Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Autor: Christian Holst

  • Deutsches Kulturleben in Zahlen

    Vor kurzem hatte ich bereits per Twitter auf eine Studie des Statistischen Bundesamtes zum deutschen Kulturleben verlinkt. Inzwischen habe ich da auch mal reingeguckt und ein paar griffige Kennzahlen über Kulturrezeption in Deutschland herausgepickt:

    • Die Deutschen lassen sich ihr Kulturleben 8 Mrd. EUR im Jahr kosten, das sind 1,6% des gesamten Haushalts und 97,10 EUR pro Person im Bundesschnitt. Sachsen ist in dieser Hinsicht das spendabelste Bundesland und gibt pro Person und Jahr 155,40 EUR für Kultur aus. Das heißt aufgeschlüsselt:
    • 137 Mio. Kinobesuche, d.h. 1,7 pro Bundesbürger und Jahr,
    • 434 Mio. Entleihungen in Bibliotheken (d.h. 5,3 pro Bundesbürger und Jahr),
    • 102,6 Mio. Museumsbesuche, d.h. 1,2 pro Bundesbürger und Jahr
    • 34,8 Mio. Theaterbesuche, d.h. 0,4 pro Bundesbürger und Jahr, Tendenz übrigens rückläufig.
    • 870.000 Menschen arbeiten in Kulturberufen, 31% mehr als 1997.
    • Interessant ist auch, dass die drei Stadtstaaten kulturell immer ganz vorne mit dabei sind. 7,5% der Erwerbstätigen in Berlin sind im Kulturbereich beschäftigt, in Hamburg sind es 5,9%, in Bremen 3,1%. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 2,3%.
    • Bei den Theaterbesuchen pro 1.000 Einwohner liegt Hamburg mit 2.380 vorne – Stage Entertainment dürfte daran wesentlich mitschuldig sein; es folgen Bremen mit 920 (erstaunlich!) und Berlin mit 910. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 420.

    Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2006.

  • Ruhm = Qualität?

    Die ZEIT beschäftigte sich im Feuilleton der letzten Ausgabe mit Starkult, auch und gerade im Kulturbetrieb. »Ruhm ist das wichtigste Gut im Kulturbetrieb« heißt es in einem Artikel. Und weil Ruhm im Showgeschäft (und im Kulturbetrieb) das ist, was die Marke im Konsumgüterbereich ist, sind alle scharf darauf. Je mehr der klassische Kulturbetrieb aus seiner Nische tritt, umso mehr ersetzt der Ruhm der Akteure die Kennerschaft beim Rezipienten und muss die Qualität bezeugen. Anna Netrebko, die imho sängerisch nicht so herausragend ist, wie ihr Ruhm suggeriert, ist ein gutes Beispiel für diese Entwicklung.

    Dass das einem Frankfurter-Schule-Jünger wie Klaus Zehelein mächtig gegen den Strich geht, ist klar. Es ist erstaunlich, wie er auf der kulturellen Überlegenheit der »seriösen Kunst« und damit auf der Unterscheidung zwischen »echter« Kunst und »Konsumkunst« beharrt. Das wird in diesem (nichtsdestotrotz schönen) Zitat deutlich:

    Als Paulus in Athen war, hat er Marktraffinesse bewiesen. Er wies die Athener darauf hin, dass sie zahlreiche Altäre für verschiedene Götter hätten, auch einen Altar für den unbekannten gott. Den hat Paulus marketingmäßig durch seinen Gott besetzt. Das ist der Erfolg des Evangeliums und der Erfolg der sogenannten seriösen Kunst in der Popularkultur.

  • Marketingblogs-Stöckchen

    Über Christian Henner-Fehr hat mich das von Michael van Laar gestartete Stöckchen Was bringen eigentlich Marketing-Blogs? erreicht. Hier also meine Antworten:

    Seit wann gibt es das Blog?

    Seit Februar 2008. Davor allerdings mit weitgehend gleicher inhaltlicher Ausrichtung bereits seit November 2006 unter dem Namen holstblog.de.

    Was war der Auslöser, um das Blog zu starten?

    Ein Freund fing damals an zu bloggen und meinte: »Mach das doch auch!«. Also habe ich das auch gemacht.

    Welchen Zweck hat das Blog?

    Zunächst einmal ging es mir darum, dieses Medium auszuprobieren und meine Gedanken zu verschiedenen Themen zu pointieren. Inzwischen folgt das Blog der Idee, ein digitales Feuilleton zu sein. Zugegebenermaßen ist die Themenauswahl dabei sehr subjektiv durch meine kulturellen Vorlieben geprägt: Musik und Theater und das »Mashup« daraus: Musiktheater. Da ich eine zeitlang im Bereich Öffentlichkeitsarbeit gearbeitet habe, ist Marketing auch immer wieder Thema.

