Da das Chemnitzer Theater seit diesem Sommer wieder tarifliche Löhne zahlt, muss es 30 Mitarbeiter entlassen. Dass der Intendant verspricht, dass dies ohne künstlerische Konsequenzen möglich sein wird, verstehe ich als implizites Eingeständnis, in den vergangenen Jahren ineffizient gearbeitet und 30 Leute durchgeschleppt zu haben bzw. unter den künstlerischen Möglichkeiten geblieben zu sein. Das Versprechen ist deswegen heikel und betreibt eine Entwicklung, die der Kulturbetrieb nicht endlos mitmachen kann. Gleiche Kunst mit immer weniger Geld ist eine Rechnung, die auf Dauer nicht funktionieren kann, zumal in öffentlichen Kulturbetrieben praktisch kein Produktivitätsfortschritt erzielt werden kann. Weniger Geld muss also auch heißen weniger Kunst. Das zu vertreten traut sich natürlich kein Intendant, der karrieremäßig noch etwas vorhat.
Blog
-
Bremer Theater gewinnt Marketing-Preis
Das Bremer Theater hat den Marketing-Preis Highlight 08 des Landes Bremen für innovatives Marketing gewonnen. Interessant wäre zu erfahren, was konkret denn so innovativ ist, denn die in der Nachricht genannten Markenwerte bleiben ohne konkrete Belege bloß leere Worte: kreativ, innovativ, emotional und international, Qualität, Vertrauenswürdigkeit, Tradition und Wertorientierung. Die Bremer Stadtmusikanten ins Logo eingebaut zu haben? Wirklich nicht sehr originell. Schon gar nicht, da der Hahn auch schon beim vorherigen Intendanten im Dienst war. In Sachen Web 2.0 ist auch nichts los. Mein Eindruck: das Bremer Theater ist marketingmäßig äußerst solide und professionell unterwegs, nicht mehr und nicht weniger. Ein echter Marketing-Clou war bislang nur die Verpflichtung von Katharina Wagner als Regisseurin für den Rienzi. Und vielleicht diesen Preis gewonnen zu haben?! Aber was soll’s? Herzlichen Glückwunsch!
-
Staatsziel Kultur
Gerade ist das Staatsziel Kultur am Bundesrat gescheitert. 2005 hatte die Enquete-Kommission Kultur in Deutschland vorgeschlagen, den Artikel 20, der die rechtliche Grundordnung Deutschlands definiert, um einen Absatz b zu erweitern mit dem Wortlaut: »Der Staat schützt und fördert die Kultur«. Einen konkreten Vorteil hätte das allerdings niemandem gebracht. Sinn und Zweck dieses Artikels wäre es allein gewesen, dass Künstler, Intendanten und Direktoren jedes Mal lautstark einen Verfassungsbruch hätten anprangern können, wenn wieder einmal irgendwo ein Kulturetat zusammengekürzt wird, freilich ohne durch diesen Artikel eine rechtliche Handhabe gegen die Kürzungen zu haben. Insofern ein völlig überflüssiger Artikel.
Was Kunst und Kultur von staatlicher Seite aus brauchen, ist schon über Artikel 5, Abs. 3 gesichert, nämlich die Freiheit der Kunst. Dieser Artikel schützt die Kunst gegenüber politischer Willkür und ist die argumentative Grundlage für die öffentliche Finanzierung von Museen, Theatern, Orchestern, Filmen usw. Weiter sollte sich der Staat nicht in kulturelle Angelegenheiten einmischen. Sich schützen und fördern muss die Kultur schon selbst, indem sie sich aus inhaltlichen Gründen unverzichtbar macht. Wo der Schutz und die Förderung aus formalen, d.h. juristischen Gründen erfolgen muss, liegt der Verdacht nahe, das Geld könne eigentlich anderswo besser ausgegeben werden.
