In der Absetzung um die Düsseldorfer Tannhäuser-Inszenierung eskalierte auf der Facebook-Seite der Oper am Rhein und in den Feuilletons die Debatte, was der eigentliche Skandal ist: die Inszenierung oder deren Absetzung? In meinen Augen ist es ein klares Weder-Noch. Der eigentliche Skandal liegt ganz woanders.
Die Inszenierung ist kein Skandal, weil ihre Grundidee nur in ihrer unkundigen Einfallslosigkeit provokant ist. Mit Nazi-Bezügen gespickte Wagner-Inszenierungen haben eine jahrelange Hyperinflation hinter sich. Der konsequente Verzicht auf solche Bezüge wäre inhaltlich die weitaus grössere Sensation.
Die Absetzung der Inszenierung ist auch kein Skandal. Wenn der Regisseur Burkhard Kosminski in den Raum stellt, es könne sich bei der Absetzung um «eine neue Form der Zensur» handeln, dann ist das schlichtweg lächerlich und genauso unsauber gedacht, wie das Inszenierungskonzept. Das Ganze hat mit Zensur nichts zu tun. Genauso wenig, wie wenn ich nach einem Frisörbesuch unzufrieden bin und deswegen die nächsten drei Wochen nur mit Mütze vor die Tür gehe. Natürlich mag man es rückgratlos und feige finden, dass sich die Intendanz entschlossen hat, die Inszenierung abzusetzen, obwohl sie sie ja selbst freigegeben hat und bei der Premiere nicht das erste Mal damit konfrontiert wurde. Diesen Vorwurf muss sich die künstlerische Leitung gefallen lassen. Aber letzten Endes ist es doch ehrlicher, zu spät zu einem Fehler zu stehen, als gar nicht und sich stattdessen mit sich mit den üblichen ausgelutschten Floskeln um Kopf und Kragen zu reden. Von wegen, dass Kunst auch mal verstören und unbequem sein muss, keine Schönwetterangelegenheit ist und es ja auch gut ist, wenn «Theater oder Oper auch polarisieren». Nee, is klar. Das sind Aussagen, die wunderbar richtig klingen, ohne dass man sie mit irgendeiner Art Argument untermauern müsste und die sich wunderbar für den Shitstorm auf den Intendanten der Deutschen Oper am Rhein eignen. Oder anders gesagt: Schönwetter-Aussagen zur unhinterfragbaren Relevanz von öffentlich finanzierter Kultur.
Der eigentliche Skandal liegt in der unglaublich schnöseligen Haltung gegenüber dem Publikum, die in diesen Äußerungen im angeblichen Interesse der Kunst zum Ausdruck kommt. Nicht einmal Telekommunikationsunternehmen erlauben sich solch demonstrative Gleichgültigkeit gegenüber ihren Kunden, sondern behaupten ihre Kundenorientierung wenigstens noch. Die öffentliche Finanzierung schützt die Kultureinrichtungen vor der Meinung ihrer Besucher. Und sie sorgt zugleich dafür, dass sie ihre Anschlussfähigkeit an deren Lebenswelt verliert und damit mittelfristig auch die Relevanz, die eine öffentliche Finanzierung überhaupt erst rechtfertigt. Es nervt ja fast schon, dass man die Schweiz für so vieles als Vorbild heranziehen muss: direkte Demokratie, Altersvorsorge, Arbeitslosenquote und was weiß ich. Aber auch der hohe Eigenfinanzierungsgrad der Schweizer Kultureinrichtungen hat Vorbildcharakter. Er zeigt, dass das Schwarzweiss von «angepasstem Inszenierungsstil» und Freiheit der Kunst zu einfach gedacht ist.
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