Theater fürs Kino: Wolke 9

Veröffentlicht von Christian Holst am

Als Freitagsabendkinoprogramm standen Mammia Mia und Wolke 9 zur Auswahl, über beide Filme hatte ich viel Gutes gehört (hier oder hier z.B.). In einem Anflug intellektueller Dünkelhaftigkeit entschieden wir uns schließlich für die anspruchsvollere Variante »Wolke 9«: statt eines wahrscheinlich sehr vergnüglichen, leichtfüßigen Kinovergnügens ein merkwürdig zahnloser Problemfilm über das Fremdgehen im Rentneralter. Die Geschichte ist schnell erzählt: die seit 30 Jahren einigermaßen glücklich verheiratete Inge fängt eine außereheliche Affäre an, verliebt sich, will sich schließlich von ihrem Mann trennen und gibt damit den Anstoß für einen tragischen Showdown.

Die dogma-artige Einfachheit der filmischen Mittel, die dramaturgisch wenig raffinierte Geschichte und das ausgestellte Können der Schauspieler lassen den Film sehr theatermäßig, d.h. bewusst artifiziell und wohlgesetzt rüberkommen. Es würde mich nicht wundern, wenn noch diese Saison die ersten Bühnenadaptionen Premiere haben würden. Es ist so eine Art Adaption des epischen Theaters für die Filmkunst: keine Spur von medialer Selbstvergessenheit, die eigentlich die Stärke des Kinos ist. Vermutlich liegt es genau daran, dass der Film keinen Sog erzeugt, sondern trotz des eigentlich dankbaren Themas staubtrocken und, wie gesagt, merkwürdig zahnlos bleibt.

Kategorien: Film / TV

6 Kommentare

syrabo · 9. September 2008 um 23:05

Dem letzten Satz ist nichts hinzu zu fügen.

Mehr Dialog hätte sicherlich auch gut getan, zumindest hätte ich dann vielleicht die Assoziationen verloren, eine Frage, ob die Story nicht genauso mit 16 Jährigen gedreht hätte sein können.

CH · 10. September 2008 um 10:52

Ja, mein Eindruck war auch, dass die Frage des Alters eher eine Äußerlichkeit war. Klar, die Folgen einer solchen Geschichte sind in jüngeren Jahren nicht so endgültig. Aber sonst?

oachkatzl · 29. September 2008 um 18:27

Wer Augen hat der sieht. Geniale Kamera und Lichtführung als Ausdruckmittel,Schimmern, Leuchten,emotionale Intelligenz versus Dumpfheit,Rigidität. Minimale Veränderung der Körperachsen, Minimimik als Ausdrucksmittel, Gestiknuancen, wo Welten in Atemzügen stecken, in Tempo und Verlangsamung, Verharren und Umfangen.
16 -jährige haben nicht diese Ausdrucksfähigkeit;- Unerfahrene nicht die Fähigkeit zum Nachempfinden.
Wer nur grobe Linien erkennt, dem ist der Film leer.
Wie Schmecken,- muss Mann lernen.

syrabo · 29. September 2008 um 21:44

Sicherlich betrachtet man den Film als Kunst und nicht umsonst hat er seine Preise. Ich zweifle dies auch nicht an. Aber sehen ist nicht alles, was ich vom Film mitnehmen möchte und ich bin, ich gestehe gerne, Mann, der es leider nicht viel schafft ins Kino zu gehen, um die Kunst im Film, um die feinen Nuancen eines Werks kennen zu lernen, die Spielerei mit Raum und Zeit und …

Die Assoziation – das ist wie bei jeder Interpration – sie ist wichtig um für sich das Werk zu erschließen. Mag sein, wenn ich den Film in zwanzig Jahren sehe, er wieder ganz anders auf mich wirkt als heute, ähnlich wie beim Dr. Faust, der liest sich je nach Lebenssituation und Alter immer anders oder auch neu. Man entdeckt Zusammenhänge, die Kunst des Schreibers, wie man es vorher nie gelesen hat. Doch der jetzige „Geschmack“ vom Film bleibt, wie zum Beispiel die Dramaturgie, wodurch man früh wusste oder ahnte, er bringt sich um. Da stellt sich mir immer noch die Frage, ob der vorgezeichnete Weg nicht hätte anders verlaufen können. Warum braucht der Film gerade dieses Ende? Soll der Selbstmord eine Strafe sein für sie? Soll es dann der Beweeis sine, dass er in seinem emotionalen Handeln vielleicht genauso unreif ist wie sie. Letztendlich … vielleicht suche ich im Kino eher Geschichten mit tiefgründigen Charakteren …

Kultur in Berlin · 24. Dezember 2008 um 13:23

Ich war von dem Film auch nicht sonderlich begeistert. Möglicherweise ist aber auch die Erwartungshaltung einfach grösser, wenn man einen Film zu einem Thema sieht, das es normalerweise nicht in die Kinos schafft.

CH · 28. Dezember 2008 um 12:47

Das stimmt. Und der Film hat sehr gute Kritiken bekommen. Sonst wäre ich auch ehrlich gesagt gar nicht reingegangen.

Schreibe einen Kommentar zu syrabo Antworten abbrechen

Avatar-Platzhalter

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*