-
Interview auf Kulturlabskaus
Zum Start einer Serie über die Bremer Blogger- und Podcasterszene gibt es im Kulturlabskaus gerade ein kleines Interview mit mir. Vielen Dank an Norbert für die Einladung!
-
Ästhetische Spekulationsblase
Das Entwickeln von Vision und Mission gehören zu den Basics von Leadership – auch im Kulturmanagement. Die Vision beschreibt einen für die Zukunft erwünschten Zustand eines Teams oder einer Organisation. Und zwar am besten in der Art und Weise, dass allen Beteiligten deutlich wird, warum es sich lohnt, Lebenszeit in die Verwirklichung dieser Vision zu investieren, d.h. durch unbescheidene Sinnüberhöhung des gesamten Vorhabens. Wer wäre nicht gerne dabei, wenn etwas Großes entsteht? Ein Paradebeispiel, wie visionäre Sinnüberhöhung erstaunliche Leistungen ermöglicht, ist Richard Wagners mit Hilfe vieler glühender Verehrer zustande gebrachtes Lebenswerk. Unter der Vereinigung aller Künste in einer Gattung, Festspielen allein für seine Werke und einer quasi-religiösen Aufwertung der Kunst ging es bei ihm nicht.
Obwohl ich Wagner bekanntermaßen durchaus schätze, frage ich mich, ob das Prinzip Sinnüberhöhung, so effektiv es sein mag, ein legitimes Managementmittel sein kann (nicht nur im Kulturbereich). Führt es nicht viel mehr früher oder später in eine Art ästhetischer Entsprechung zur Finanzkrise? Einer riesigen, spekulativen Blase ästhetischer Versprechungen, die durch die realen Werte nicht mehr gedeckt werden kann und damit früher oder später platzen muss? Noch mehr Festtage, Museen, Ausstellungen, neue Spielstätten etc., die ambitionierte Intendanten und Direktoren mit noch weniger Ressourcen auf die Beine stellen, weil sie nur so an den nächstwichtigeren Posten kommen. Auch dieses Anreizsystem ist fragwürdig.
-
Meine Güte! Bachler im Interview
Dass es das Schlichte oft einfacher hat als das Komplizierte erlebe ich täglich an mir selbst beim Bäcker, wo mein Blick eher an der Schlagzeile der BILD-Zeitung hängen bleibt als an der des Weser-Kuriers, obwohl auch bei deren Beschreibung »kompliziert« nicht das Wort der Wahl ist. Die Künste, so könnte man meinen, seien dagegen der Ort, an dem diese Regel gebrochen werde; hier habe das Abwegige und Abwägende, das Grüblerische, das Introvertierte und Leise seinen Platz.
Im Interview mit Klaus Bachler, dem neuen Chef der Bayerischen Staatsoper, wird man eines Besseren belehrt. Erneut nur Platitüden und rhetorische Großspurigkeit. Sind das jetzt die Schlüsselqualifikationen für die Leitungsposten international bedeutender bayrischer Musiktheater?
Es beginnt ganz harmlos mit der unsinnigen Behauptung, dass Startum sei mit Maria Callas zu Ende gegangen, Netrebko sei so gesehen kein Star, sondern »eine gute Sängerin, die sich ganz toll dafür eignet, in der heutigen Zeit vermarktet zu werden.« Genau das heißt aber Star. Callas war eine Diva, wenn man so will ein »nachhaltiger« Star. Wie auch immer, der Star soll jetzt die Oper selbst sein. Wer würde das nicht gutheißen?
Dann erklärt er als zweitausenddreihundertfünfundvierzigster Intendant die Frage »Was hat die Oper heute zu sagen?« zum Leitfaden seiner Arbeit. Um eine Antwort zu finden, greift er das fast ebenso unoriginelle Rezept auf, opernunerfahrene Regisseure zu engagieren, nachdem er wenige Sätze zuvor noch meinte, es gelte, die Inszenierungen auf das Niveau zu bringen, auf dem das Werk angesiedelt sei. Man muss nur die zwei Bildbeispiele mit der stereotypen Opernszenerie sehen, um ernsthafte Zweifel zu bekommen, dass das ohne Weiteres gelingt.
