Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Autor: Christian Holst

  • Ökonomie ein kulturfreier Raum?

    Während sich Kulturschaffende nicht selten mit der Ökonomie schwer tun, sieht es umgekehrt in aller Regel kaum besser aus. Vor einiger Zeit diskutierte ich mit einem VWL-Doktoranden einen ganzen Abend lang über den Stellenwert von Kultur im Zusammenhang mit ökonomischen Erwägungen. Während er Kultur hierbei als ein Nice-to-have ansah, dem man sich widmen kann, wenn die Zahlen stimmen und daher Zeit und Muße vorhanden sind und das sich darin erschöpft, offene Bürotüren zu pflegen und einen jährlichen Firmenausflug zu organisieren, versuchte ich zu argumentieren, dass auch das Wirtschaften kein kulturfreier Raum ist und erfolgreiches Unternehmertum dies immer in Betracht ziehen sollte. Es fängt ja damit an, dass die Idee des Privateigentums eine kulturelle Vereinbarung ist, die nicht vom Himmel gefallen ist. Und auch das Geld ist eine Kulturleistung. Auch wie Vertrauen entsteht und erhalten wird, das – wie man derzeit sieht – von essentieller Bedeutung für eine funktionierende Wirtschaft ist, ist eher eine soziologisch-kulturelle Frage denn eine der traditionellen ökonomischen Theorie. Versuche, die Ökonomie konsequent durchzumathematisieren und durchzumodellieren, produzieren deswegen zwangsläufig erhebliche blinde Flecke, denn Modelle isolieren den konkreten Fall aus seinem Kontext. Erfolgreiches (nicht nur) unternehmerisches Handeln jedoch setzt voraus, gerade den speziellen Kontext richtig zu sehen, zu deuten und zu gestalten. Man könnte auch anders sagen: Modelle können hilfreich sein, um komplizierte Sachverhalte zu verstehen und zu beherrschen. Aber es bedarf kulturellen Fingerspitzengefühls und Verständnisses, um komplexen Sachverhalten gerecht werden zu können. Der Graben zwischen Ökonomie und Kultur, der häufig ausgemacht wird, stimmt so weder von der einen, noch von der anderen Seite.

  • Oper rechnet sich

    Weil Theater und Musik nicht einfach nur schön sein sollen, wenn sie viel kosten, werden seit einiger Zeit so genannte Umwegrentabilitäten errechnet, die aufzeigen sollen, dass es sich bei der öffentlichen Finanzierung von Theatern um lohnende Investitionen in den jeweiligen Standort handelt. Laut einer aktuellen Studie bringt die Wiener Staatsoper dem Staat eine Rendite von satten 11%: 51,5 Mio. EUR steckte die öffentliche Hand in die Oper, 57,4 Mio. flossen an sie zurück. Der gesamte Wertschöpfungseffekt belief sich sogar auf 138,3 Mio. EUR. Solche Zahlen können der Oper natürlich nur recht sein. Trotzdem wäre interessant zu wissen, wie man diese Zusammenhänge aufgedröselt haben will.

    Und wenn schon solche Berechnungen angestellt werden, dann sollte der Intendant der Wiener Staatsoper meines Erachtens für sein Haus konsequenterweise eine Erfolgsbeteiligung in Höhe von mindestens 50% der Rendite einfordern. Nicht als persönlichen Bonus, sondern als thesaurierten Gewinn zur Reinvestition. Wann bekommt man die Argumentation für eine Etaterhöhung denn sonst schon einmal so schön auf dem Silbertablett präsentiert?

  • Buchtipp: Die Offenbarung

    Ein größerer Antiheld als Jakob Kemper lässt sich kaum denken, zumindest wenn man sich auf seine wehleidige Selbsteinschätzung einlässt: «Eine einzige Kränkung sei sein Leben gewesen, eine ins Monumentale getriebene Demütigung. Eine private wie berufliche Katastrophe.» So beginnt Robert Schneiders Roman Die Offenbarung. Kemper fristet sein Dasein als Klavierlehrer, ehrenamtlicher Organist im Naumburger Dom und unbedeutender Bachforscher, nachdem er zuerst als Komponist, später als maßstabsetzender Bachinterpret gescheitert ist. Dazu kommen ein problematisches Verhältnis zum Vater und zum Alkohol. Kein Wunder also, dass Kemper völlig aus dem Gleichgewicht gerät, als er eines Tages eine bislang unentdeckte Partitur des späten Bach in der Naumburger Orgel entdeckt und nun hofft, es der blasierten Fachwelt nun endlich zeigen zu können. Allerdings schleudert ihn der Fund in einen emotionalen Ausnahmezustand, dessen Facetten von blanker Panik bis zu euphorischer Selbstüberschätzung reichen. Schneider schildert all dies mit schonungslosem und doch sympathisierenden Spott was Kemper angeht und mit großem Sachverstand, was die Musik Bachs angeht. Wenn Kemper am Ende mit dem Fund zwar nicht der erhoffte Sprung in die Champions League der Bachforscher und die erhoffte gesellschaftliche Rehabilitation gelingt, dann ist man als Leser doch immerhin froh, dass er zumindest mit sich selbst ins Reine kommt.

