Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Kategorie: Kulturarbeit

  • Vergütungsumfrage im britischen Kultursektor

    Quasi als Nachtrag zum letzten Beitrag noch ein Verweis auf eine britische Vergütungsumfrage unter Kulturschaffenden (gibt’s eigentlich wirklich kein besseres Wort?!?). Diese zeigt ein ähnliches Bild wie die theaterjobs.de-Umfrage, umfasst jedoch den gesamten Kultursektor, nicht nur den Theaterbereich: Trotz in der Regel hoher Qualifikation sind Verdienst und Verdienstaussichten bescheiden. Das durchschnittliche Jahreseinkommen eines britischen Kulturarbeiters beträgt knapp 20.000 Pfund (ca. 24.000 EUR) und die Befragten gehen davon aus, dass sich das auch nicht wesentlich verändern wird. So weit, so wenig überraschend. Aufschlussreicher ist das Profil des typischen Kulturschaffenden:

    The survey found the profile of a typical person participating in the arts sector is a female (Anm.: Der Frauenanteil im britischen Kultursektor beträgt gem. dieser Befragung 77%!), aged 34.5 who lives in London, is highly educated with a minimum of a undergraduate degree, and probably a post-graduate degree. (…) She is motivated not by money but by her passion for the arts and overall enjoys good job satisfaction.

    Diese Ergebnisse machen einerseits deutlich, dass Frauen nicht aufgrund struktureller Diskriminierung in der schlecht zahlenden Kulturbranche arbeiten (müssen), sondern es aufgrund von persönlicher Neigung und selbstbestimmten Entscheidungen tun. Und sie machen andererseits deutlich, dass der Gender Pay Gap damit zu tun hat, dass schlecht zahlende Branchen offenbar Arbeit zu bieten haben, die insbesondere Frauen attraktiv finden.

  • Vergütungsumfrage von theaterjobs.de

    Gerade stieß ich auf eine Vergütungsumfrage unter sogenannten «Theaterschaffenden», die es amtlich macht: am Theater wird man nicht reich – zumindest nicht reich an Geld. Durchgeführt wurde die Umfrage von theaterjobs.de. In der Auswertung werden verschiedene Berufsgruppen am Theater in Hinblick auf einige Kriterien wie den mittleren Verdienst, Einkommensunterschiede bei Männern und Frauen und selbständige und unselbständige Beschäftigungsverhältnisse untersucht. Die Ergebnisse kommentiert Sören Fenner, Geschäftsführer von theaterjobs.de, wie folgt:

    Unsere befragten Theaterleute verdienen wenig, haben unsichere Beschäftigungsverhältnisse und Frauen verdienen deutlich weniger als Männer. Gleichzeitig werden auf dieser Basis Inszenierungen produziert, die ethische Grundwerte wie Gleichheit, Gerechtigkeit und Verantwortung an ihr Publikum vermitteln. Wie passt das zusammen?

    Ulf Schmidt hat diesen Widerspruch einmal mit den Worten vom «Theater als moralischer Anstalt und unmoralischem Unternehmen» auf den Punkt gebracht. Dass die Zahl der deutlich schlechter bezahlten Freiberufler in den letzten Jahren rasant gestiegen ist, passt da nur ins Bild.

    Leider lässt sich aus der Auswertung der Umfrage nicht viel mehr ablesen, als ebendiese wenig überraschenden Feststellungen. Und richtiggehend unsinnig wird es bei der Bewertung der Einkommensunterschiede von Männern und Frauen. Hier wird der gleiche Fehler gemacht wie beim Gender Pay Gap, der angeblich über 20 % betragen soll, wenn sauber gerechnet wird aber nur 2% beträgt: In der Umfrage wurde offenbar weder nach dem Arbeitspensum (Vollzeit, Teilzeit?) noch nach Hierarchiestufe und Karrierelevel (Führungs- oder Budgetverantwortung?) oder Berufserfahrung gefragt. Dementsprechend mangelt es den Zahlen an Aussagekraft. Bei den freiberuflich arbeitenden Autoren scheint die Schere besonders groß zu sein: Laut der Umfrage erhalten weibliche Autoren nur 43% des Stundenlohns männlicher Kollegen. «Negativrekord in Sachen Geschlechtergerechtigkeit» heißt es dazu. Eine Aussage, die nur Sinn ergeben würden, wenn ein und derselbe Auftraggeber diese unterschiedlichen Stundenlöhne zahlen würde. Wenn es sich zum Beispiel zeigen würde, dass weibliche Autoren eher für die freie Szene schreiben und männliche Autoren eher für die öffentlich finanzierten Häuser, dann wäre der Pay Gap schnell erklärt. Am Ende überwiegt doch der Eindruck, dass am Theater nur wenige bekommen, was sie verdienen und ein mehr oder weniger großer Teil des Lohn in Form unsicherer Hoffnung auf Selbstverwirklichung ausgezahlt wird.