Der Spruch von München als »internationalem Dorf« darf dann übrigens ebenso wenig fehlen wie die geistreiche Erkenntnis, dass das Katholische an sich schon etwas Theatralisches habe. Und Bachler wäre auch kein anständiger Intendant, sähe er die Legitimation von Theaterarbeit nicht darin, »zu widersprechen, Dinge aufzureißen, unbequem zu sein.« Mit der Bemerkung, seine Wahl sei auch auf München gefallen, weil das in einer konservativen Stadt leichter sei als anderswo, desavouiert er seinen Anspruch an das Theater dann vollends. Meine Güte!
Nachtrag, 4.10. Folglich keine Überraschung: Die Rezension in der Frankfurter Rundschau.
-
Kunst vereinnahmt Kommerz
Vor kurzem wurde im Kulturmanagement-Blog über die Vereinbarkeit von Kunst und Kommerz debattiert. Im Grunde war man sich schnell einig, dass beide einander nicht grundsätzlich ausschließen, aber sichergestellt sein sollte, dass der Kommerz die Kunst nicht vereinnahmen können sollte. Aber was im umgekehrten Fall, wenn sich die Kunst der Gallionsfiguren kulturindustriellen Kommerzes bemächtigt? Diese Frage folgt dem Prinzip »Mann beißt Hund«, aber sie wird sich in der Saison 2009/10 an der New York City Opera stellen, wenn Philip Glass‘ Oper »The Perfect American« über Walt Disney Uraufführung hat. Adorno kann froh sein, dass er diesen Tag nicht miterleben muss und die Schlümpfe ihre Arbeit gemacht haben.
-
Der Baader-Meinhof-Komplex im Kino
Die große PR-Maschinerie, die für den neuen RAF-Film in Bewegung gesetzt wurde, hat bei mir gegriffen und mich dazu bewogen, direkt zwei Tage nach Filmstart ins Kino zu gehen. Ein sehr lohnender Besuch wie ich finde. Im Zeitraffer braust man durch die RAF-relevanten Ereignisse der Jahre 1967 bis 77. Für Zeitzeugen mag das alles zu oberflächlich, zu schnell, zu ungenau, zu sehr auf Action gemünzt sein. Mir, als jemandem, dem die Detailkenntnisse fehlen, ging das nicht so. Im Gegenteil. Das hohe Tempo und die Action des Films erzeugen ebenso eine Ahnung von der Beklemmung und Angst, die der Terror ausgelöst haben muss wie von der Dynamik, mit der die Gewalt immer weiter eskaliert. Von Sachbeschädigung bis hin zum rasenden Gemetzel bei der Schleyer-Entführung und der Entführung der Landshut.
Außerdem geht der Film darüber hinaus indem er exemplarisch am Beispiel von Ulrike Meinhof (Martina Gedeck) den Weg in den Terror auch psychologisch beschreibt. Dass hier nur eine Person ausgewählt wurde, ist zwar in gewisser Weise willkürlich und sorgt dafür, dass die Personen sehr uneinheitlich dargestellt sind, bei 123 Sprechrollen und einer Zeitspanne über 10 Jahre anders aber auch nicht machbar. Bei Martina Gedecks Meinhof aber werden die anfänglichen Skrupel und Zweifel deutlich, der Konflikt, sich gesellschaftlich engagieren zu wollen, aber nicht zu wissen wie, das Abgleiten in den Terror, die Frage nach der Verantwortung gegenüber ihren Kindern etc. Gudrun Ensslin (Johanna Wokalek) und Andreas Baader (Moritz Bleibtreu) bleiben dagegen ziemlich eindimensional. Besonders Moritz Bleibtreu macht aus Baader als chauvinistischen, brutalen Proleten ohne einen Funken Intelligenz eher eine Witzfigur, denn den zynisch-intelligenten Kopf einer Terrorgruppe.
