ließe, wäre ziemlich zahnlos. Anders sieht es natürlich bei privat finanzierten Kulturunternehmen aus. Das heisst: Führung über Vision kann im Einzelfall geeignet sein, ist es aber nicht allgemein.

    Management by Objectives

    MbO wurde in den 1950er Jahren von dem Management-Vordenker Peter Drucker entwickelt. Die Idee von MbO ist es, dass jeder Vorgesetzte mit seinen Mitarbeitern Ziele vereinbart, die es zu erreichen gilt. Die Zielerreichung wird durch den Vorgesetzten regelmäßig kontrolliert und häufig mit einer außerordentlichen Geldzuwendung oder evtl. einer Weiterbildung oder Beförderung belohnt. Der Fortschritt gegenüber älteren Führungskonzepten ist, dass der Mitarbeiter frei in der Wahl der Mittel und Wege zur Zielerreichung ist, der Vorgesetzte funkt ihm nur im Ausnahmefall dazwischen (Management by Exception). Das erhöht seinen Gestaltungs- und Entfaltungsmöglichkeiten und damit seine Motivation. MbO ist daher ein geeignetes Führungsinstrument für Unternehmen, in denen sich die Ziele operationalisieren und quantitativ definieren lassen und dessen Mitarbeiter hohe Handlungskompetenz haben, klassische Beispiele dafür sind Vertrieb und Außendienst. Der Motivationsansatz ist jedoch extrinsisch. Es besteht kein Grund für den Mitarbeiter, über das definierte Ziel hinaus Einsatz zu zeigen oder das Ziel gar besonders ehrgeizig zu definieren. Der Mitarbeiter funktioniert hier wie ein Hund, den man für ein Leckerli in die Höhe springen lässt. Der Hund springt so hoch wie er muss, um an die Beute heranzukommen, aber nicht höher, selbst wenn er könnte.

    Man stelle sich jetzt vor, wie solches Führungstechnik in einem Kulturbetrieb angewendet werden soll. Kulturbetriebe zeichnen sich dadurch aus, dass sie über eine besonders bunte Palette an Mitarbeitern verfügen. Besonders deutlich wird das am Theater, wo Verwaltungsbeamte, Musiker, bildende Künstler, Juristen, Betriebswirte, Geisteswissenschaftler, Techniker und Handwerker arbeiten. Museen, Verlage haben eine ähnlich große Bandbreite, vielleicht etwas weniger differenziert aufgefächert. Die Unterschiedlichkeit der Mitarbeiter spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Verträgen wieder: Am Theater ist von der Beamtenbesoldung über den TVöD/BAT über die TVK (Orchester), NV Bühne mit verschiedenen Regelungen für verschiedene Berufsgruppen bis hin zu Gastspielverträgen alles vertreten.

    Es bedarf nicht viel, um zu erkennen, dass sich eine solche Bandbreite an Personen, jede mit einem unterschiedlich zum Haus definierten Verhältnis in Form des jeweiligen Arbeitsvertrages, nicht mit einer Führungstechnik erfolgreich führen lässt. In einer Versicherung, bei einem Maschinenbauer, oder in einem Callcenter gibt es eine solch große Bandbreite typischerweise nicht. Aber selbst hier wäre es fahrlässig davon auszugehen, dass deswegen alle Mitarbeiter mit einer einzigen Führungstechnik geführt werden könnten.