    Was hat das Blog bisher »gebracht«?
    Vor allem viel Spaß, viele Anregungen, einige neue, interessante Kontakte und die ein oder andere, auch mal kontroverse, Diskussion zu kulturellen Themen.

    Das Stöckchen geht nun weiter an…

    Jennifer Hoffmann und Joern Borchert.

  • Voneinander lernen: Kultur und Wirtschaft

    Die sog. Hochkultur lebt in dem Widerspruch, sich und ihre Gegenstände einerseits permanent in Frage zu stellen, mit verfremdeten Blick zu betrachten und sich selbst neu zu erfinden und sich andererseits auf diesem wackligen Untergrund ihrer Selbst vergewissern zu müssen. Sie will bewundert werden und eine Daseinsberechtigung jenseits von Zweck und Absicht für sich in Anspruch nehmen dürfen.

    Wenn es um die Frage geht, was die Wirtschaft von der Kultur (hier immer im Sinne von »Hochkultur«) lernen könne, wird ersteres gerne angeführt. Denn die Fähigkeit, sich von gegebenen System und ihren Mechanismen freimachen zu können, bedeutet Innovationskraft. Um innovativ sein zu können, muss man Blickwinkel aufs eigene Tun und Handeln verrücken und zunächst verrückte und abwegig erscheinende Ideen zulassen können, ohne sie gleich rational auf ihren Zweck abzuklopfen. Das kann und tut die Kulturszene und dass die Wirtschaft das auch kann, zeigen monatlich die Geschichten in Brand eins.

    Trotzdem gilt diese für Innovation nötige Verrücktheit nun gerade als Domäne der Kultur. Aber ist sie das wirklich? Ich bezweifele das aufgrund der Selbstvergewisserungstendenz in der Kultur, die einer wirklichen ästhetischen Vielfalt letztlich im Wege steht, weil sie eine ganze Reihe von a prioris definiert und die Kultur glauben macht, stets zu wissen, was Sache ist. Aber höchstens noch die Politk ist von soviel political correctness und Ideologie durchzogen wie die Kultur. Das Phänomen Regietheater ist durch Denkvorschriften und Denkverbote ideologisiert, bei der Neuen Musik ist es kaum anders, auch wenn es hier vielleicht langsam bröckelt (dafür sprechen z.B. der Erfolg von Tan Dun oder Lera Auerbach). Für den Bereich der Bildenden Kunst kann ich es nicht beurteilen, aber vermuten, dass es auch nicht viel anders ist.

    Jede Einschränkung, jede Richtungsvorgabe, so unterschwellig sie auch definiert wird, steht aber natürlich freidenkerischen, innovativen Kräften entgegen. Insofern glaube ich, dass nicht nur die Wirtschaft von der Kultur lernen kann (was sie schon tut), sondern genauso die Kultur von der Wirtschaft (was sie noch nicht unbedingt tut). Und zwar den pragmatischen, unideologischen Umgang mit Ideen und Konzepten, durch den sie ihr eigenes kreatives, kritisches Potenzial rehabilitieren würde.

    Ein schönes Beispiel, wo das bereits geschehen ist, gab es gerade im Kulturmanagement-Blog zu sehen.

  • Kultur für alle!

    … und ich verspreche: Kultur für alle! Der Rüstungsetat wird zum Kulturetat umfunktioniert! 🙂 Ich setze auf eure Unterstützung, Wahlkampfspenden sind herzlich willkommen!

    Gefunden beim Werbeblogger.

  • Unrentabel, aber das effizient

    Eigentlich ist es ziemlich uncool, die eigenen Witze zu erklären, aber für meinen gestrigen Twitter-Post waren 140 Zeichen doch etwas wenig. Deswegen noch ein paar ausführlichere Worte dazu.

    Bevor die Sommerpause der Theater beginnt wird die vergangene Saison bilanziert, weswegen im ZDF-Theaterkanal-Feed zur Zeit eine Erfolgsmeldung die nächste jagt, alle mit dem Ziel die eigene Arbeit zu legitimieren. Die Semperoper zum Beispiel rühmt sich stolz als effizientestes Opernhaus Deutschlands mit einem Eigeneinnahmenanteil am Gesamtbudget von 47%. Boah! Ist im Vergleich mit anderen Opernhäusern tatsächlich eine beachtliche Leistung, üblich sind um die 15%. Aber in der Logik der Erfolgsrechnung, die hier angewendet wird, ist es ein katastrophales Ergebnis: nicht mal die Hälfte der Kosten wird selbst erwirtschaftet! Was in der PR-Rhetorik »am effizientesten« genannt wird, heißt also eigentlich nichts anderes als »am wenigsten unrentabel«.

    Es ist eben die Frage, wie zweckmäßig es ist, sich auf diese Logik einzulassen. Klar, der Steuerzahler hat ein Recht zu wissen, was mit seinem Geld angestellt wird. Aber der deutsche Bundestag, die Schulen oder die Polizei legitimieren ihre Arbeit auch nicht mit solchen Kennzahlen. Aus gutem Grund.

