Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Autor: Christian Holst

  • Beethoven groovt

    Ich finde es sehr traurig, dass es eine Barriere gibt zwischen der klassischen Musik und dem, was junge Leute hören.

    klagt Paavo Järvi, Chefdirigent des HR-Sinfonieorchesters, und hat deswegen das Music Discovery Project ins Leben gerufen. Ich persönlich vermute zwar, dass die Barriere z.B. zwischen Techno und Heavy Metal sehr viel größer ist als die zwischen Klassik und Pop, aber das soll hier mal dahingestellt bleiben.

    Järvi jedenfalls hat im Rahmen dieses Music Discovery Projects mit dem Musikproduzenten Mousse T. zusammen ein Programm konzipiert mit dem Titel A Taste of Beethovens 5th. Dieser Titel trifft es recht gut. Ich finde, diese Stücke mit den Beethoven-Samples sind originell und gut gemacht. Auch die Idee, das ganze um nicht-musikalische »Performances« zu (Tanz, Video) erweitern, ist nicht schlecht. Auf jeden Fall macht es Spaß, sich die Aufzeichnung des Konzerts anzugucken. Damit ist ja schonmal viel gewonnen.

    Mir ist allerdings die musikpädagogische Strategie nicht so ganz deutlich. Möchte man auf diese Weise mittelfristig dahin kommen, dass Mousse T.-Fans in ganz normale Sinfoniekonzerte gehen, wo Beethoven dann nicht mehr so groovt? Ich bezweifle, dass dieser Plan aufgeht. Oder reicht es dem Orchester, junge Leute zu erreichen, indem es Klassik-Versatzstücke zu Musik beisteuert, die diese eigentlich hören wollen? Das kann auch nicht der Anspruch eines Kulturorchesters sein.

    Nachtrag, 18.2.: In der FR gab es heute eine Besprechung zu dem Event mit etwa gleichen Erkenntnissen.

  • Mozart mal so

    Nachdem ich neulich von René Jacobs Einspielung des Weihnachtsoratoriums geschwärmt habe, möchte ich heute über seine Don Giovanni-Aufnahme schwärmen. Sie ist ein Beweis für meine gestrige These, dass gute Musik vor allem auch eine Frage der Interpretation ist. Bei Jacobs erübrigt sich jedenfalls die Frage, ob es unbedingt noch eine weitere Aufnahme von diesem Werk geben muss, an dem sich mittlerweile ja auch schon etliche Alte Musik-Experten abgearbeitet haben. Im Unterschied zu denen kann Jacobs sich aber alles Rechthaberische verkneifen. Sein Ansatz klingt nach: »Warum nicht mal so?« Und als Zuhörer denkt man: »Ja genau, warum nicht mal so?«

    Ein Beispiel: Die berühmte Champagner-Arie dirigiert Jacobs ungewöhnlich langsam. Normalerweise wird sie zum Bravourstück für den Dirigenten, mit dem er zeigen kann, bei welch enormen Tempo er Orchester und Sänger noch zusammenhalten kann. Jacobs dagegen gibt der Arie durch das langsame Tempo eine tänzerische Leichtigkeit die zeigt, dass Don Giovanni nicht nur skrupelloser Draufgänger, sondern auch ein charmanter Verführer ist.

    Wenig rechthaberisch wirkt Jacobs Aufnahme auch aufgrund der vokalen Improvisationen und Freiheiten in der Tempogestaltung, die natürlich nicht zwingend, aber immer sehr sinnfällig sind. Im Booklet erfährt man, dass Mozart es »für phantasielos und grob gehalten« hätte, auf solche Verzierungen und Freiheiten wie heute meistens üblich zu verzichten. Zurecht muss man sagen, wenn man Jacobs Aufnahme kennt! Denn hier werden beispielsweise die Themen der Arien immer wieder in der Rezitativbegleitung aufgegriffen, wodurch sozusagen interne Links geschaffen werden. Ein anderes schönes Beispiel ist Zerlinas »Batti, batti«-Arie, in der sie ihren Verlobten zu überzeugen versucht, dass er zu unrecht eifersüchtig ist. Die mal scharfen, mal schmeichelnden Verzierungen und Vorschläge der Sängerin und ungewohnt gesetzte Akzente im Orchester machen dabei deutlich, dass Zerlina nicht bloß sanft-devotes Gesäusel von sich gibt (»Wie ein Lämmchen will ich deine Prügel erwarten«), sondern es sich dabei um berechnende Koketterie handelt. Man muss Zerlina also nicht zur Pornodarstellerin machen, um das rüber zu bringen. 😉