Nichtsdestotrotz lohnt der Besuch und regt einen dazu an, sich eingehender mit der gesamten Thematik zu beschäftigen.
Rezensionen zum Film:
Der Spiegel nennt den Film eine Historienlektion ohne Haltung. – Die FAZ bezeichnet den Film als Polit-Porno, weil er nur aus Höhepunkten bestehe (Witz komm raus!). – Der ehemalige Innenminister Baum meint in der Zeit, dass der Film keine neuen Erkenntnisse bringe. (Wie auch, wenn er nach dem Buch von Aust gedreht wurde?) -
Orchesterkino
Nach den Erfolgen von Rhythm Is It und Trip to Asia scheinen Orchesterfilme Konjunktur zu haben. Heute hat der Film The Promise of Music beim Beethovenfest in Bonn Europapremiere. Es geht darin um die Vorbereitungen des Simon Bolivar Youth Orchestras unter Leitung von Gustavo Dudamel auf ein Konzert beim Beethovenfest 2007.
Im Oktober folgt dann ein weiterer Orchesterfilm: Eroica – Kent Nagano dirigiert Monumente der Klassik. Termine und Kinos findet man in diesem PDF. Der Film, dem weitere fünf folgen sollen, besteht aus einem Konzertmitschnitt, einem Dokumentarteil der das Orchester und den Dirigenten bei der Arbeit zeigt sowie Trickfilmsequenzen über den jeweiligen Komponisten enthält.
-
Kultur 2.0: Zwei Projekte zeigen, wie es geht
In Karin Janners Interviews zum Thema Online-Marketing in Kultureinrichtungen fielen die Diagnosen über den Status quo relativ ernüchternd aus. Ich habe mich dabei noch ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt und behauptet, Web 2.0 werde in fünf Jahren ganz selbstverständlicher Bestandteil der Marketingkonzeption von Kultureinrichtungen sein. Zwei kürzlich gestartete Projekte machen mir Mut, dass ich Recht haben könnte.
Das eine ist das vorgestern gestartete Blog der Duisburger Philharmoniker mit Namen dacapo. Meines Wissens der erste ambitionierte Versuch einer großen, öffentlich finanzierten Kulturinstitution in Deutschland, das Web 2.0 zu nutzen. Das Blog enthält kleinere Berichte aus der Arbeit des Orchesters, Konzertankündigungen, kurzfristige Infos zur Verfügbarkeit von Karten, Fotos und Filme von Proben etc. Um das Blog auch den weniger internetaffinen Konzertbesuchern schmackhaft zu machen, gibt es eine Nutzungsanleitung. Gute Idee. Vielleicht sollte man für die Schrift einen besseren Kontrast wählen und noch erklären, wie man sie größer stellt. Wer nicht (mehr) so gut sieht, hat sonst mit Sicherheit Probleme. Schade finde ich, dass das Blog unter eigener Domain läuft. Offenbar hat man sich noch nicht ganz getraut, den kompletten Internetauftritt der Philharmoniker entsprechend umzustellen. Aber das kann ja noch kommen. Jedenfalls sollte dieses Projekt Schule machen!
Das andere ist loge2.de, eine Kultur-Community. Wer sonst nur Kulturbanausen als Freunde hat, findet hier Gleichgesinnte, die ihn oder sie zu Kulturveranstaltungen begleiten. Außerdem kann man Veranstaltungen eintragen und bewerten und direkt Tickets buchen. Momentan liegt der Schwerpunkt noch auf Veranstaltungen in und um Berlin. Auch das ein viel versprechendes Projekt, das umso besser funktionieren wird, je mehr Leute mitmachen und vor allem auch, je mehr Kultureinrichtungen ihre Veranstaltungskalender anschlussfähig (z.B. RSS) machen.