Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Blog

  • Wagner oder Verdi? Wagner!

    Zum Start ins Verdi- und Wagner-Jubiläumsjahr fragte die ZEIT zehn Opernintendanten, wen der beiden sie für den größeren Komponisten hielten. Das Ergebnis ist nicht überraschend, wenngleich doch interessant. Acht der zehn hielten es für am diplomatischsten, beiden die gleiche Größe und Bedeutung beizumessen und liessen allenfalls noch ihre private Vorliebe durchblicken.

    Zwei Intendanten allerdings schlugen sich eindeutig auf Seiten Verdis. Sie finden seine Opern kürzer, humaner, ehrlicher, konstruktiver. Peter de Caluwe kommt sogar zu der Einschätzung, bei Verdi handele es sich um «Geschichten aus dem Leben». Als hätten die etwas in der Oper verloren. Interessanterweise sind es aber nicht die Vorzüge und Qualitäten Verdis, die sie zu dieser Einschätzung bringen: Adjektive wie «kürzer» oder «konstruktiver» sind nicht gerade erste Wahl für eine ernst gemeinte Lobeshymne. Es ist vielmehr das Missbehagen an Wagner. Das merkt man daran, dass gegen ihn verbal richtig aufgerüstet wird und es dröhnt und donnert wie bei Wagner selbst nur selten: da ist von geistiger und handwerklicher Onanie die Rede, von narzisstischem Gewaber, von Berechnung, von Leitmotiven, die uns indoktrinieren und vergewaltigen. Adornos Wagner-Kritik für BILD-Leser. (mehr …)

  • Ausgeliefert!

    Wer Kultur unter die Menschen bringt, lebt oftmals prekär. Auch bei Konsumgütern wie T-Shirts oder Turnschuhen quält es unser Gewissen nicht, dass sie unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt werden. Der Skandal an diesem Bericht über die Arbeitsbedingungen bei Kulturverteiler Amazon ist daher nicht, dass die Menschen so schlecht behandelt werden, sondern dass das neuerdings nicht mehr schön weit weg in Fernost passiert, sondern vor „unserer Haustür“.

  • Liebe auf den ersten Ton – Interview mit Daria van den Bercken

    Daria, du bist einerseits eine Konzertpianistin, die eine klassische Bilderbuchkarriere hingelegt hat: Du trittst in Konzerthallen auf, als Solistin mit Orchestern und spielst dabei das grosse bekannte Repertoire, hast Preise gewonnen und hervorragende Kritiken erhalten. Andererseits machst du auch Dinge, die man von einer klassischen Pianistin nicht erwartet. Momentan fokussierst du dich in deiner künstlerischen Arbeit auf Händel. Nicht gerade einer der einschlägigen Klavierkomponisten…

    Ich habe die Klaviermusik von Händel eher zufällig entdeckt. Ich war krank, habe im Internet gestöbert und bin auf die Noten gestoßen. Als ich es gespielt habe, hat es mich gleich total angesprochen. Es ist bis heute so, dass es sich für mich anfühlt, als würde ich diese Musik zum ersten Mal spielen. Da ist eine unglaubliche direkte emotionale Wirkung. Das war es auch, was mich gleich gefangen genommen hat: Ich spielte zuerst ein sehr ruhiges, melancholisches Stück und direkt danach ein schnelles, sehr energiegeladenes Stück. Damit hatte ich innerhalb weniger Minuten die ganze Bandbreite der Emotionen aufgespannt, die diese Musik bietet. Das hat mich sehr fasziniert und ich habe mich gefragt, warum die Werke so wenig gespielt werden. Daraus entstand die Idee für das Projekt «Handel at the piano» und meine intensive Auseinandersetzung mit der Musik. Es ist die Musik, die ich momentan besonders gern spiele und ich hoffe, dass meine Zuhörer merken, wie viel mir diese Musik bedeutet. (mehr …)

  • «Die sind korrekt!» – Interview mit Tobias Rempe

    Nach einem Monat Pause geht es weiter mit der Reihe zum Kulturunternehmertum. Diesmal mit einem Interview mit Tobias Rempe, Geschäftsführer des Ensembles Resonanz.

