Christian Holst

Kulturmanagement :: Kulturmarketing :: Digitale Transformation


Schlagwort: Armin Klein

  • Führung im Kulturbetrieb I

    Vor einiger Zeit rezensierte Christian Henner-Fehr in seinem Blog Armin Kleins Buch zu «Leadership im Kulturbetrieb». In den Kommentaren entspann sich dann eine Diskussion zu Sinn und Unsinn von Kleins Vorstellungen, die mich dazu veranlasst haben, das Thema für mich noch einmal gründlich aufzurollen und Führungsprinzipien für Kulturbetriebe zu skizzieren, die ich als tauglicher erachte. Die Ergebnisse stelle ich hier in zwei Teilen unter der Überschrift «Führung im Kulturbetrieb» zur Diskusion. Der erste Teil widmet sich noch einmal den zentralen Instrumenten, die Klein vorschlägt, der zweite denjenigen, die ich für geeigneter halte.

    Meine Kritik zielte darauf, dass Klein den Modebegriff «Leadership» auf den Kulturbereich überträgt und dabei in meinen Augen wesentliche Aspekte und Führungsbedingungen außer Acht lässt. Für Klein läuft es, grob gesagt, darauf hinaus, dass er «Leadership» mittels Vision und die Umsetzung der Vision mittels Management by Objectives (MbO) empfiehlt.

    Leadership

    Zunächst zum Thema «Leadership»: Fredmund Malik hat diesen Modebegriff sehr überzeugend auseinandergenommen. Es beginnt damit, dass es sich bei dem Begriff um schlecht rückübersetztes Englisch handelt und er eigentlich nichts anderes als Management meint. Die scheinbar so sinnfällige Unterscheidung zwischen dem Manager, der exekutiert, kontrolliert, stabilisiert etc. und dem Leader, der durch sein Charisma begeistert und visionengetrieben gestaltet und innoviert etc. wird bei Malik damit schnell zur hinfälligen Unterscheidung. Damit einher geht für Malik auch die Tatsache, dass nicht Persönlichkeitsmerkmale und Charisma entscheidend für Führungserfolg sind, also nicht, was jemand ist, sondern, was jemand tut. Sowohl die großartigsten, als aber auch die schrecklichsten Ereignisse der Geschichte wurden durch «Leader» herbeigeführt. Die detaillierte Kritik lässt sich nachlesen in dem Buch: Leadership. Best practices und Trends von Heike Bruch und Bernd Vogel. Reflexionen zum Begriff des Leadership wie Malik sie anstellt, sucht man bei Klein jedoch vergebens. Man mag es nun kleinkariert finden, Klein dafür zu kritisieren, dass er einen trotz aller Fragwürdigkeiten ja durchaus geläufigen Fachterminus übernimmt. Mich stört es auch nur insoweit, als es der erste Hinweis auf das geringe Reflexionsniveau des Buches ist, das im Weiteren zu m.E. nutzlosen, wenn nicht gar irreführenden Empfehlungen kommt.

    Führung mittels Vision

    Dabei ist Führung über Vision erstmal ein einleuchtendes Konzept. Es basiert auf der Erkenntnis, dass extrinsische Motivatoren nicht reichen, um Höchstleistung zu erbringen und dass ein Unternehmen seinen Mitarbeitern (Lebens-)Sinn vermitteln, d.h. eine ganz wörtlich zu verstehende «sinnvolle» Tätigkeit bieten muss, um zu Höchstleistungen anszuspornen. Zugespitzt gesagt, soll die Vision dem Mitarbeiter vermitteln, warum es sich für ihn lohnt, Lebenszeit in dieses Unternehmen zu investieren. Eine Vision soll organisationale Energie freisetzen, die sich mittels Bezahlung oder anderer extrinsischer Motivatoren nicht heben lässt. Wenn Nike die Vision verfolgte: «Crush Adidas», dann ist damit ein klar definiertes, erreichbares, sportliches Ambitionsniveau festgelegt, dass durchaus in der Lage ist, Potenzial freizusetzen.

