Wozu das Theater? II

Veröffentlicht von Christian Holst am

Auch Gerhard Stadelmeier beschäftigt sich mit dem Theater, dass nicht mehr an sich selbst glaubt, allerdings ungleich ausführlicher und eloquenter, als ich es im vorgestrigen Eintrag getan habe. Er stellt fest:

Das Theater scheint in der panischen Angst, etwas in der Wirklichkeit draußen zu verpassen, in diesen Tagen hektisch vor sich selbst davonzulaufen.

und meint damit Theaterprojekte und -performances, die nach draußen zu den »normalen Menschen« gehen: in die Straßenbahnen, Krankenhäuser, Gefängnisse, Warenlager, Gewächshäuser etc.

So kam es, dass vor lauter Ersatz das Theater und sein ureigenstes, dramatisches Material langsam, aber sicher unter den Einfallshänden der Theatermacher sich verdünnisierte, ja vielerorts bis zur Unkenntlichkeit verschwand.

Was dazu führe, dass die Theatermacher nur noch sie selbst sein können und die Angst vor dem Spiel immer größer werde.

So wird etwas Altes, Fremdes, an Möglichkeiten eigentlich Unausschöpfbares, Überreiches nicht erobert, man macht sich nicht zu ihm auf wie zu einer Expedition ins tolle Ungewisse. (…) Man gönnt ihm keine Geschichte, keine Bezüge, keine Biographie, keine Abenteuer, keine Wunden, Narben, Würden und Schmerzen, die es auf seinen Fahrten und Stürzen durch die Zeiten erfahren hätte.

Womit auch klar wäre, was Stadelmaier ohne es so explizit zu sagen für die bessere Alternative hält: das Theater als Museum, das es sowieso längst schon ist. Alles andere ist nur die verzweifelte Ignoranz des Unausweichlichen.

Kategorien: Theater

4 Kommentare

Christian · 8. Mai 2008 um 15:32

Stadelmeier hat in vielem Recht, was er da so schreibt. Das Theater kommt mir auch oft wie ein Museum vor, aber war das nicht schon immer so? Man muss sich nur mal die Rezensionen von Benjamin Heinrichs in der ZEIT durchlesen. Er hat schon in den 80er Jahren festgestellt, dass 9 von 10 Inszenierungen misslungen und langweilig sind. Deshalb konnte er ja auch so ausführlich über Boris Becker oder Fussball-Themen schreiben.

Aber um die eine Inszenierung von den zehn geht es. Die ist gut und alles andere als langweilig.Und sie zeigt, dass das Theater noch lange nicht tot ist.

Ich hatte das große Glück, am Wochenende Ariane Mnouchkine und ihr Théâtre du Soleil zu sehen. Sie ist der Beweis dafür, dass das Theater weder tot ist noch als Museum zu verstehen ist. Manchmal dauert es, bis man eine Perle findet. Die entschädigt einen dann aber.

Ganz profan gesagt: eigentlich ist es ja wie beim Fussball. auch dort ist nicht jedes Spiel gut und man setzt sich beim nächsten Mal trotzdem wieder vor die Glotze. Und wenn man Glück hat, sieht man ein gutes Spiel. Und dafür nimmt man die schlechten Spiele in Kauf.

CH · 8. Mai 2008 um 21:42

Theater als Museum wird immer negativ verstanden. So meine ich das aber nicht. Ich meine das rein medial und technologisch und damit inhaltlich erstmal neutral. Man kann auch in einem Museum Momente erleben, die das Jetzt und Hier inspirieren. Und ich habe den Stadelmaier-Artikel so verstanden, dass auch er meint, wenn die Theatermacher sich nicht mehr gegen diese Tatsache sträuben und versuchen, aus dem Theater etwas zu machen, was es nicht sein kann, dann kann auf eine Quote von 5:5 kommen. Fünf gute Aufführungen gegen fünf schlechte.

Christian · 10. Mai 2008 um 12:26

Das hängt davon ab, wie man das Museum definiert. So wie Du es beschreibst, passt es. Aber als Ort, an dem man sammelt und konserviert, ist es wohl nicht das, womit ein Theater verglichen werden möchte. Verständlicherweise.

5:5? Das wäre ein Fest… 😉

PS: ich hatte das Blog hier gar nicht in der Blogroll. Mea culpa, ich hab’s geändert.

CH · 12. Mai 2008 um 15:29

Ja, das ist Definitionssache, aber für Theaterleute hat das immer eine negative Konnotation, weil sie glauben, nicht relevant zu sein, wenn sie museal seien. Ich verstehe das nicht. Das Theater ist durch und durch altmodisch und veraltet. Auch Shakespeare und Schiller sind nicht „heutig“. Die Aufgabe des Theaters ist deswegen wesentlich auch das Bewahren und Erhalten. Eben das, was ein Museum tut. Kulturelle Innovationen passieren heute aber woanders. Peter Stein brachte das schwache Innovationspotenzial des Theaters mit einem knackigen Satz auf den Punkt: »Da könnt ihr nur noch länger wichsen!«

P.S.: Doch, das Blog ist als »das Kulturblog« in deiner Blogroll. Mea culpa, weil ich bei der Namenswahl so unentschlossen war. 🙂

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