  • Dr. Psycho

    Vor einiger Zeit bin ich auf die Seite myspass.de gestoßen und habe sie seitdem gern besucht, weil man dort Comedy-Serien und -Shows von Brainpool TV kostenlos angucken kann, darunter wirklich unterhaltsame wie Pastewka oder Stromberg.

    Eher unwillig, weil ich alles andere, was mich interessiert hätte, schon kannte, habe ich vor kurzem trotz des beknackten Titels bei Dr. Psycho reingeguckt und war positiv überrascht. Denn die Serie, irgendwas zwischen Krimi und Comedy, ist sehr unterhaltsam, mitunter sogar spannend. Wenn man so will ist Christian Ulmen als Polizeipsychologe Dr. Max Munzl so eine Art junge deutsche Ausgabe von Columbo: verpeilt, unbedarft, unfähig, aber eigentlich doch am Ende doch immer schlauer und überlegter als man ihm zugetraut hat.

  • Rutschgefahr

    Bei ihren Promoauftritten für Feuchtgebiete war Charlotte Roche immer ein Garant für gute Unterhaltung. Das lag zum einen an ihr selbst und zum anderen natürlich auch am Thema. Auf youtube gibts u.a. ihre charmanten Auftritte bei der N3-Talkshow und bei Kerner, der hörbar Mühe mit dem Thema hat, zu sehen.

    Von darstellenden Umsetzungen ihres Buches wollte Roche zunächst nichts wissen. Das Neue Theater Halle hat aber offenbar lange genug gebettelt und stellt sich jetzt der letzten Herausforderung des Regietheaters, wie es die Süddeutsche formuliert, indem es eine Bühnenfassung des Bestsellers herausbringt. So gering die Rutschgefahr in kommerzieller Hinsicht sein dürfte, so groß ist sie vermutlich in künstlerischer. Deswegen schon mal ein herzliches toi, toi, toi!

  • Demokratische Kultur in Deutschland und Europa

    Der Wirbel, den das Nein der Iren zum Vertrag von Lissabon verursacht hat, zeigt wie schlecht es um die demokratische Kultur in Europa steht. Anders als viele Politiker jetzt glauben machen wollen, haben 1 Million Iren nicht 500 Mio. Europäern ihren unmaßgeblichen Willen aufgedrückt, sondern als einzige die Möglichkeit gehabt, ihren Willen wirklich demokratisch kund zu tun und das stellvertretend für die Mehrheit der Europäerinnen und Europäer getan. Die Drohungen gegen Irland und gegen Länder, die die Entscheidung der Iren ernst nehmen und die Ratifizierung des Vertrags aussetzen (Polen, Tschenien), zeigen deswegen die anmaßende Gesinnung hinter der demokratischen Maske von Steinmeier, Schäuble, Koch-Mehrin und allen möglichen anderen Politikern.

    Volksentscheide werden gerne als Befindlichkeitsbarometer abqualifiziert, untauglich als maßgebendes Element demokratischer Prozesse. Einigermaßen erstaunlich ist deswegen, was Horst Köhler kürzlich zu diesem Thema gesagt hat. Er fordert mehr demokratische Teilhabe der Bevölkerung, denn: »Es ist auch Eure Demokratie, also helft bitte mit, etwas Gutes draus zu machen.« Wobei dieses unscheinbare Wörtchen »auch« höchst verräterisch ist. Offenbar meint auch Köhler, dass es »vor allem« die Demokratie der Berufspolitiker, Bürokraten, Lobbyisten und Berater ist. Diese Herrschaftsform ist aber eigentlich die Aristokratie, denn das heißt wörtlich übersetzt »Herrschaft der Besten«. Nur: Wenn man es so sagt, besteht allerdings kein Zweifel mehr, dass das niemand wollen kann. Also bleiben wir lieber bei »parlamentarische Demokratie«.

    Dass es übrigens sehr gute juristische Gründe gibt, gegen den Vertrag von Lissabon zu sein, wurde in der Diskussionsrunde zum bei Phoenix deutlich, in der auch Karl Albrecht Schachtschneider zu Gast war – emeritierter Jura-Professor aus Erlangen, der gegen die Ratifizierung des Vertrages durch Bundestag und Bundesrat Verfassungsbeschwerde eingelegt hat.

  • Shining eyes mit Benjamin Zander

    Eigentlich halte ich die Behauptung, dass Musik eine universelle Sprache ist, die jeder versteht, die alle Grenzen überwindet usw. für musiksoziologisch verklärtes Blabla. Aber nicht aus dem Munde des Dirigenten Benjamin Zander, der zwar Engländer ist, aber eine sehr amerikanische Begeisterungs- und Lehrfähigkeit hat, die an Leonard Bernstein erinnert. Denn Zander »beweist« in diesem Clip, dass es niemanden gibt, der mit klassischer Musik nichts anfangen kann.