  • Ohne Strategie: Kulturmanagement-Studiengänge

    Kürzlich hat Christian Henner-Fehr gefragt, welche Ausbildung für Personen geeignet sind, die Führungspositionen in Kulturbetrieben anstreben. Er stellte exemplarisch den Master in Kulturmanagement dem MBA-Programm der Donau-Universität Krems gegenüber. In den Kommentaren zu dem Eintrag habe ich angemerkt, dass es sich allgemein kaum sagen lässt, was für angehende Kulturmanager empfehlenswerter sei.

    Beim Vergleich des Lehrangebots dieser beiden Studiengänge – man könnte wahlweise auch andere MBA- oder KM-Studiengänge heranziehen – fällt auf, dass in den Kulturmanagement-Lehrgängen drei wesentliche Aspekte fehlen: Strategisches Management, Führung und Personal- oder HR-Management. Braucht man das alles als Kulturmanager nicht? Wohl kaum. Es wäre gerade sinnvoll: Zum einen angesichts der beträchtlichen strategischen Herausforderungen, die sich Kultureinrichtungen stellen und in den kommenden Jahren stellen werden, zum anderen aber auch, weil in Kulturbetrieben ein besonders geschicktes Händchen im Umgang mit den nicht selten hochsensiblen Mitarbeitern gefragt ist. Trotzdem beschränkt sich das Kulturmanagement als wissenschaftliche Disziplin vor allem auf die Themenfelder Finanzierung, Marketing und Recht. Auch wichtig, sicher, aber unterm Strich ungenügend, um einen Kulturbetrieb zu führen. Also spiegelt sich in den derzeit angebotenen Lehrgängen die Krise der Kulturbetriebe (um es möglichst melodramatisch auszudrücken) in erstaunlich sinnfälliger Weise wieder und ich denke mittlerweile doch: lieber einen MBA machen.

  • Tweet readings

    Wenn ich kürzlich die Frage gestellt habe, ob die kommunikativen Strukturen sozialer Medien das Niveau der Diskussionen deckelt, die über sie geführt werden, dann nur, weil ich da die Tweet Readings von Marcus Brown noch nicht kannte. Kein Zweifel: Tweets sind nicht nur großartige Klolektüre, sondern eine literarische Form, in der sich bewegende, erschütternde, existenzielle Fragen aufwerfen und ausdrücken lassen. Man muss diese neue Form eben zu deuten wissen:

    Official Tweet Reading V: Reading Robert Scoble from Marcus Brown on Vimeo.

  • Kulturdatenbank (Best practice VII)

    Wer in Berlin ins Theater gehen möchte, steht vor der Qual der Wahl, sich aus dem Angebot von 46 Bühnen mit oftmals täglich wechselndem Programm etwas dem Geschmack und den Vorlieben Gemäßes aussuchen zu müssen. Bei gründlicher Recherche läuft dieses Unterfangen Gefahr, länger zu dauern, als der Theaterabend selbst, zumindest solange man nicht auf den Online-Theaterspielplan berlin-buehnen.de zurückgreift. Auf dieser Webseite werden nämlich die Spielpläne aller Berliner Theater mitsamt Besetzung, Fotos und Inhaltsangaben zusammengeführt. Über eine einfache Abfrage lassen sich die Daten z.B. nach Sparte oder Datum filtern, über die Suchanfrage erfährt man, wann und wo der Lieblingsschauspieler zu sehen ist, so dass man das Angebot schnell auf ein überschaubares Maß eingedampft hat und eine informierte Entscheidung treffen kann.

    Technisch fusst die Seite auf der Kulturdatenbank. Eine Datenbank, deren Einsatz grundsätzlich jeder Kultureinrichtung zu empfehlen ist, weil sich mit ihr auf einfachste Weise der eigene Spielplan verbreiten und mit einer Reihe von weiteren Services (Ticketkauf, Stadtplan, Bahnanreise etc.) verknüpfen lässt. Auf diese Weise profitieren nicht nur die Besucher selbst davon, sondern ebenso z.B. die Medien oder Partner aus dem Tourismus. Auch für größere Bundesländer (s. nrw-buehnen.de) oder deutschlandweit für einzelne Kunstformen kommt die Datenbank mittlerweile zum Einsatz.

  • «Effi Briest» als Soap Opera

    Vom 5. bis zum 15. Februar war Berlinale. Harald Martenstein war dort und hat für die Zeit ein kleines Tagebuch im Stile seiner legendären Kolumne geschrieben. Der Eintrag des siebten Berlinale-Tages beschäftigt sich mit Sinn und Unsinn der Aktualisierung von Klassikern, in diesem Falle «Effi Briest», das die Regisseurin laut Martenstein in «Gute Zeiten, schlechte Zeiten» verwandelt. Sein Fazit:

    Klassiker werden Klassiker, wie etwa «Effi Briest» oder «Der Prozess», weil ihre Geschichte auch etwas Zeitloses hat, eine Kraft, wie sie kein einziges dämliches Fernsehspiel besitzt. Ist das so schwer zu kapieren? Offenbar ja.