  • das Kulturblog

    Zukünftig werde ich dieses Blog nur noch in größeren Abständen aktualisieren, und mich stattdessen in meinem neuen Kulturblog betätigen. Thematisch und inhaltlich wird es fürs erste nicht viel anders sein als holstblog, allerdings ohne persönliche Berichte über Ausflüge aufs Jungfraujoch oder ähnlichem.

    Falls jemand übrigens einen guten Vorschlag für einen Slogan für das kulturblog hat, immer her damit. Das Stockhausen-Zitat ist zwar ganz witzig, aber letztlich doch etwas irreführend. Fleißiges Kommentieren ist natürlich dort wie hier gewünscht!

  • Metamorphose des Brockhaus

    Ein aktuell viel diskutiertes Thema in Feuilletons und Blogs ist die Ankündigung, dass es den Brockhaus zukünftig nur noch online geben wird. Warum da allerdings vom Tod des Brockhaus die Rede ist, habe ich nicht ganz verstanden. Schließlich sind doch trotz aller Statussymbolträchtigkeit des gedruckten Brockhaus im Wohnzimmerschrank die Inhalte das Entscheidende und die bleiben erhalten. Ob sich der Online-Brockhaus dann gegen Wikipedia behaupten kann, wird sich erst noch zeigen. Die Chancen, dass das gelingt, stehen allerdings nicht schlecht, denn der Brockhaus genießt »ein wesentlich größeres Vertrauen als Wikipedia«, wie Christian Henner-Fehr schreibt. Das ist sicher richtig.

  • Nicht mehr lange umsonst?

    Mit den kostenlosen Museumseintritten könnte es schnell wieder vorbei sein, wenn der Kunstraub weiter floriert. Von irgendwas müssen schließlich die Versicherungsprämien bezahlt werden, die ordentlich steigen dürften, wenn die Versicherungen vermehrt für den Rückkauf der Bilder von den Kidnappern aufkommen müssen. 😉

  • Smoke on the Griffbrett

    Das Riff des Deep Purple-Songs »Smoke on the Water« ist eins der bekanntesten und meistgespielten Gitarrenriffs überhaupt. Und weil es so simpel ist, dass wirklich jeder angehende Rocker es spielen kann, gilt in den meisten Gitarrenläden ein per Aushang verhängtes Spielverbot. Eine verständliche Reaktion der Ladenbesitzer, die allerdings durch neue fragwürdige Auswüchse kompensiert wird: (am besten vorspulen bis 1:58)

    Man erkennt sofort die zwingende Notwendigkeit der Verbotsschilder. Allerdings sollten sie abgehängt werden, sobald Gitarrenfreak Mattias Ia Eklundh den Laden betritt, denn seine Neuinterpretation des Songs ist einfach sensationell und zeigt, das gute Musik vor allem auch eine Frage der Interpretation ist. In voller Länge ist der Song zu hören auf dem Album Freak Guitar, dessen Titel man kaum ernst genug nehmen kann. 😉

  • Filmtipp: Schräger als Fiktion

    Der sehr normale, ziemlich zwanghafte Steuerbeamte Harold Crick (Will Ferrell) stellt eines Tages fest, dass er Held des Romans der Bestseller-Autorin Karen Eiffel ist (Grandios wie immer: Emma Thompson). Das heißt, ihm passieren die Dinge, die Eiffel schreibt. Das ist zuerst noch nicht schlimm, als er sich in eine Steuerhinterzieherin verliebt. Allerdings kommt er irgendwann dahinter, dass noch kein Romanheld von Eiffel die Geschichte überlebt hat. Also kriegt er es mit der Angst zu tun und versucht, die Autorin zu finden und sie persönlich davon zu überzeugen, es diesmal anders enden zu lassen.