    Das Ensemble Resonanz ist dafür bekannt, dass es nicht nur im Konzertsaal, sondern auch an anderen Spielorten Konzerte veranstaltet. Eigentlich hat ein Konzertsaal ja eine gute Infrastruktur: Es ist ein Flügel vorhanden, es sind Künstlergarderoben da, die Akustik ist gut. Warum geht man dann an Plätze, wo das nicht vorhanden ist und dadurch auch Mehrarbeit entsteht?
    Mehrarbeit und manchmal auch mehr Kosten. Wir haben auch schon an Orten gespielt, wo wir alles selbst mitbringen mussten, also sogar die Besuchertoilette selbst aufgestellt haben. Warum macht man das? Letztlich basiert das vor allem auch auf dem Gedanken, dass man viel Publikum verpasst aufgrund der sehr festgefahrenen und sehr wenig reformierten Präsentationsform des klassischen Konzerts. Das hat mit Ritualen zu tun, mit Produktionsweisen, mit der Erscheinungsform des Orchesters. Es hat auch mit dem klassischen Konzertsaal als Veranstaltungsort zu tun. Der hat eine bestimmte Atmosphäre, ein mehr oder weniger definiertes Publikum, das dort hingeht und sich dort wohlfühlt. In Hamburg liegt er zudem in einem Stadtteil, wo abends sonst nicht viel los ist. Das sind alles Überlegungen, die einen relativ schnell dahinbringen, an anderen Orten zu spielen, gerade wenn man ein junges und neues Publikum ansprechen möchte. Das geht leichter an Orten, die anders liegen und die einen Kontrast, vielleicht eine kleine Sensation mitliefern. (mehr …)

  • Social Media-Ranking der Kulturinstitutionen

    Kaum eine Alltagsbeobachtung, die nicht irgendwann durch eine Studie bestätigt und so geadelt wird: Die deutschen Kulturinstitutionen hinken im Vergleich mit britischen und amerikanischen Kultureinrichtungen im Social Web hinterher. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Unternehmensberatung actori, die Fan- und Followerzahlen der Kultureinrichtungen unterschiedlichster Sparten in Verhältnis zur Besucherzahl auswertet. Spitzenreiter mit grossem Abstand sind die Berliner Philharmoniker, sie haben weit mehr Fans als Besucher.

    Leider ist die Studie kaum mehr als eine Zusammenstellung von verschiedenen Rankings. Dort, wo es eigentlich anfängt, spannend zu werden, wird sie einsilbig. Zum Beispiel wird das Einsparpotenzial durch Social Media thematisiert. Den Verfassern der Studie zufolge liegt es bei bis zu 15%, was bei einem Marketingbudget von einer halben Million Euro immerhin 75’000 Euro ausmachen würde. (mehr …)

  • Marketing als Beziehungsgestaltung

    Aufgrund von Platzmangel wird der nächste Artikel in der Serie Kulturunternehmertum im KM Magazin und damit auch das nächste Interview hier auf dem Blog erst im Januar erscheinen. Stattdessen möchte ich über einen Gedanken schreiben, der mich seit einiger Zeit immer häufiger beschleicht. Als ich vor zehn Jahren studiert habe, war eine Grundüberzeugung des Kulturmanagements, dass das Kulturmarketing der Produktion von Kultur nachgeordnet sei. Der von mir sehr geschätzte Peter Bendixen etwa schreibt in seinem Klassiker Einführung in das Kunst- und Kulturmanagement, dass in einem klassischen Industriebetrieb der Verwertungsprozess mit der Analyse des Absatzmarktes und der Ermittlung der Kundenbedürfnisse beginne. Im Unterschied dazu gehe der Publikationsprozess im Kulturbereich vom vorhandenen Kunstwerk aus und «tastet den Markt nach Möglichkeiten ab, dieses kulturell und gegebenenfalls auch kommerziell erfolgreich in die Öffentlichkeit zu bringen.» (S. 175f.) Ausschlaggebend für die Marketing ist damit nicht das Kundenbedürfnis, sondern das Sendungsbewusstsein der Kunst. (mehr …)

  • «Streng nach dem Lustprinzip» – Interview mit Steven Walter

    Im Rahmen der Kulturunternehmer-Interviewreihe spreche ich diesmal mit Steven Walter, dem Gründer und künstlerischen Leiter des Podium Festivals Esslingen. Das Festival hat sich zum Ziel gesetzt, neue Aufführungsformate für die klassische Musik zu entwickeln.

    Es gibt Musikfestivals zuhauf. Was war der Antrieb, ein weiteres zu gründen?
    Es ging zunächst nicht vornehmlich darum, ein Festival zu gründen. Ziel war, das „klassisch“ genannte Konzert neu zu denken und eigene Ideen umzusetzen, also ein Podium für Konzertinnovationen zu schaffen. Das Festival hat sich dann einfach als brauchbares Format für ein solches Laboratorium erwiesen. Antrieb war also nicht, einfach noch ein Festival zu gründen, sondern neue Ideen, Inhalte und Strukturen zu entwickeln.

