Christian Holst

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Autor: Christian Holst

  • Filmkritik: Crossroads

    Unterhaltungsprogramm im Zug: der Blues-Film Crossroads. Die Geschichte ist eigentlich so einfach wie der Blues selbst: Willie Brown hatte vor langer Zeit dem Teufel seine Seele dafür versprochen, dass er ihn den wahren Blues lehrt. Jetzt, wo er 80 ist, will er den Vertrag lösen und benutzt den blues-versessenen, Gitarre spielenden Juilliard-School-Studenten Eugene Martone dazu, ihn zurück zu den Crossroads in Mississippi zu bringen, wo er einst den Pakt mit dem Teufel schloss.

    Auf der beschwerlichen Reise nach Mississippi lernt Eugene den wahren Blues, den man an keiner Akademie lernen kann. An der Juilliard School schon gar nicht. Eugene verliebt sich unglücklich, sie werden von der Polizei aufgeschnappt, sie schlafen in Scheunen, kriegen es mit Zuhältern und anderen zwielichtigen Personen zu tun etc. Schließlich treffen sie den Teufel, der nach einigen Verhandlungen bereit ist, den alten Mann aus dem Vertrag zu lassen, wenn Eugene gegen einen »Teufels-Gitarristen« (gespielt von Steve Vai) ein Duell gewinnt. Viele, viele Töne werden ausgeteilt bevor am Ende natürlich Eugene einen klaren K.O.-Sieg verbuchen kann. Ironischerweise ist es aber ein auf der Juilliard School und nicht auf der Straße gelerntes Stück, das dem »Bluesman« die Seele rettet: das Cappriccio Nr. 5 vom »Teufelsgeiger« Nicolo Pagagini. Bei diesem Beinamen muss man auch hier sagen: ironischerweise.

    Guckst du hier:

  • Würdeloses iPhone

    Heute morgen hatte ich das Vergnügen, ein simlockfreies iPhone zu entsperren. Eigentlich ganz einfach. Eigentlich. Nach dieser Erfahrung werde ich es keinem Apple-User mehr durchgehen lassen, sich über Windows lustig zu machen. Was Apple mit dem iPhone veranstaltet, hat Microsoft schon seit Jahren hinter sich: Funktionstüchtigkeit nach dem Zufallsprinzip, nicht nachvollziehbare Programmreaktionen, schlechter Service, ahnungslose Kundenberater. Außerdem finde ich, dass der Touchscreen das iPhone zu einem würdelosen Gerät macht. Hätte es ein bisschen Selbstachtung, würde es sich doch nicht andauernd und zwingenderweise betatschen lassen.

  • Nichts gegen Ikea

    Nachdem ich die letzten Tage damit verbracht habe, diverse Ikea-Möbel aufzubauen, muss ich mit einem Vorurteil aufräumen, auf dem ganze Programme von Fernseh-Comedians a la Mario Barth fußen. Dem Vorurteil nämlich, dass es wahnsinnig kompliziert sei, Ikea-Möbel aufzubauen, weil die Anleitung unverständlich ist, weil immer irgendwelche Teile fehlen und die Hotline, die man dann anrufen soll, keine Ahnung von gar nichts hat usw. Und wenn man dann doch alles einigermaßen hinbekommen hat und das Möbel aufstellt, ist alles krumm und schief oder fällt gleich wieder in sich zusammen oder so. Haha. An diesem Vorurteil ist jedoch nichts (mehr) dran. Nicht nur, dass die Anleitung alle erforderlichen Informationen enthält und alle Teile dabei waren: ich fand sogar, es ist ein planerisches Meisterstück, wie alles so konzipiert und vorbereitet ist, dass man es platzsparend transportieren kann, in überschaubarer Zeit zu Hause zusammenbauen kann und man dann gutaussehende, stabile Möbel bei sich rumstehen hat. Und der gewisse Stolz, dass diese hochwertigen Möbel praktisch Ergebnis eigener Arbeit sind, ist auch nicht zu verachten. 😉