  • Theater als das schlechte Gewissen der anderen

    Die Theater scheinen für die Kulturwelt das zu sein, was die Grünen in der Politik sind: das schlechte Gewissen der anderen. Diese Schlussfolgerung legt ein Fall nahe, der sich kürzlich am Burgtheater ereignete. Anlässlich des 125-jährigen Geburtstags wurde dort ein Kongress veranstaltet mit dem Titel «Von welchem Theater träumen wir?» Ein Billetteur, so nennt man in Österreich offenbar den Zuschauerdienst, verstand diese rhetorische Frage absichtlich miss und versuchte eine kurze Pause zu nutzen, um in einer kurzen Ansprache das Theater zu schildern, von dem er träumt: Eines, zu dem die Billetteure dazugehören und nicht in ein Sicherheitsunternehmen ausgelagert sind, das wohl nicht im Burgtheater, aber an vielen anderen Orten offenbar in massive Menschenrechtsverletzungen involviert ist. Auf youtube findet man den Versuch, die Rede zu halten, auf nachtkritik.de dann die schriftliche Version der Performance, die geplant war und die mehr als unglückliche Antwort des Burgtheaters darauf. Ausserdem eine Reihe von Kommentaren, in denen diese Antwort auseinander genommen wird und dem Billetteur zu seinem Mut gratuliert wird. Angesichts der Selbstgerechtigkeit, die einen aus der Erklärung der Theaterleitung anspringt, bleibt mir die Frage: Wie kommt es, dass Theater einerseits lautstark beanspruchen, unverzichtbare kritische Instanz der Gesellschaft zu sein, ihr den Spiegel vorzuhalten und so weiter und andererseits noch nicht einmal dann merken, wie schlecht vor der Tür des Glashauses gekehrt worden ist, in dem sie selbst sitzen, wenn sie mit der Nase in diesen Dreck gestossen werden. Dieser Eindruck muss ja zumindest entstehen, wenn man so wenig auf die inhaltlichen Vorwürfe eingeht. «Illusion ist immer noch das Kerngeschäft des Theaters, so sehr mir da einige widersprechen werden», schreibt Frederik Tidén. «Die Illusion des trompe l’oeil und der vierten Wand ist nur einer anderen Illusion gewichen: Der Illusion auf der richtigen Seite zu stehen.»

    Nachtrag vom 19. Oktober: nachtkritik.de führte noch ein kurzes Interview mit Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann zu dem Fall. Vielsagend ist die Antwort auf die Frage, wie sich neoliberales Geschäftsgebahren und utopisches Moment des Theaters vereinbaren lassen. Hartmann spielt der Politik den schwarzen Peter zu und verweigert jede unternehmerische Verantwortung für das Haus, das er leitet. Mit dieser Haltung haben sich Kultureinrichtungen vielleicht in den 1970er Jahren führen lassen, heute kostet sie das Theater seine (mittelfristige) Zukunft.

  • Frauenquote im Kulturbereich?

    Dass Kultur im Bundestagswahlkampf praktisch keine Rolle gespielt hat, liegt in der Natur der Kulturfinanzierung in Deutschland begründet: sie ist Kommunen- und Ländersache. Insofern verwundert es nicht, dass kaum eine der fünf (nunmehr vier) großen Parteien der Kultur mehr als zwei Seiten ihres Wahlprogramms gewidmet hat. Kulturmanagement-Network hat sich dennoch die Mühe gemacht und die Positionen in einer Serie dargestellt. Aufgrund des mauen Interesses und der geringen Bedeutung der Kulturpolitik in der Bundespolitik blieb eine Meldung fast völlig unbeachtet, die jedoch eigentlich einige grundsätzliche Überlegungen provoziert. Und zwar forderte Jürgen Trittin im Namen der Grünen eine Frauenquote für Kulturberufe. Auf den ersten Blick betrachtet hat diese Forderung zumindest mehr Sinn, als Privatunternehmen eine solche Quote aufzuzwingen. Schliesslich leben viele grosse Kultureinrichtungen von staatlichem Geld. Die Vertragsfreiheit, wie sie für private Unternehmen gilt, steht hier also ohnehin unter einem gewissen Vorbehalt politischer Zielsetzungen. Warum also nicht auch unter dem Vorbehalt einer Frauenquote?