    Öffentlich finanzierte Kulturbetriebe funktionieren jedoch anders als ein Unternehmen wie Nike. Zum einen sind die Mitarbeiter (zumindest die künstlerischen) in aller Regel in hohem Maße intrinsisch motiviert, was sie allerlei Zumutungen bezüglich Bezahlung und Arbeitszeiten wegstecken lässt. Die Notwendigkeit den Mitarbeitern Sinn für ihre Arbeit zu versprechen, ist damit zwar nicht per se unnötig aber deutlich geringer als in Industrie- oder anderen Dienstleistungsunternehmen. Dazu kommt, dass die öffentlich finanzierten Kulturbetriebe einen öffentlichen Auftrag haben, der ihnen einen recht eng definierten Handlungsrahmen und -horizont vorgibt. Ein Dreisparten-Stadttheater soll auch in fünf Jahren noch Stadttheater sein und die Einwohner der finanzierenden Kommune mit anspruchsvollem Theater versorgen. Es kann gewisse Schwerpunkte setzen, aber grundsätzlich muss es für jung und alt, für Schauspiel-, Tanz- und Opernfans, für Unterhaltungsfans wie für hornbebrillte Literaturfreaks ein ansprechendes Angebot machen. Es ist zum Beispiel nicht frei zu entscheiden, dass beste Jugendtheater oder die avantgardistischste Experimentierbühne des deutschsprachigen Raums zu werden und dementsprechend alle Kräfte auf dieses Ziel zu fokussieren.

    Beide Faktoren schließen eine Vision nicht aus, reduzieren aber ihre Wirksamkeit erheblich und stellen sie damit als effektives Führungsinstrument in Frage. Die Vision, die sich für ein Stadttheater oder ein städtisches Museum entwickeln ließe, wäre ziemlich zahnlos. Anders sieht es natürlich bei privat finanzierten Kulturunternehmen aus. Das heisst: Führung über Vision kann im Einzelfall geeignet sein, ist es aber nicht allgemein.

    Management by Objectives

    MbO wurde in den 1950er Jahren von dem Management-Vordenker Peter Drucker entwickelt. Die Idee von MbO ist es, dass jeder Vorgesetzte mit seinen Mitarbeitern Ziele vereinbart, die es zu erreichen gilt. Die Zielerreichung wird durch den Vorgesetzten regelmäßig kontrolliert und häufig mit einer außerordentlichen Geldzuwendung oder evtl. einer Weiterbildung oder Beförderung belohnt. Der Fortschritt gegenüber älteren Führungskonzepten ist, dass der Mitarbeiter frei in der Wahl der Mittel und Wege zur Zielerreichung ist, der Vorgesetzte funkt ihm nur im Ausnahmefall dazwischen (Management by Exception). Das erhöht seinen Gestaltungs- und Entfaltungsmöglichkeiten und damit seine Motivation. MbO ist daher ein geeignetes Führungsinstrument für Unternehmen, in denen sich die Ziele operationalisieren und quantitativ definieren lassen und dessen Mitarbeiter hohe Handlungskompetenz haben, klassische Beispiele dafür sind Vertrieb und Außendienst. Der Motivationsansatz ist jedoch extrinsisch. Es besteht kein Grund für den Mitarbeiter, über das definierte Ziel hinaus Einsatz zu zeigen oder das Ziel gar besonders ehrgeizig zu definieren. Der Mitarbeiter funktioniert hier wie ein Hund, den man für ein Leckerli in die Höhe springen lässt. Der Hund springt so hoch wie er muss, um an die Beute heranzukommen, aber nicht höher, selbst wenn er könnte.

    Man stelle sich jetzt vor, wie solches Führungstechnik in einem Kulturbetrieb angewendet werden soll. Kulturbetriebe zeichnen sich dadurch aus, dass sie über eine besonders bunte Palette an Mitarbeitern verfügen. Besonders deutlich wird das am Theater, wo Verwaltungsbeamte, Musiker, bildende Künstler, Juristen, Betriebswirte, Geisteswissenschaftler, Techniker und Handwerker arbeiten. Museen, Verlage haben eine ähnlich große Bandbreite, vielleicht etwas weniger differenziert aufgefächert. Die Unterschiedlichkeit der Mitarbeiter spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Verträgen wieder: Am Theater ist von der Beamtenbesoldung über den TVöD/BAT über die TVK (Orchester), NV Bühne mit verschiedenen Regelungen für verschiedene Berufsgruppen bis hin zu Gastspielverträgen alles vertreten.