    An eine weitere Grenze stößt MbO im kreativen, wissensintensiven, dynamischen Umfeld. Wenn niemand weiß, wie das Ziel konkret aussehen soll, dann lässt sich nicht definieren, wie der Beitrag jedes einzelnen dazu aussehen soll und es lässt sich auch viel schlechter abschätzen, wie umfangreich dieser Beitrag und dementsprechend, wie groß die Belohnung für diesen Beitrag ausfallen muss. Um es noch einmal am Beispiel des Theaters konkret zu machen: Mit einem Schauspieler kann vereinbart werden, wieviel unterschiedliche Rollen er in einer Spielzeit zu spielen bekommt und wieviele Abende er auf der Bühne stehen muss. Das Entscheidende jedoch, nämlich wie er diese Arbeit inhaltlich auszufüllen hat, lässt sich nicht über Zielvereinbarung klären, gerade das muss aber geführt werden. Regieteam und Schauspielensemble müssen es in permanenter Interaktion (= Proben) miteinander freilegen. Die Führungsherausforderung liegt hier darin, soziale Interaktion zu steuern und zwar nicht nur im hierarchischen Verhältnis zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter (wie bei MbO), sondern in der gesamten Gruppe. Und sie liegt darin, Potenzial freizusetzen, von dem möglicherweise zuerst weder der Regisseur noch der Schauspieler wussten, dass es überhaupt vorhanden war. Wenn das gelingt, entsteht eine großartige Inszenierung und das möglichst oft zu erreichen muss das oberste Ziel der Leitung sein. Mit dem Verwaltungsleiter kann der Intendant dagegen wahrscheinlich wunderbar über MbO arbeiten.

    Das Hauptproblem von MbO gerade im Kulturbereich sehe ich daher in der «One-fits-all»-Logik, die nicht funktionieren kann. Eine Fokussierung auf dieses Instrument halte ich daher für im besten Fall weitgehend nutzlos – eben überall dort, wo sich Ziele nicht operationalisieren lassen und das ist im Kulturbereich sehr weitläufig der Fall – , im schlechtesten Fall für schädlich, weil die teilweise Wirkungslosigkeit der Führungstechnik auf die gesamte Organisation frustrierend und lähmend zurückwirken könnte.

  • Heutiges Musiktheater: Nur «Hope» macht Hoffnung

    Die Oper erhebt zwar immer den Anspruch, «heutig» sein zu wollen, tatsächlich versucht man aber doch auffällig oft, sich in den warmen Glanz der großen Kunst und der großen Erzählungen der Vergangenheit zu legen und diesen zu reflektieren. Beispiel Wolfgang Rihm. Sein letztes Bühnenwerk war eine Vertonung von Goethes Proserpina, einer Figur aus der griechischen Mythologie. Rihms nächstes Bühnenwerk, Auftragswerk für die Salzburger Festspiele, beflügelt sich wieder mittels Highlights abendländischer und deutscher Kulturgeschichte: es basiert auf Nietzsches Dionysos-Dithyramben. Klingt (wie etliche von Rihms Werken) nach Neuer Musik als Karikatur ihrer selbst. Wem hier wohlfeile, politisch korrekte Betroffenheit zu kurz kommt, der kann sich auf der Münchener Biennale eine Klimawandel-Oper anhören. So bewusst heutig ist es ebenso unfreiwillig komisch wie Rihms sophistiziert daherkommende Remixe mythologischen Materials.

    Irgendwie haut das im Musical besser hin: In Frankfurt läuft seit Januar das Obama-Musical «Hope». Klingt erstmal auch kurios, aber eigentlich liegt es auf der Hand. Schließlich war Obamas Wahlkampf emotional und perfekt inszeniert – eben wie ein gutes Musical. Als zusätzliches Gimmick und Zeichen echter «Heutigkeit» gibt es interaktive Trommelstühle, bei denen sich das Publikum interaktiv einbringen kann. Keine Ahnung, wie das genau funktioniert, aber auch hier liegt die Parallele zu Obamas mitreissendem, aktivierendem Web 2.0-Wahlkampf auf der Hand. Ob so ein Musical nun thematisch weniger blöd als eine Klimawandel-Oper ist, sei dahingestellt, «heutiger» ist es auf jeden Fall. Auch deswegen, weil es hierzu wenigstens ein anständiges Youtube-Video gibt:

  • Jeder Mensch ist Konsument Künstler

    Brecht wünschte sich, Radiohörer sprechen machen zu können. Joseph Beuys meinte, jeder Mensch sei ein Künstler. Das Web 2.0 hat beides wahr werden lassen. Für Beuys‘ These fand ich kürzlich ein schönes Beispiel auf der Ideenbörse für das Kulturmarketing. Für einen Spot für den neuen Z4 hat BMW den Künstler Robin Rhodes eine große weiße Fläche mit einem mit farbigen Reifen versehen Z4 befahren lassen. Die weiße Fläche wurde so zur Leinwand, der Z4 zum Pinsel, das künstlerische Resultat ist ein buntes Knäuel bunter Fahrspuren. Der Clou: Im Netz kann man es Rhodes nachmachen, indem man eine Software installiert, ein Symbol ausdruckt (beides auf dieser Seite zu finden), das von der Webcam des Computers erkannt wird und in der Wiedergabe auf dem Bildschirm durch einen Z4 ersetzt wird. Indem man das Blatt dann hin und herbewegt, kann man, dem schwungvollen Fahrgefühl des Z4 entsprechende, farbige Autospuren auf den Bildschirm malen. Kompliziert zu erklären, am leichtesten verständlich wird es sicher, wenn man sich diesen Youtube-Clip ansieht:

    Das ist in technischer Hinsicht sicher verblüffender als in ästhetischer. Aufschlussreich finde ich allerdings auch die Tatsache, wie Kunst genutzt wird, um dem Z4 eine kulturelle Aura zu verpassen. Das Produkt kann sich mit seinen «inneren Werten» offenbar im hart umkämpften Automarkt nicht mehr differenzieren. Es differenziert sich über die Assoziation mit Ästhetik und künstlerischer Stilsicherheit. Erfolgreich ist nicht mehr, wer effizient Knappheiten zu beseitigen vermag, so wie die klassische Lehre meint, sondern erfolgreich ist, wer Knappheiten schafft, indem er sein Produkt in markttauglicher Weise kulturell auflädt und dem Käufer das Gefühl vermittelt, mit jeder Fahrt seiner unverwechselbaren, einzigartigen, kreativen Persönlichkeit mit ebenso unverwechselbaren, einzigartigen «Pinselstrichen» auf die Straße Ausdruck zu verleihen, anstatt nur ein Transportproblem zu lösen. So wird alles Management zum Kulturmanagement.

    Eine andere, wesentlich günstigere Möglichkeit, mittels der jeder zum Künstler wird, ist das kleine, keine 300 KB große Tool MousePath. Einmal gestartet, hält es sämtliche Malereien fest, die man täglich mit seiner Mouse auf den Bildschirm zeichnet. Wenn die Mouse ruht, entstehen – je länger umso größere – Kreise. Hier meine Gemälde von gestern und heute. Sieht doch aus wie astreine abstrakte Kunst, oder? 🙂

     

  • Call for Papers zur stART.10 läuft

    stART.10Mit dem Relaunch der Website der stART.conference hat auch der Call for Papers für die zweite Ausgabe der Konferenz gestartet. Während es letztes Mal ganz allgemein um das Thema Kunst und Kultur und Web 2.0 ging, werden in diesem Jahr zwei Themenbereiche schwerpunktmäßig behandelt, die sich aus dem Feedback zur stART.09 als besonders interessant herauskristallisiert haben. Das ist zum einen die Frage nach Geschäftsmodellen im Web 2.0, die die Aktivitäten refinanzieren oder einen klar definierten Nutzen bringen. Und das ist zum anderen die Frage, welche Möglichkeiten das Mobile Web bietet. Immer mehr Leuten scheint das iPhone an der Handfläche festgewachsen zu sein, was die Frage aufwirft, wie sich Kommunikation, Kaufverhalten, Wahrnehmung dadurch ändert. Wer Interesse hat, selbst einen Vortrag oder einen Workshop zur Tagung beizusteuern, ist herzlich eingeladen, sich zu bewerben. Alle Infos dazu gibt es auf der Website, die Bewerbung erfolgt bequem per Online-Formular. Weitere Informationen zum Programm, zu den Sprechern und zur Ticketbestellung werden in den kommenden Wochen folgen.