    (mehr …)

  • Oper Frankfurt: Gleiche Leistung bei weniger Kosten

    Die Neue Musikzeitung berichtet:

    Nach der Ankündigung der Stadt Frankfurt, die Kulturausgaben zu reduzieren, hat sich Opernintendant Bernd Loebe kämpferisch gezeigt. Sein Haus werde auch weiterhin das gewohnt hohe Niveau halten, versprach er am Mittwoch in Frankfurt.

    … und gibt damit der Entscheidung der Stadt Frankfurt recht. Wenn das gleiche Niveau auch für 1,1 Mio. Euro weniger zu haben ist, dann ist das Geld anderswo besser angelegt.

  • Equal Pay Day für Kulturberufe

    An der Berichterstattung zum Equal Pay Day am 21. März konnte man sehen, dass selbst den sog. Qualitätsmedien kein Argument zu abenteuerlich ist, um den angeblichen Gender Pay Gap zu belegen. Was von diesem übrig bleibt, wenn man die Ideologie einmal ausblendet und sich allein mit den Fakten beschäftigt, hat Michael Klein in mehreren Beiträgen (1, 2, 3) auf Sciencefiles stichhaltig gezeigt – nämlich praktisch gar nichts. Die unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen ist nicht das Ergebnis struktureller Diskriminierung, sondern von individuellen Lebensentscheidungen, heisst es dort zusammenfassend. (Sehr aufschlussreich ist hierzu die Präferenztheorie von Catherine Hakim.)

    Das Geschlechterverhältnis in der schlecht zahlenden Kulturbranche bestätigt das beispielhaft. Sowohl Frauen wie auch Männer werden hier vergleichsweise schlecht bezahlt, allerdings entscheiden sich mehr Frauen für einen Beruf in dieser Branche. Allerdings wird der geringe Männeranteil in der Kulturbranche kaum je problematisiert, von Quotenforderungen natürlich ganz zu schweigen. Eine Ausnahme machte vor einiger Zeit Nina Simon mit einem Blogpost, in dem sie sich mit der Frage beschäftigte, ob das Geschlechterungleichgewicht in Kultureinrichtungen nicht ein Problem sei oder zumindest werden könnte.

    Without this most basic kind of diversity on staff, people make myopic decisions that are biased towards certain audiences types. Just as a male-dominated tech industry created a hugely celebrated device that women thought sounded like a menstrual management product (the iPad), a female-dominated museum and library industry leads to a narrow set of preconceptions when it comes to program development and design. I’ve had plenty of meetings where we had to remind ourselves that we couldn’t just create craft activities just for women and no there would not be hearts on the walls in the Love Exhibition.

    Im Weiteren stellt Simon die Frage, wie gross dieses Problem tatsächlich sei. Möglicherweise reiche es schon aus, die Interessen von Minderheiten (im Museumsfall nicht nur Männer, sondern z.B. auch Menschen mit Migrationshintergrund oder geringer Bildung) durch geeignete Prozesse in die Programmentwicklung und -gestaltung einzubeziehen. Möglicherweise könnte es aber auch zum grundlegenden Problem werden, wenn bestimmte Kunstgattungen zur reinen Frauensache würden. Beim Ballett sei das heute schon weitgehend der Fall.

    Nach meinem Eindruck ist der geringe Männeranteil in der klassischen Kulturbranche zwar eigenartig, aber (noch) kein zentrales Problem. Da gibt es andere Baustellen, die dringender bearbeitet werden müssen. Zum Beispiel die chronisch schwierige Finanzlage oder die Schwierigkeit, junges Publikum für die eigene Arbeit zu begeistern. Was der Debatte aber auf jeden Fall sehr gut tut, ist die entspannte Selbstironie, mit der Simon an das Thema geht; sie würde der Geschlechterdebatte insgesamt gut tun. Darüber hinaus wäre es zu begrüssen, wenn der nächste Equal Pay Day auf eine bessere Bezahlung von Kulturberufen hinwirken würde – etwa eine, die der Vergütung im öffentlichen Dienst entspricht.