    Es bedarf nicht viel, um zu erkennen, dass sich eine solche Bandbreite an Personen, jede mit einem unterschiedlich zum Haus definierten Verhältnis in Form des jeweiligen Arbeitsvertrages, nicht mit einer Führungstechnik erfolgreich führen lässt. In einer Versicherung, bei einem Maschinenbauer, oder in einem Callcenter gibt es eine solch große Bandbreite typischerweise nicht. Aber selbst hier wäre es fahrlässig davon auszugehen, dass deswegen alle Mitarbeiter mit einer einzigen Führungstechnik geführt werden könnten.

    An eine weitere Grenze stößt MbO im kreativen, wissensintensiven, dynamischen Umfeld. Wenn niemand weiß, wie das Ziel konkret aussehen soll, dann lässt sich nicht definieren, wie der Beitrag jedes einzelnen dazu aussehen soll und es lässt sich auch viel schlechter abschätzen, wie umfangreich dieser Beitrag und dementsprechend, wie groß die Belohnung für diesen Beitrag ausfallen muss. Um es noch einmal am Beispiel des Theaters konkret zu machen: Mit einem Schauspieler kann vereinbart werden, wieviel unterschiedliche Rollen er in einer Spielzeit zu spielen bekommt und wieviele Abende er auf der Bühne stehen muss. Das Entscheidende jedoch, nämlich wie er diese Arbeit inhaltlich auszufüllen hat, lässt sich nicht über Zielvereinbarung klären, gerade das muss aber geführt werden. Regieteam und Schauspielensemble müssen es in permanenter Interaktion (= Proben) miteinander freilegen. Die Führungsherausforderung liegt hier darin, soziale Interaktion zu steuern und zwar nicht nur im hierarchischen Verhältnis zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter (wie bei MbO), sondern in der gesamten Gruppe. Und sie liegt darin, Potenzial freizusetzen, von dem möglicherweise zuerst weder der Regisseur noch der Schauspieler wussten, dass es überhaupt vorhanden war. Wenn das gelingt, entsteht eine großartige Inszenierung und das möglichst oft zu erreichen muss das oberste Ziel der Leitung sein. Mit dem Verwaltungsleiter kann der Intendant dagegen wahrscheinlich wunderbar über MbO arbeiten.

    Das Hauptproblem von MbO gerade im Kulturbereich sehe ich daher in der «One-fits-all»-Logik, die nicht funktionieren kann. Eine Fokussierung auf dieses Instrument halte ich daher für im besten Fall weitgehend nutzlos – eben überall dort, wo sich Ziele nicht operationalisieren lassen und das ist im Kulturbereich sehr weitläufig der Fall – , im schlechtesten Fall für schädlich, weil die teilweise Wirkungslosigkeit der Führungstechnik auf die gesamte Organisation frustrierend und lähmend zurückwirken könnte.

  • Reihe Best Practice I: Kleinstkindertheater

    Ausgehend von meinen Anmerkungen zu Armin Kleins Buch »Der exzellente Kulturbetrieb«, hat sich im Kulturmanagment-Blog eine kontroverse Diskussion entwickelt, ob Klein mit seiner Einschätzung denn nun richtig liegt oder eher nicht. Dabei ist vielleicht noch einmal wichtig, klar zu stellen, dass ich nicht alles falsch finde, was Klein schreibt. Zu vieles finde ich aber entweder einseitig oder zu oberflächlich, zum Beispiel wenn Klein einfordert, dass Kulturbetriebe nach ihrer eigenen, nicht nach behördlicher, Logik arbeiten sollen, sie aber seinerseits nicht anhand ihrer eigenen betrieblichen Logik berät, sondern die (nicht nur für den Kulturbetrieb) fragwürdige der allgemeinen BWL anlegt.

    Da ich mit meiner Meinung doch relativ allein dastehe und Kleins pessimistische Einschätzung tendenziell eher geteilt wird, habe ich mir gedacht, eine kleine Reihe über innovative Konzepte in deutschen Kultureinrichtungen (es werden wohl in erster Linie Theater und Orchester werden) zu machen. Sachdienliche Hinweise sind natürlich herzlich willkommen.