    Ja, tatsächlich. Das Gros der Theaterregisseure tut sich mit dieser Erkenntnis ja ebenso schwer.

  • Spannend: Cruise als Stauffenberg

    Obwohl der Ausgang des Stauffenberg-Attentats ja bekannt ist, habe ich lange nicht einen so spannenden Film wie Operation Walküre gesehen. Dem Film gelingt es, einen immer wieder in die Hoffnung der Protagonisten zu versetzen, alles möge noch gut ausgehen. Das liegt vor allem daran, dass zunächst sehr genau die sorgfältigen Planungen, die taktischen Abstimmungen und strategischen Überlegungen unter den gar nicht so wenigen Verschwörern gezeigt werden und man so bestens im Bilde ist, was dann später bei der Durchführung schief zu gehen droht oder tatsächlich schief geht. Dem zum Opfer fällt die Psychologie der Figuren, die Spannung bleibt rein äußerlich und macht sich allein an den Ereignissen fest. Freilich wäre Tom Cruise auch eine denkbar schlechte Besetzung, wenn man zeigen wollte, was in Stauffenbergs Innerstem vorging, was ihn antrieb, welche Ängste er zu bekämpfen hatte. Auch deswegen ist es gut, dass der Film hier konsequent bleibt (anders als der deutsche Stauffenberg-Film aus dem Jahr 2004 der mehr, aber auch nicht konsequent, auf Stauffenbergs Motivation eingeht). Sicher wird der Film dem historischen Ereignis damit nicht voll gerecht, aber er regt an, sich intensiver mit dem Attentat vom 20. Juli und dem militärischen Widerstand zu beschäftigen.

    Spannend ist übrigens auch eine Frage, die sich dem Film nicht stellt, aber aus ihm ergibt: Wäre Stauffenberg heute auch ein Held und Deutschland die Demokratie, die es heute ist, wenn der Putsch geglückt wäre? Ganz so einfach, wie es zunächst scheint, würde die Antwort darauf wohl nicht ausfallen.

  • Comeback

    Mit Extreme und Guns N’Roses haben 2008 zwei Bands meiner Jugend ihr Comeback gefeiert und CDs herausgebracht, die ich mittlerweile mal die Gelegenheit zu hören hatte. Bei GNR ist nach 15-jähriger Arbeit an Chinese Democracy, ausschweifenden Rausschmissen und Auswechslungen von Bandmitgliedern, x-fachen Neu-Einspielungen, permanenten Verschiebungen des Veröffentlichungstermins doch noch ein solides Album entstanden, das deutlich besser ist, als ich erwartet hatte. Zwar singt Axl immer noch nicht besser oder gar schöner als in den 90ern, aber viele Songs sind gut und ideenreich produziert und Slash fehlt nicht so sehr, wie man denken könnte. Die unterschiedlichen Nachfolger haben zwar nicht seinen charakteristischen samtig sägenden Ton, stecken ihn aber in allen anderen Belangen in die Tasche.

    Die Zeit, die Extreme seit dem letzten Album verstreichen ließ, ist fast genauso lang. Sie haben sich aber erst Ende 2007 wieder ins Studio begeben und Saudades de Rock innerhalb weniger Monate eingespielt. Offenkundig die erfolgreichere Herangehensweise, denn ihnen ist wirklich ein großer Wurf gelungen. Bei ihrer Musik handelt es sich um bodenständigen Rock im allerbesten Sinne, eine gute, ausdifferenzierte Weiterentwicklung des letzten Albums Waiting for the punchline und in gitarristischer Hinsicht übrigens ganz großes Tennis: geradeaus, kraftvoll, virtuos aber nicht so selbstverliebt wie manches auf Pornograffitti und vieles auf III Sides to Every Story. Neben einigen wirklich guten Krachern (Star, Comfortably dumb – auf myspace zu hören) gibt es auch einige sehr schöne ruhigere Songs (Ghost, Interface).

  • Online-Petition fürs Grundeinkommen

    Mit direkter Demokratie hapert es in Deutschland ja noch ziemlich. Immerhin kann man aber auf der Website des Bundestages online Petitionen einreichen. Wenn die ein Quorum von 50.000 Stimmen erreichen, werden sie im Petitionsausschuss des Bundestages öffentlich beraten und der Petitionsinitiator («Petent») bekommt Gelegenheit, seine Petition dort zu begründen. Noch bis zum 10.2.09 kann man eine Petition für die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens mitzeichnen. Eine kurze Registrierung genügt. Obwohl diese Petition aktuell mit Abstand die meisten Stimmen hat, ist sie noch weit vom Quorum entfernt. Also: mitmachen und weitersagen!