Vioworld veranstalten gerade eine Blog-Parade zum Thema Net Powered Artists. Dazu heißt es dort:
Im Raum steht die provokante Behauptung, dass Kunst im Netz zwar neue und spannende Erscheinungsformen – wie z.B. den Mashup – hervorbringt, aber letztenendes zur “Brotlosigkeit” verdammt ist. Heimliches Ziel dieser Blogparade ist es natürlich, diese These anhand aktueller Beispiele zu widerlegen.
War die „Brotlosigkeit“ nicht immer schon das Damoklesschwert, das über dem Künstler schwebte? Im GDI Impuls las ich jedoch kürzlich einen Essay von Charles Leadbeater zu Kunst und Social Web, der nahelegt, dass die Kommerzialisierbarkeit von künstlerischer Arbeit eher noch schwerer wird, die Probleme der Musikkonzerne und die Diskussionen um ein Urheberrecht 2.0 deuten ebenfalls in diese Richtung. Digitalisierte Inhalte lassen sich problemlos vervielfältigen. Die Refinanzierung der künstlerischen Arbeit, die immer inhaltlicher Natur ist, muss also über etwas erfolgen, das sich nicht kopieren lässt. Nicht eben einfach und wahrscheinlich auch nicht sehr lukrativ. Kunst war bislang die Sache von verschrobenen Einzelgängern und die großen Kunstwerke der abendländischen Kulturgeschichte sind allesamt geniale Einzelleistungen. Gute Kunst wurde auf diese Weise zu einem knappen Gut, mit der immerhin einige wenige gut Geld machen konnten.
Gegen dieses traditionelle Paradigma stellt Leadbeater eine neue partizipative Kultur, die durch das soziale Netz bedingt und verbreitet wird, und sich immer mehr durchsetzt:
Diese «Mitmach-Avantgarde» wird durch die Art und Weise gespeist, in der das Internet partizipatorischen Ansätzen zur Kunst, einer digitalen Version der Volkskultur, in der Urheberschaft geteilt und kumuliert und keine individuelle Angelegenheit ist, neue Energie verleiht. (…) Der Künstler wird eher zum DJ oder Programmierer, er stellt ein Werk aus den bereits vorhandenen Modulen zusammen.
Es liegt auf der Hand, dass tragfähige Geschäfts- und Vermarktungsmodelle mit dieser neuen Webkultur grundsätzlich unvereinbar sind. Wo keine Urheberschaft individuell zugordnet werden kann und wo Massen für Massen produzieren, kann und soll auch kein Profit privatisiert werden. Damit wird durch den partizipativen Ansatz des sozialen Webs ein ganz zentrales Paradigma der abendländischen Hochkultur in Frage gestellt. Das klingt erstmal sehr sympathisch und beflügelt Leadbeater zu einer bald schon eschatologischen Sozialutopie des produktivsten Miteinanders in vollendeter Demokratie.
Tatsächlich wird das «Empowerment» durch das soziale Web deswegen wohl weniger ökonomischer als vielmehr inhaltlich-ästhetischer Natur sein und die Künste zwingen – zumindest für einige Zeit – weniger «die Gesellschaft», als sich selbst zu hinterfragen. Das ist so lange begrüßenswert, wie herausragende künstlerische Leistungen durch vergesellschafteten Zugriff nicht systembedingt auf Mittelmaß nivelliert werden und Kennerschaft zu einem nachrangigen Kriterium verkümmert, sowohl in der Produktion als auch in der Rezeption von Kunst. Adam Soboczynskis Sorge um den Intellektuellen gebührt möglicherweise auch dem Kunstkönner und -kenner.
Schreibe einen Kommentar