    Diese Idee ist sehr unterhaltsam und witzig und abseits der Geschichten und Erzählmuster, die man sonst so aus Filmen kennt. Was mich nur unheimlich gestört hat, war die völlig unglaubwürdige Behauptung im Film, der Roman sei ein großartiges Meisterwerk, der eigentlich nicht anders enden dürfe, als Eiffel es eben am besten kann. Von dem her zu urteilen, was man als Zuschauer von Eiffels Geschichte mitbekommt, ist es ein blödes Buch. Ungefähr so blöd wie ein Coelho-Roman. Der Film ist schließlich auch nicht gut, weil Cricks Geschichte interessant wäre, sondern weil Crick ein merkwürdiger Grenzgänger zwischen Realität und Fiktion ist.

    Die DVD bei Amazon.

  • Ökologischer Fußabdruck

    Auf footprint.ch kann man seinen persönlichen ökologischen Fußabdruck auf unserem Planeten ermitteln. Dieser Fußabdruck zeigt an, in welchem Maße man ökologisch über die Verhältnisse lebt. Mein persönliches Ergebnis ist 1,7, das heißt ich verbrauche das 1,7-fache dessen, was mir die Erde anteilig an Ressourcen zur Verfügung stellt (Deutscher Durchschnitt: 2,5). Ein Bangladese (oder wie heißen die Einwohner von Bangladesch?) muss es für mich ausbaden, denn der durchschnittliche ökologische Fußabdruck in Bangladesch beträgt nur 0,3. Global gesehen geht diese Rechnung aber schon nicht mehr auf, der weltweite Durchschnittswert beträgt nämlich 1,3. Schuld sind die Amis, die so tun, als gäbe es die Erde 5,8 Mal. Wie sieht es bei euch aus?

  • Khuon zum Subventionsgemäkel

    Die Äußerungen etlicher Theaterleute, z.B. Schlingensief, Stein oder Peymann, lassen mitunter mehr auf Wahnsinn denn auf Genie schließen. Thalia-Theater-Intendant Ulrich Khuon schafft es dagegen auch mit bedachten, klugen Äußerungen in die Medien. Aktuell äußert er sich bei Spiegel online zu dem Gemäkel in den Feuilletons der Süddeutschen und der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, es gebe zuviel Kultur-Subvention. Das fügt sich zwar harmonisch in den Chor zeitgeistiger Klagen über die ausufernde staatliche Einmischung in eigentlich alles, lässt sich aber durch ein paar einfache Zahlen mühelos widerlegen. Dazu muss man noch nicht besonders klug sein. Klug sind aber Khuons inhaltliche Entgegnungen, insbesondere der letzte Absatz des Artikels.

  • Alles umsonst

    Vor kurzem habe ich in einem Kommentar im Kulturmanagement-Blog noch behauptet, die Eintrittspreise in deutschen Museen seien kaum ein Grund, der einen vom Besuch abhält. Normalpreise liegen in deutschen Museen mit etwa zwischen 3 und 8 Euro nicht sonderlich hoch, ein Museum das mehr verlangt muss schon ganz schön was zu bieten haben. Außerdem gibt es großzügige Ermäßigungen für allerlei Personengruppen vom Kleinkind bis zum Senioren, des Weiteren Flatrates (Jahreskarten) oder »Happy Fridays« o.ä., wo der Eintritt nichts kostet.

    In der Zeit gibt es allerdings einen Artikel, der diese These zu widerlegen scheint. Museen in London und Stockholm konnten enorme Besucherzuwächse verzeichnen, als sie die Eintrittspreise abschafften. Allerdings fehlt in dem Bericht die Information, wie hoch die Eintrittspreise vormals waren. Nichtsdestotrotz gefällt mir die Forderung des Artikels, konsequent auf öffentliche Finanzierung zu setzen, ohne Sponsoring on top, was ja ohnehin nur ein schöneres Wort für öffentlich subventionierte Werbung ist. 😉