Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Kategorie: Musik

  • Mozart und Salieri-Blog

    Christian Henner-Fehr hat das längst überfällige erste deutsche Theaterproduktionsblog entdeckt. Zu der Produktion »Mozart und Salieri« (Rimskij-Korsakow) der Hamburger Musikhochschule gibt es ein begleitendes Blog. Bislang wurde das Produktionsteam vorgestellt. Richtig interessant werden dürfte es mit den ersten Probenberichten werden, die für 10. September ff. angekündigt sind. Interessant, weil erst damit ein Unterschied zu einer herkömmlichen Website besteht und weil es der für Theaterleute ungewohnten, für Web 2.0-Kommunikation aber typischen Offenheit bedarf. Mal sehen, wie es gelingt. Eine gute Idee auf jeden Fall!

  • Immer noch Sommerloch

    Nachdem Katharina Wagner sich im Sommer mit ihrer Meistersinger-Inszenierung über Hans Sachs‘ Schlussansprache aufgeregt hat, und damit zum 42.345. Mal die »unbequeme« Frage nach Wagners Nähe zum Nationalsozialismus gestellt hat, ist jetzt mal wieder Rudolf Steiner dran.

    Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat nämlich gerade überlegt, zwei seiner Bücher auf den Index zu setzen, wegen angeblich rassistischen Inhalts. Den Jugendlichen hätte ich gerne mal gesehen, der »Die Mission einzelner Volksseelen im Zusammenhang mit der germanisch-nordischen Mythologie« und »Geisteswissenschaftliche Menschenkunde« liest und wegen ein paar zweifelhafter Stellen zum rassistischen Hassprediger wird. Jetzt ist das Thema aber vom Tisch, weil der Rudolf-Steiner-Verlag zugesichert hat, einen kritischen Kommentar in die Neuauflage aufzunehmen. Hoffentlich werden die minderjährigen Steiner-Jünger diesen Kommentar genauso gründlich lesen wie die Bücher selbst und sich auf diese Weise vor ideologischer Desorientierung schützen. Tsss!!

    P.S.:Wer an einer differenzierten Bewertung der fraglichen Stellen interessiert ist – jenseits der tendenziösen Berichterstattung z.B. des Spiegelsklicke hier. Fazit:

    Die Zahl der Seiten, auf der Aussagen vorkommen, die als diskriminierend erlebt werden können, umfaßt weniger als ein Promille der gut 89.000 Seiten umfassenden Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe. Anthroposophie und Sozialdarwinismus widersprechen sich. Unterstellungen, Rassismus wäre der Anthroposophie inhärent oder Steiner wäre in konzeptioneller Hinsicht ein Wegbereiter des Holocaust, haben sich als kategorisch unrichtig erwiesen. Die Kommission kommt zu der festen Überzeugung, dass Rudolf Steiner im Vergleich zu anderen Vorkriegsautoren und Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts (etwa Hegel oder Albert Schweitzer) das Opfer selektiver Entrüstung geworden ist.

  • Früher war alles besser

    Gestern in München habe ich gleich die kompletten bis jetzt verfügbaren Folgen von Ein Kontrabass spielt (selten) allein gehört. Wie ich schon sagte, ist es ein wirklich netter, unterhaltsamer und empfehlenswerter Podcast. Allerdings sollte man vielleicht nicht alles hintereinander weghören, denn mir ging irgendwann der ständige Lobgesang auf die guten alten Zeiten, in denen es noch richtige Dirigenten wie Karajan oder Furtwängler gab, etwas auf den Keks. Wie war das doch schön und vor allem so originell, wenn Karajan unzufrieden war und dem Orchester androhte, es zusammenbinden, mit Benzin übergießen und anzünden zu wollen! Heute dagegen machen die Dirigenten auf Kumpel und wollen, dass man sie Claudio nennt.

  • Schrumm schrumm

    Ein Kontrabass spielt (selten) allein. Bernd Röthlingshöfer ist vor einiger Zeit drauf gestoßen – bei der Suche nach dem ältesten Blogger. Friedrich Witt, der das Blog/den Podcast betreibt und darin aus seiner Zeit als Solobassist der Berliner Philharmoniker erzählt, ist immerhin 77 Jahre alt. Ich bin erst jetzt dazu gekommen, mal reinzuhören und bin begeistert! Ich habe mir gleich alle Episoden auf den iPod gezogen und freue mich morgen auf München, wo ich sicher einige Folgen werde hören können. Aber auch für Personen ohne ausgeprägtes Faible für Orchester und Dirigenten ist es sicher sehr nett und interessant, nicht zuletzt wegen der Kontrabasseinlagen. Denn der Titel bringt es auf den Punkt: Wann hört man schon mal einen Kontrabass allein?

  • Lots of love to Steve!

