Christian Holst

Kulturmanagement :: Kulturmarketing :: Digitale Transformation


Schlagwort: Wirtschaft

  • Voneinander lernen: Kultur und Wirtschaft

    Die sog. Hochkultur lebt in dem Widerspruch, sich und ihre Gegenstände einerseits permanent in Frage zu stellen, mit verfremdeten Blick zu betrachten und sich selbst neu zu erfinden und sich andererseits auf diesem wackligen Untergrund ihrer Selbst vergewissern zu müssen. Sie will bewundert werden und eine Daseinsberechtigung jenseits von Zweck und Absicht für sich in Anspruch nehmen dürfen.

    Wenn es um die Frage geht, was die Wirtschaft von der Kultur (hier immer im Sinne von »Hochkultur«) lernen könne, wird ersteres gerne angeführt. Denn die Fähigkeit, sich von gegebenen System und ihren Mechanismen freimachen zu können, bedeutet Innovationskraft. Um innovativ sein zu können, muss man Blickwinkel aufs eigene Tun und Handeln verrücken und zunächst verrückte und abwegig erscheinende Ideen zulassen können, ohne sie gleich rational auf ihren Zweck abzuklopfen. Das kann und tut die Kulturszene und dass die Wirtschaft das auch kann, zeigen monatlich die Geschichten in Brand eins.

    Trotzdem gilt diese für Innovation nötige Verrücktheit nun gerade als Domäne der Kultur. Aber ist sie das wirklich? Ich bezweifele das aufgrund der Selbstvergewisserungstendenz in der Kultur, die einer wirklichen ästhetischen Vielfalt letztlich im Wege steht, weil sie eine ganze Reihe von a prioris definiert und die Kultur glauben macht, stets zu wissen, was Sache ist. Aber höchstens noch die Politk ist von soviel political correctness und Ideologie durchzogen wie die Kultur. Das Phänomen Regietheater ist durch Denkvorschriften und Denkverbote ideologisiert, bei der Neuen Musik ist es kaum anders, auch wenn es hier vielleicht langsam bröckelt (dafür sprechen z.B. der Erfolg von Tan Dun oder Lera Auerbach). Für den Bereich der Bildenden Kunst kann ich es nicht beurteilen, aber vermuten, dass es auch nicht viel anders ist.

    Jede Einschränkung, jede Richtungsvorgabe, so unterschwellig sie auch definiert wird, steht aber natürlich freidenkerischen, innovativen Kräften entgegen. Insofern glaube ich, dass nicht nur die Wirtschaft von der Kultur lernen kann (was sie schon tut), sondern genauso die Kultur von der Wirtschaft (was sie noch nicht unbedingt tut). Und zwar den pragmatischen, unideologischen Umgang mit Ideen und Konzepten, durch den sie ihr eigenes kreatives, kritisches Potenzial rehabilitieren würde.

    Ein schönes Beispiel, wo das bereits geschehen ist, gab es gerade im Kulturmanagement-Blog zu sehen.

  • Wirtschaftsästhetik

    Vor ein paar Tagen bin ich auf eine Seite zum Thema Wirtschaftsästhetik gestoßen. Das soll eine Forschungsrichtung der Managementlehre sein oder werden, bei der »das Feld der Kunst der Managementtheorie zugänglich« gemacht werden soll. Forschungsfragen können zum Beispiel sein:

    Was kann von »Hochleistungsorganisationen« wie Orchestern, die ein Höchstmass an Koordination und Perfektion bei der Produkterstellung erbringen, zur Organisationsgestaltung gelernt werden?

    Wie schafft es das Kunstsystem ständig ein so großes Innovationspotential zu entwickeln? Kann die Organisation des Kunstsystems Vorbild sein für Unternehmungen, die auf hoch innovativen Märkten agieren?

    Das klingt ja zunächst recht spannend. Dass man aber damit zu sinnvollen Ergebnissen kommt, wage ich ehrlich gesagt zu bezweifeln. Orchester funktionieren deswegen gut, weil sie streng hierarchisch und im Kern antidemokratisch organisiert sind. Soll das Vorbildcharakter für innovative, moderne Unternehmen haben? Wohl kaum. Und ist es nicht vielmehr so, dass die Wirtschaft, auch die bei Adorno-belesenen Kulturschaffenden so verachtete Kulturindustrie, in punkto Innovation und Fortschrittlichkeit die (ästhetischen) Standards setzt, während die etablierte Kulturszene dagegen den relevanten Themen um Jahre hinterher hechelt? »Café Umberto« beispielsweise, Moritz Rinkes Stück über Arbeitslosigkeit, wurde 2005 uraufgeführt, zwei ganze Jahre nachdem die Agenda 2010 (nach herrschender Meinung ja auch schon viel zu spät) ausgerufen wurde. Ästhetische Trends und Ausrufezeichen dagegen werden von Unternehmen wie Apple, Nike, Madonna oder Herzog & de Meuron gesetzt.

  • Kultur ist unkaputtbar

    Auf dem Kulturmanagement-Blog und auf Moving-Culture wird gerade die gute alte Frage diskutiert, wieweit Kultur mit Wirtschaft verzahnt werden sollten und was Kultur eigentlich „wert“ ist. Ein Problem ist meines Erachtens, dass sich die Grenze gar nicht scharf ziehen lässt.

    Zum einen, weil Kultur nicht von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängt. Besonders die sog. Hochkultur ist hochgradig verinstitutionalisiert, aber mit der Abschaffung von Institutionen geht Kultur an sich nicht verloren. Das einzigartige, aber kostspielige Theaterwesen in Deutschland ist nicht zwingend ausschlagebend dafür, ob Menschen Theater spielen oder nicht. Es hilft dabei, es ist gut, aber es ist nicht das Theaterspielen an sich. Die Schlussfolgerung aus dieser Überlegung ist in meinen Augen allerdings nicht, dass einem deswegen die Institutionen egal sein können, sondern dass man bewusste Entscheidungen für oder gegen diese Institutionen treffen kann. Eine bewusste Entscheidung dafür heißt dann aber auch, die wirtschaftlichen Grundlagen bereitzustellen und nicht ständig in Frage zu stellen. (mehr …)