  • Facebook-Sucht stopft Winterloch

    In der Schweiz machte in den letzten Tagen eine Studie mit dem Titel «Facebookless» Schlagzeilen. Für diese Studie wurden 50 «Heavy Facebook Users» rekrutiert, die einen Monat lang auf Facebook verzichten sollten. Das nicht sonderlich überraschende Fazit der Studie: Vielnutzern fällt es zunächst nicht leicht auf Facebook zu verzichten. Überzeugte Sportler, Raucher, Kaffeetrinker, Autofahrer oder Fleischesser würden sicher ähnliches berichten, wenn sie einen Monat lang auf ihre Leidenschaft verzichten würden. Auch, dass man konzentrierter arbeitet, wenn man nicht alle fünf bis zehn Minuten die Live-Meldungen checkt, liegt auf der Hand. Alles also eigentlich wenig spektakulär und aufgrund des Studiendesigns wenig aussagekräftig und verallgemeinerbar.

    Witzig war, was draus gemacht wurde: Im persönlich heisst es recht sachlich: «Wichtige Erkenntnisse zu Facebook. Vertiefte Studie zur Nutzung der Social Media Plattform». Die Weltwoche titelte etwas tendenziöser «Glücklich und süchtig nach Facebook» und verglich die Macht von Facebook auf Menschen mit der einer Sekte. In der 20 Minuten hieß es sogar: «Ohne Facebook ausgegrenzt? Laut einer Studie fühlen sich viele (sic!) Schweizer ohne Facebook-Zugang sozial isoliert. Experten warnen vor einer hohen Suchtgefahr.»

    Winterloch, oder was?

  • Blick in die Glaskugel: Slow Media

    Noch im letzten Jahr wagte Frank Tentler in seinem Echtzeitgeist-Blog den Blick in die Glaskugel und stellte eine Reihe von Prognosen und Thesen zu Social Media-Trends im Jahr 2010 auf. Außerdem lud er ein, seine Aussagen um eigene Einschätzungen zu ergänzen, was ich hiermit tun möchte. Wohlwissend übrigens, dass der Blick in die Glaskugel natürlich umso klarer wird, je weiter das Jahr 2010 fortgeschritten ist.

    Ein Begriff, der mir 2010 schon mehrfach begegnet ist, ist «Slow Media». Slow Media wird als die Entsprechung zum Slow Food bezeichnet, der qualitätsbewussten, genussvollen Zubereitung und Verzehr von Lebensmitteln. Wie zu jedem vernünftigen Trend gibt es inzwischen auch ein Manifest, das Slow Media-Manifest, verfasst von Benedikt Köhler, Jörg Blumtritt und Sabria David (nebenbei bemerkt: alle drei waren Referent(inn)en der stARTconference 2009). Die Idee dahinter: Nachdem im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts mit den partizipativen Medien eine technologische Revolution stattgefunden hat, wird es im zweiten Jahrzehnt darum gehen,

    angemessene Reaktionen auf diese Medienrevolution zu entwickeln – sie politisch, kulturell und gesellschaftlich zu integrieren und konstruktiv zu nutzen.

    Es geht um den bewussten, wählerischen Umgang mit den neuen Möglichkeiten, der wiederum Qualität, Perfektion, Konzentration, nachhaltige Vernetzung usw. nach sich ziehen soll — Dinge, die man momentan noch nicht unbedingt mit Social Media in Verbindung bringt. Ich finde diesen Gedanken äußerst plausibel und begrüßenswert und denke, dass er wichtiger Referenzpunkt für weitere Entwicklungen und Trends im Jahr 2010 und darüber hinaus werden kann.