    Steve Vai ist ja so cool!! Bei seinem Ulmer Konzert vor einigen Wochen hat er ein junges Mädel auf die Bühne geholt und mit ihr zusammen »Answers« gespielt. Wie man bei youtube und myspace sehen kann, meistert »Yasi« mit ihren 14 Jahren die gitarristischen Herausforderungen von Vais Songs ziemlich perfekt. Irgendwie witzig, wie sich bei ihr boygroupfanartiges Verhalten (siehe das selbstgemalte Plakat im Hintergrund) mit virtuoser Spieltechnik paart.

  • Sound Theories Vol. 1 & 2

    Sound Theories Vol. 1 & 2Mittlerweile ist das Orchester-Doppel-Album von Steve Vai erschienen und ich muss meine damals geäußerte Enttäuschung über »For The Love Of God« etwas revidieren. Das Stück ist natürlich nicht besser geworden, aber es ist nicht repräsentativ für das Album, wie ich schon zu befürchten geneigt war. Eher nur für Vol. 1, das bekannte Vai-Songs enthält, vom Meister selbst gespielt, aber eben orchestral aufgemotzt. Allerdings sind die Stücke zum überwiegenden Teil deutlich origineller orchestriert als »For The Love of God« und wie ich schon in dem Eintrag vom Mai gehofft hatte, merkt man immer wieder die Zappa-Einflüsse. Ein gutes Beispiel ist die Neuinterpretation von »Kill The Guy With The Ball« (Alien Love Secrets), die man sich anhören kann, indem man bei youtube den Titel in die Suche eingibt und das oberste Suchergebnis anklickt.

    Vol 2. besteht dann aus richtigen Orchesterkompositionen, die interessanterweise zum großen Teil schon Anfang der 80er Jahre entstanden sind. Nach dem ersten Hören würde ich jetzt nicht so weit gehen zu sagen, dass Steve Vai ein genialer Orchesterkomponist ist, dazu ist das ganze zu simpel konstruiert, zu collagenhaft und zu wenig konsistent. Aber schlecht ist es auch nicht, und ich habe den Verdacht, dass es mir immer besser gefallen wird, je öfter ich es höre. Auf jeden Fall kann man wohl sagen, dass es von allen Orchesterprojekten von Rockbands oder -musikern das avancierteste, individuellste und originellste ist. Weniger hätte es bei Steve Vai aber auch nicht sein dürfen.

  • Wagner satt

    Heute gab (und gibt es noch) Wagners Ring auf 3sat. Nonstop von morgens um 9 bis Mitternacht. Und zwar in den vielgerühmten Stuttgarter Inszenierungen von Joachim Schlömer (Das Rheingold), Christof Nel (Die Walküre), Jossi Wieler/Sergio Morabito (Siegfried) und Peter Konwitschny (Götterdämmerung).

    Ich habe mich bei der Walküre reingeschaltet und es seitdem nebenbei immer mal wieder verfolgt. So vom Bildschirm aus hat mich das Ganze aber weder musikalisch noch szenisch überzeugt oder auch nur angesprochen. Ich hätte ja nicht gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber am besten gefällt mir noch die Konwitschny-Inszenierung, die etwas albern, aber deswegen eben auch unterhaltsam ist. Z.B. schickt Brünnhilde Siegfried im Bärenfell und mit Steckenpferd auf die Rheinfahrt. Und Waltraute seilt sich, mit klassischem Walkürenhelm und -panzer bekleidet (»so wie Wagner es wollte«), aus dem Schnürboden ab, um mit Brünnhilde Sektimbiss abzuhalten. Mal unabhängig davon, dass es sich hierbei natürlich genau um den von Werner Schneyder gemeinten überdotierten Schwachsinn handelt, ist es eben immerhin einigermaßen amüsant.

    Um die öffentliche Finanzierung dieses Rings zu legitimieren hat Klaus Zehelein natürlich noch ein paar gedrechselte Dramaturgenphrasen beigegeben. »Die Welt scheint in einem Anlauf nicht mehr darstellbar« heißt es auf der Website. Deswegen also vier verschiedene Regieteams. Und weiter: »Diesem ‚Zerfall der Totalen‘ sah sich die Stuttgarter Arbeit verpflichtet.« Nee, is klar.

    Bei Dieter-David Scholz gibt es zu den Mitschnitten eine lesenswerte Rezension, der ich nach meinen Eindrücken nur zustimmen kann. Die gesangliche Mittelmäßigkeit, die er anspricht, ist wirklich auffällig. Für die meisten Sänger scheint es einfach darum zu gehen, irgendwie bis zum Schluss durch zu kommen. Und unterm Strich bleibt die Frage: Was sagt dieser Ring eigentlich (neues)?

  • Surftipp

    Die Seite von Dieter-David Scholz ist eine echte (Wieder-)Entdeckung. War schon lange nicht mehr drauf und habe jetzt viele höchst interessante Berichte gefunden, vor allem über Wagner.