    In einem Kommentar fragt Christian Henner-Fehr, wer denn in Deutschland etwas zum Thema Audience Development mache. Wie der Zufall es wollte, bin ich heute über ein passendes Beispiel aus Dresden gestolpert: ein Kleinstkindertheaterfestival für Unter-Drei-Jährige. Das ist strategisch natürlich äußerst gewieft, weil man die Kinder so mit Theater anfixen möchte, noch bevor sie in die Fänge von Handys, Computern oder Fernsehern geraten. Aber mal ehrlich: Ist das jetzt exzellent oder einfach gaga? Ist das innovativ gedacht oder die Bankrotterklärung des Theaters? Mir scheint die Grenze nicht ganz scharf gezogen zu sein. Trotzdem sei dieses Beispiel mit durchaus ernstem Hintergrund zur Diskussion gestellt, denn Klein fordert vom exzellenten Kulturbetrieb:

    Die Aufmerksamkeit sollte in Zukunft also sehr viel verstärkter dem Publikum von morgen und seiner zielgerichteten Entwicklung (»Audience Development«, wie es im Amerikanischen heißt) gelten.

  • Wir sind besser als Armin Klein glaubt

    Bücher, die in dramatischer Weise gesellschaftliche Missstände aufzeigen und schonungslos Reformen fordern haben seit einiger Zeit Konjunktur: Gabor Steingart, Hans Werner Sinn, Meinhard Miegel, Paul Kirchhoff usw. Da konnte es nicht ausbleiben, dass sich früher oder später eine Kassandra zu Wort melden würde, um auch dem deutschen Kulturbetrieb als solchem gehörig die Leviten zu lesen und ein tiefgreifendes Umdenken zu fordern. Die Rede ist von Armin Kleins Buch Der exzellente Kulturbetrieb.

    Diesen Büchern ist gemein, dass sie allesamt auf wenigen, immergleichen Mantren beruhen, die in jeweils verschiedenen Abwandlungen lauten: zuviel Staat, zuviel Regulierung und Bürokratie, zu wenig Eigenverantwortung und Eigeninitiative, verbitterte Besitzstandswahrung aller Orten, weiterwurschteln ohne Ziel und Vision. Um es vorweg zu nehmen, es ist die größte Schwäche von Kleins Buch, sich unreflektiert dieser Reformrhetorik zu bedienen.

    Schenkt man Klein Glauben, ist die deutsche Kulturlandschaft mittlerweile so verkorkst, dass nur noch ein harter, sauberer Schnitt und ein Neustart bei Null hilft. So besteht das erste Kapitel mit dem Titel »Zeit, dass sich etwas bewegt« in einer Auflistung all der Probleme, mit denen Kultureinrichtungen angeblich und tatsächlich zu kämpfen haben. Diese Bestandsaufnahme ist bereits höchst fragwürdig, weil Klein sich fast ausschließlich auf Zeitungsartikel (immerhin niveauvoller Zeitungen wie der FAZ und der Zeit) beruft (S. 16ff.), wissenschaftliche Studien aus zweiter Hand zitiert (z.B. S.21) und andere Wissenschaftler streckenweise aus der Sekundärliteratur zitiert werden (z.B. Luhmann, S. 47). Weiter geht es mit begrifflichen Unklarheiten. Klein spricht zum Beispiel von Subventionen für öffentliche Kulturbetriebe, später von Kultur als meritorischem Gut, d.h. als Leistungen, die auf Basis eines gesellschaftlichen Konsenses öffentlich finanziert werden. Dass öffentliche Finanzierung und Subvention jedoch zwei grundsätzlich verschiedene Dinge sind, wird deutlich, wenn man von staatlichen Subventionen für das Schulwesen oder die Polizei spricht. Klingt unsinnig, eben weil es keine Subventionen sind. Rein aus solchen formalen Gründen sind schon mal schwere Bedenken bei der Seriosität der Analyse anzumelden.

    Für den in Kleins Augen unumgänglichen Neustart empfiehlt er Kulturbetrieben zunächst einmal, Vision und Mission zu formulieren. Das heißt für ihn zum einen zu klären, wohin wollen wir uns entwickeln? (Vision) und zum anderen klar zu kriegen, warum gibt es uns heute? (Mission) Die Einschätzung, dass es ein gravierendes Problem im Kulturbereich gibt, weil diese Fragen oftmals nicht ausreichend beantwortet sind, kann ich nicht teilen. Die Aufgabe eines Stadttheaters (anhand dessen Beispiel Klein das Vorgehen deutlich macht) oder Landesmuseums ist in aller Regel klar umrissen und langfristig definiert. Da sich solche Einrichtungen nicht in einer hochdynamischen Konkurrenzsituation mit anderen Wettbewerbern befinden, lässt sich zudem die für private Unternehmen geltende Logik nicht ohne Weiteres auf öffentliche Kulturbetriebe übertragen.