    Das heißt in meinen Augen zum Beispiel, dass Social Media zu einem selbstverständlichen Bestandteil der Medienlandschaft werden und der Hype langsam abklingen wird. Social Media wird ganz einfach in klassische Kommunikations-Konzepte integriert (oder anders herum), aus dem heutigen tendenziellen Entweder-Oder wird ein einvernehmliches Sowohl-als-auch und Je-nach-dem. Das wiederum setzt eine eine unaufgeregte, sachliche Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen von Social Media voraus. Bislang wurden kritische Überlegungen gerne mit emotionaler Wucht und fortschrittsgläubiger Empörung abgewiesen. Um es polemisch auszudrücken: Man wird feststellen, dass man mit Social Media nicht alle Diktaturen dieser Welt in die Knie bloggen und twittern kann, das auch Wikipedia nicht alles weiß und dass trotz Facebook nicht alle Menschen Brüder werden. Vermutlich heisst es auch das Ende der Gratiskultur, denn die zukünftige Bedeutung von Social Media wird auch davon abhängen, wie breit sich diese Medien über tragfähige Geschäftsmodelle absichern lassen.

    Bei den Blogpiloten gibt es übrigens ein Interview mit den Verfassern des Slow-Media-Manifests.

  • Dramentheorie reloaded: Steve Jobs Produktinszenierungen

    Welche Bedeutung kulturelle Kompetenz heute für ökonomischen Erfolg hat, zeigt der amerikanische Journalist Carmine Gallo, der sich mit Steve Jobs Präsentationskunst beschäftigt und darüber ein ganzes Buch verfasst hat. Er zeigt, dass die Produktvorstellungen von Apple nicht einfach Produktvorstellungen sind, bei denen die neuen Features der Geräte vorgestellt werden, sondern genau einstudierte Inszenierungen, denen die Fans ebenso entgegenfiebern, wie andere Leute der Eröffnung der Salzburger Festspiele oder der neuen Robert Wilson-Inszenierung. Gallo spielt auf das theatrale Gespür von Jobs an, wenn er seine Analyse in verschiedene Akte unterteilt und die dramaturgischen Funktionen von Jobs Präsentationsmitteln beschreibt.

    Wenn man den hochtrabenden Vergleich nicht scheut, dann ist das fast so etwas wie die Dramentheorie der szenografischen Ökonomie. Allerdings: Während sich die klassische Tragödie über fünf Akte erstreckt — mit den Stationen Exposition, erregendes Moment, Peripetie (Höhepunkt), retardierendes Moment und Katastrophe — kann es nicht verwundern, dass Theorie guter Produktinszenierung nur drei Akte kennt. 🙂

    Via Lummaland.

  • stART.10: Vom 8.-10. September in Duisburg

    stART.10
    Bei der positiven Resonanz auf die stART.09 im vergangenen September, war schnell klar, dass es im Jahr, in dem Essen und das Ruhrgebiet Kulturhauptstadt sind, auf jeden Fall eine Neuauflage geben würde. Diese findet jetzt statt vom 8.- 10. September 2010, wieder in Duisburg in der Mercatorhalle. Die laufenden Infos, Call for Paper, Ticketverkauf, Programm und Sprecher etc. werden in den kommenden Wochen und Monaten im stART-Blog bekannt gegeben.

    Während es bei der ersten Ausgabe der stARTconference darum ging, ganz grundsätzlich das Potenzial der sozialen Medien für Kultureinrichtungen auszuloten, liegen die thematischen Schwerpunkte in diesem Jahr zum einen auf social-media-basierten Geschäftsmodellen, also der Frage, wie im Web 2.0 trotz Gratis- und Amateur-Kultur Geld zu verdienen ist, und zum anderen auf dem mobilen Web. Gerade das mobile Web könnte Antworten auf die Frage nach den Geschäftsmodellen geben, da hier offenbar eine erhöhte Zahlungsbereitschaft besteht. Auch in diesem Jahr wird es aber wieder Grundlagenworkshops, Best practices und allgemeine Vorträge geben, so dass für jedes Interesse und jeden Kenntnisstand ein interessantes Programm geboten wird.

    Ach ja, hier gibt es noch in Erinnerung an die stART.09 einen Zusammenschnitt aus meinem Workshop «Einführung in das Podcasting kultureller Inhalte»:

    Workshop Christian Holst, Teil 1 from stARTconference on Vimeo.