    Mit Blick auf die Frage des Kulturunternehmertums interessiert mich Ihre Herangehensweise. Wie sind Sie vorgegangen, um Ihre Idee zu realisieren? 
    Wir sind streng nach dem Lustprinzip vorgegangen. Das Potential, Menschen auf ein gemeinsames Ziel zu synchronisieren, kommt aus gemeinsam angestrebten Inhalten. Wir waren einfach ein Haufen Freunde, die Lust auf Initiative und Eigenständigkeit hatten. (mehr …)

  • Toi toi toi – Aberglaube im Dienst der Aufklärung

    Eins meiner Lieblingsthemen in diesem Blog ist ja der Widerspruch des Theaters, einerseits aufklärerisches Forum und Demokratieschule sein zu wollen und andererseits wie keine andere Institution alten, vordemokratischen Strukturen zu huldigen und anachronistische Medientechnologie zu verwenden. In diesen Widerspruch passt auch der ausufernde Aberglaube, der bis heute am Theater kultiviert wird und so gar nicht zu dem aufgeklärten Anspruch passen will. Da wird zum Beispiel das abergläubische Ritual betrieben, sich vor einer Premiere drei Mal über die linke Schulter zu spucken oder «Toi toi toi!» zu rufen, um den Neid böser Geister zu bannen bzw. den Teufel fern zu halten. Für einen Ahnungslosen ein Minenfeld. Denn man muss wissen, dass man auf solchen Wunsch weder mit einem Danke antworten noch sich in der Schulter irren darf, wenn man das Unheil nicht geradewegs heraufbeschwören möchte. Aber von welcher Perspektive aus ist links eigentlich gemeint? Aus Sicht des Spuckers oder des Bespuckten? (mehr …)

  • «Mit offenen Flügeln spielen» – Interview mit Meret Lüthi

    Im Rahmen der Serie zum Kulturunternehmertum im KM Magazin veröffentliche ich heute ein Interview mit der Geigerin und Orchesterleiterin Meret Lüthi. Das Interview habe ich in Hinblick auf den Artikel zum Thema «Führung und Zusammenarbeit» geführt: Wie führt man ein Team aus hochqualifizierten Freiberuflern, die einen hohen Anspruch an sich und ihre Arbeit haben? Den Artikel, in dem ich meine Schlussfolgerungen aus diesem Interview darstelle, erscheint in der nächsten Ausgabe des KM Magazins.
    Meret Lüthi ist künstlerische Leiterin des Berner Orchesters Les Passions de l’Ame, das 2008 gegründet wurde. Das Orchester führt Musik des 17. und 18. Jahrhunderts in historisch informierter Aufführungspraxis auf. Es besteht aus einem Stamm von vierzehn freiberuflichen Musikern, die für ca. sechs Konzertprojekte pro Saison zusammenkommen. Meret Lüthi leitet die Konzerte von der Position der Konzertmeisterin aus.

    Wie kommt man auf die Idee ein Orchester zu gründen? Ist das zusammen mit anderen entstanden oder hast du Leute gesucht, die zusammen mit dir deine Idee verwirklichen?
    Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Ich habe die Idee geäußert, aber zugleich waren wir zuerst eine kleine Gruppe von drei Musikern, einem Coach und einer Kulturmanagerin, die das erste Projekt realisiert hat. Für dieses erste Projekt haben wir es uns nicht zugetraut, die musikalische Leitung selbst zu übernehmen und daher haben wir diese einem erfahrenen Coach im Bereich der historisch informierten Performance anvertraut. Nach dem ersten Projekt habe ich die musikalische Leitung übernommen und bin während der folgenden Projekte mehr und mehr in dieses Amt hineingewachsen. Seit dem vierten Projekt – das war 2009 – haben wir die gleiche Stammbesetzung und seitdem hat das Orchester auch seine eigene künstlerische Handschrift. (mehr …)

  • «Einfach machen!» – Interview premiertone

    Im Sommer habe ich eine Serie gestartet mit Interviews mit jungen Kulturunternehmern. In der ersten Ausgabe gabs ein Interview mit den Machern des Theaterkalenders Puck. Heute folgt die Fortsetzung mit einem Interview mit Julia Kadar und Anke Fehring, den Gründerinnen von premiertone. Premiertone ist eine Agentur, die Websites für Künstler erstellt und hostet.

    Diese Kulturunternehmer-Interviews sind eingebettet in ein größeres Projekt, das ich gemeinsam mit dem KM Magazin gestartet habe. Dort ist in der aktuellen Ausgabe ein allgemeiner, einführender Artikel zu Kulturunternehmertum von mir erschienen. Ab der nächsten Ausgabe wird es im KM Magazin eine Serie von kurzen Fallstudien mit Kulturunternehmern und weiteren Interviews hier im Blog geben.

    premiertone bietet einen professionellen Web-Auftritt für Musiker plus weitere Serviceangebote wie PR und Sekretariat. Wie genau kann ich mir das vorstellen und für wen ist das interessant?
    Die Struktur unserer Websites ist speziell auf klassische Musiker zugeschnitten, bietet also alles, was eine professionelle Musiker-Website benötigt. Wir arbeiten grundsätzlich mit einer Art «Baukastensystem», mit dem wir neun farblich variable Designs zu sehr günstigen Preisen anbieten können. Aber auch individuell gestaltete Designs können wir in unser CMS einprogrammieren. (mehr …)