  • Toi toi toi – Aberglaube im Dienst der Aufklärung

    Eins meiner Lieblingsthemen in diesem Blog ist ja der Widerspruch des Theaters, einerseits aufklärerisches Forum und Demokratieschule sein zu wollen und andererseits wie keine andere Institution alten, vordemokratischen Strukturen zu huldigen und anachronistische Medientechnologie zu verwenden. In diesen Widerspruch passt auch der ausufernde Aberglaube, der bis heute am Theater kultiviert wird und so gar nicht zu dem aufgeklärten Anspruch passen will. Da wird zum Beispiel das abergläubische Ritual betrieben, sich vor einer Premiere drei Mal über die linke Schulter zu spucken oder «Toi toi toi!» zu rufen, um den Neid böser Geister zu bannen bzw. den Teufel fern zu halten. Für einen Ahnungslosen ein Minenfeld. Denn man muss wissen, dass man auf solchen Wunsch weder mit einem Danke antworten noch sich in der Schulter irren darf, wenn man das Unheil nicht geradewegs heraufbeschwören möchte. Aber von welcher Perspektive aus ist links eigentlich gemeint? Aus Sicht des Spuckers oder des Bespuckten? (mehr …)

  • «Einfach machen!» – Interview premiertone

    Im Sommer habe ich eine Serie gestartet mit Interviews mit jungen Kulturunternehmern. In der ersten Ausgabe gabs ein Interview mit den Machern des Theaterkalenders Puck. Heute folgt die Fortsetzung mit einem Interview mit Julia Kadar und Anke Fehring, den Gründerinnen von premiertone. Premiertone ist eine Agentur, die Websites für Künstler erstellt und hostet.

    Diese Kulturunternehmer-Interviews sind eingebettet in ein größeres Projekt, das ich gemeinsam mit dem KM Magazin gestartet habe. Dort ist in der aktuellen Ausgabe ein allgemeiner, einführender Artikel zu Kulturunternehmertum von mir erschienen. Ab der nächsten Ausgabe wird es im KM Magazin eine Serie von kurzen Fallstudien mit Kulturunternehmern und weiteren Interviews hier im Blog geben.

    premiertone bietet einen professionellen Web-Auftritt für Musiker plus weitere Serviceangebote wie PR und Sekretariat. Wie genau kann ich mir das vorstellen und für wen ist das interessant?
    Die Struktur unserer Websites ist speziell auf klassische Musiker zugeschnitten, bietet also alles, was eine professionelle Musiker-Website benötigt. Wir arbeiten grundsätzlich mit einer Art «Baukastensystem», mit dem wir neun farblich variable Designs zu sehr günstigen Preisen anbieten können. Aber auch individuell gestaltete Designs können wir in unser CMS einprogrammieren. (mehr …)

  • Künstlereinkommen: Froh zu sein bedarf es wenig

    Petitionen haben gerade Konjunktur. Erst die Orchester, dann die Urheber, schließlich die Selbständigen. Die wehren sich gegen eine von Ursula von der Leyen geplante Rentenreform, bei der Selbständige einen einkommensunabhängigen Beitrag in Höhe von ca. 400 EUR leisten sollen. Es ist klar, dass dies für diejenigen, die noch nicht so dick im Geschäft sind, ein hoher Betrag ist, der erstmal bestritten werden will. Dieser Entwurf betrifft auch zahlreiche Kreative und Künstler. Zwar haben die die Möglichkeit, in die Künstlersozialkasse einzutreten, die quasi den Arbeitnehmerbeitrag der Sozialversicherungen übernimmt. Viele Künstler – gerade diejenigen, die wirklich innovativ sind – scheitern aber oftmals am Kunstbegriff der Künstlersozialkasse, der offenbar nicht ganz Schritt gehalten hat mit der Zeit: (mehr …)

  • Mind the gap: Unternehmensethischer Anspruch und Realität an Theatern

    Auf Postdramatiker wurde gerade eine wissenschaftliche Arbeit rezensiert, die sich mit Unternehmensethik im Kulturbetrieb, speziell in Theatern, beschäftigt. Der Autor Daniel Ris hat dazu u.a. eine Reihe von Theater-Intendanten befragt, wie sie es mit dieser Frage an ihrem Haus halten. Eine zentrale Erkenntnis aus diesen Interviews ist, das fast ausnahmslos ein krasser Widerspruch besteht zwischen dem ethischen Anspruch, der auf der Bühne formuliert wird – Stichwort: Theater als moralische Anstalt – und der Realität, die in Bezug auf Arbeitsbedingungen, Organisationsstruktur etc. gelebt wird. Diese Erkenntnis ist eigentlich nicht so erstaunlich. Erstaunlich ist eher, dass dieser Widerspruch praktisch allen befragten Intendanten bewusst zu sein scheint. Trotzdem stellt offenbar keiner Überlegungen an, wie sein Betrieb diesbezüglich zu modernisieren wäre, sondern zieht sich auf das intelligenten Menschen eigentlich nicht würdige Argument zurück, es gehe halt nicht anders, die Qualität des Theaters würde sonst darunter leiden. (mehr …)