    Zum Beispiel ein höchst aufschlussreiches Interview mit Brigitte Hamann über ihr Buch »Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth«. Dort geht es natürlich vor allem um Winifreds Verhältnis zu Hitler und zum Nationalsozialismus, aber auch um Wieland Wagners bis heute ziemlich tot geschwiegene Nazi-Vergangenheit. Er konnte später nur deshalb glaubwürdig zum Entnazifizierer Bayreuths werden, weil seine Mutter die gesamte Schuld auf sich genommen hat.

    Schön zu lesen ist aber auch die Kritik über das Buch von Axel Brüggemann, das ich zwar selbst nicht kenne, über das ich aber an anderer kompetenter Stelle ebenfalls schon einen saftigen Verriss gelesen habe. Wobei: kann man von einem Verriss sprechen, wenn fachliche Fehler und Halb- und Unwahrheiten benannt werden? Peinlich, dass ausgerechnet Bärenreiter solch einen Ausfall im Programm führt.

    Aber auch sonst sind dort etliche gut geschriebene, sehr interessante Texte zum Thema Musik, Oper und Aufführungskultur zu finden.

  • Hollywood avant la lettre

    Nochmal zum Thema Oper und moderne Technik. Gerade bin ich auf der Seite von Dieter David Scholz auf einen Buchtipp gestoßen, der extrem interessant klingt: »Filmpreis für Wagner. Eine zeitgemäße Betrachtung seines Theaters« von Eric Schulz, einem Musiktheaterregie-Absolventen der Hamburger Musikhochschule. Leider ist das Buch mit 49 Euro für 111 Seiten verdammt teuer. Allerdings gibt es bei Amazon auch eine E-Book-Fassung 19,99 Euro plus Versandkosten. (Für ein E-Book?!?)

    Scholz schreibt:

    In ihm lotet er (E. Schulz) konsequent Wagners Nähe zum Film aus und interpretiert das »Kunstwerk der Zukunft« als eine das Illusionstheater des 19. Jahrhunderts übersteigende Utopie, ja als Vorwegnahme von Ideen filmischer und elektronischer Medien.

    Dieses Buch wollte ich doch schreiben! Verdammt! 🙂 Ich hätte es allerdings »Hollywood avant la lettre« genannt. (Jetzt kann ich immerhin mal einen Blog-Eintrag so nennen.) Das ist ein Zitat aus der Berliner Antrittsvorlesung von Friedrich Kittler in der er die These vertritt, dass Wagners Musiktheater Hollywood »avant la lettre«, d.h. bevor es diesen Begriff überhaupt gab, ist. Also das, was Adorno, Eisler und Wieland Wagner ja auch schon gesagt haben (s. Scholz), aber nicht wie Kittler unter einem diskursanalytischen Blickwinkel. Das ist allerdings sehr interessant und originell.

    Tja, dann werde ich eben darüber schreiben müssen, inwieweit Wagner in seinen Vorstellungen das vergesellschaftete Kunstwerk vorweggenommen hat, dass jetzt im Web 2.0 greifbare Option wird. 🙂

  • Speisung der 7.000

    Bregenz lebt natürlich von den Festspielen. Das merkt man insbesondere in den Stunden vor den Aufführungen auf der Seebühne, wo nicht daran zu denken ist, im näheren Umkreis irgendwo einen Tisch in einem Restaurant oder Café zu bekommen. Immerhin passen 7.000 Personen auf die Seetribüne. (Ich habe mich gefragt, wie das gehen soll, wenn die Vorstellung bei schlechtem Wetter ins Festspielhaus verlegt wird, das vielleicht allerhöchstens 2.000 Leute fasst?!?)

    Wir haben uns Tosca auf der Seebühne allerdings nicht angeguckt, da wir die Preise zu hoch fanden. Inbesondere deswegen, weil klassische Musik unter freiem Himmel in den seltensten Fällen ein Genuss ist. Allerdings habe ich nachher überlegt, ob es nicht doch ein Erlebnis gewesen wäre, als ich gelesen habe, dass man in Bregenz ein eigenes, hochkomplexes Soundsystem entwickelt hat, mit dem Orchester und Sänger verstärkt werden und das sozusagen als eigenes Instrument eingesetzt wird. Laut Aussage des Dirigenten lassen sich damit spektakuläre Effekte erzeugen. Das hätte zumindest mal interessant sein können, ob hier nicht ein viel versprechender Berührungspunkt zwischen moderner Technik und der musealen Kunstform Oper liegt, die ja normalerweise mit einem denkbar altertümlichen Apparat aufgeführt wird.

    Wie auch immer, wir haben wir uns stattdessen ein Konzert mit dem hervorragenden (Knaben-)Chor des St. John’s College, Cambridge, angehört. Der erste Teil bestand aus Musik von Purcell, die ich langweiliger als erwartet fand, der zweite Teil vor allem aus Brittens »Ceremony of Carols« für Chor und Harfe, die wirklich großartig ist.