    Überhaupt wird allzu oft die Marktlogik umstandslos auf den Kulturbereich angewandt und Methoden und Instrumente aus der BWL propagiert, die dort auch nicht mehr der letzte Stand der Forschung sind oder für Kulturbetriebe gar nicht sinnvoll greifen. Während Klein z.B. im Rahmen der strategischen Neuausrichtung die gute alte Situations- und SWOT-Analyse empfiehlt, wären gerade für gesellschaftlich stark verpflichtete und vernetzte Einrichtungen, wie Kulturbetriebe es sind, neuere, systemische Methoden und ganzheitliches Management mit Auswertung über Balanced Scorecards wesentlich sinnvoller.

    Das gleiche Problem im Kapitel »Konsequente Besucherorientierung«, wo das klassische Marketingmodell der BWL ohne weiteres auf den Kulturbereich übertragen wird, ungeachtet der Tatsache, dass zum Beispiel für die Preispolitik oftmals gänzlich andere Regeln gelten und ungeachtet der Tatsache, dass dieses Modell auch längst nicht mehr unumstritten ist. Überhaupt könnte man sich wünschen, dass ein kulturell beleckter Autor zunächst einmal den Begriff des Marketings für den Kulturbereich ganz grundsätzlich kritisch reflektiert. In dieser Hinsicht sehr empfehlenswert sind die Bücher von Peter Bendixen.

    Im Kapitel »Die lernende Kulturorganisation« beklagt Klein die überbordende Bürokratie in Kultureinrichtungen und kritisiert, dass Theater und Museen, die ja oftmals als nachgeordnete Behörden oder Regiebetriebe organisiert sind, nach Behördenlogik arbeiten und nicht der Logik ihrer speziellen Aufgabe folgen würden. Eine erstaunliche Feststellung für jemanden, der selbst am Theater gearbeitet hat. Gerade hier ordnen sämtliche Abteilungen (abgesehen vielleicht von der Lohnbuchhaltung) ihre Arbeitsweise der Logik des Betriebs unter: »Dienst nach Bedarf« ist das Motto für fast alle Mitarbeitergruppen, nicht »Dienst nach Vorschrift«. Sonst wären Nacht- und Wochenendarbeit für Künstler, Leitungsteam, Technik und Werkstätten eben so wenig eine Selbstverständlichkeit wie Überstunden für termingerechte Fertigstellung von jeweils individuell gefertigten Bühnenbildern und Kostümen.

    Die Liste ließe sich ohne Weiteres fortsetzen. Kulturmanagement sollte sich in meinen Augen jedoch davor hüten, einfach eine BWL für Kulturbetriebe zu sein, vielmehr eine um eine kulturelle Dimension erweiterte BWL, die nicht nur für Kultureinrichtungen stimmt, sondern alle Bereiche des Wirtschaftslebens bereichern kann. Wer regelmäßig Brand eins liest (aktuell mit einem wirklich witzigen Titel!), sollte wissen, was ich meine. Erfolgreiches, nachhaltiges, modernes Management braucht immer eine kulturelle Dimension. Das sollte das Kulturmanagement zu allererst begreifen. Das diesbezügliche Reflexionsniveau in Kleins Buch ist dürftig, die erwähnten Bücher von Bendixen zeigen, dass und wie es anders geht.

    Darüber hinaus ärgert mich, dass Klein mit zeitgeistiger Reformrhetorik die deutsche Kulturlandschaft schlechter macht, als sie ist. Sie ist einzigartig in ihrer Vielfalt und ihrer Leistungsfähigkeit, bei allen unbestreitbaren Herausforderungen und Problemen. Eine Antwort auf die oben erwähnten Bücher von Kirchhoff, Sinn und Co. ist Peter Bofingers Wir sind besser als wir glauben. Das sollte auch die Antwort der Kulturmanager auf Kleins Buch sein!