  • Dezente Verlinkung

    Dank Amazon hatte ich einen denkbar stressfreien Weihnachtseinkauf. Man kann gegen das Internet sagen was man will, aber allein schon ein kurzer Blick – am besten an einem Samstag – auf den dezemberlichen Einkaufsterror in Innenstädten und Kaufhäusern führt einem seinen Nutzen drastisch vor Augen. Vor lauter Dank an Amazon habe ich neuerdings dezente Verlinkungen in mein Blog eingebaut: Siehe rechte Spalte ganz unten. Wer mir einen Gefallen tun möchte, sucht die Amazon-Seite zukünftig über die Links auf dieser Seite auf. 🙂 Im Sinne höchstmöglicher Transparenz: ich werde mit 5% an den Umsätzen beteiligt, die über mein Blog zustandekommen. Bezüglich der inhaltlichen Unabhängigkeit, die bekanntermaßen ein wesentliches Qualitätsmerkmal dieses Blogs ist, besteht allerdings auch zukünftig kein Grund zur Sorge. 😉

  • Unerschöpflicher Hörgenuss

    Das Weihnachtsoratorium probend stellte Beisasse die Frage, ob es wichtig ist zu wissen, wie die musikalische Leitung die geistliche Bedeutung der Musik einschätzt. Da ich gerade die unerreichte Weihnachtsoratoriums-Aufnahme von René Jacobs rauf und runter höre, meine ich, dass es zumindest ein großer und unerschöpflicher Hörgenuss ist, wenn dem Text genau nachgespürt wird. Zum Beispiel in der Arie »Großer Herr und starker König«, wo die Trompete (klingendes Symbol königlicher Macht) mal schmetternd, mal weich intoniert, je nachdem, ob gerade vom »großen Herrn« oder vom »liebsten Heiland« die Rede ist.

    Allerdings ist diese Musik auch dann noch wunderbar, wenn die Geigen permanent ein Achtel hinter den anderen Instrumenten herhinken. So war es nämlich am vergangenen Sonntag bei der Aufführung im Bremer Dom. Dank Chor und Solisten war es nichts destotrotz ein sehr schönes Konzert.

  • Franziskus auf tönenden Pfannkuchen

    Von Saint Francois d’Assise gibt es übrigens eine wirklich hervorragende Aufnahme unter der Leitung von Kent Nagano. Getragen wird sie insbesondere von einem grandiosen José van Dam in der Titelrolle. Ihm gelingt es, die demutvolle Haltung des Rollencharakters auch gesanglich umzusetzen und gleichzeitig würdevolle Autorität auszustrahlen. Sein Gesang ist geradlinig, unprätentiös aber mit dezentem Pathos. Wunderschön, sozusagen mit überirdisch reiner Stimme, singt auch Dawn Upshaw die Rolle des Engels. Orchester und Chor sind brillant und sehr präzise und bringen trotzdem die Innerlichkeit wunderbar zur Geltung. Erstaunlich, aber sehr lobenswert, dass sich die Deutsche Grammophon auf solch ein sicher nicht sehr lukratives, aber in jedem Fall künstlerisch lohnenswertes Projekt eingelassen hat.

  • Politisches Erdbeben

    In der Schweiz ereignet sich gerade etwas, was Medien wohl gerne als »politisches Erdbeben« oder auch als »Politkrimi« bezeichnen. Gestern waren Bundesratswahlen. Der Schweizer Bundesrat entspricht in etwa der deutschen Bundesregierung. Anders als die deutschen Minister, werden die Bundesräte aber direkt vom Parlament gewählt. Dazu stellt jede der vier großen Parteien entsprechend ihrer Größe Kandidaten zur Wahl. Bei der rechtskonservativen SVP, größte Fraktion im Schweizer Bundesparlament, waren das Samuel Schmid und Christoph Blocher. Letzterer ist so eine Art schweizerischer Markus Söder, nur älter und in sehr viel bedeutenderen Positionen. Auf jeden Fall scheiden sich an ihm schon lange die Geister. Deswegen vereitelten die gegnerischen Fraktionen in einer konzertierten Aktion seine Wiederwahl, indem sie einfach seine Partei-Kollegin mit dem lustigen Namen Eveline Widmer-Schlumpf wählten, obwohl die gar nicht offiziell zur Wahl stand und bisher Kantonspolitik gemacht hat. Diese Aktion wurde streng geheim vorbereitet, so dass niemand etwas ahnte und das Abstimmungsergebnis dann eine echte Sensation, eben ein politisches Erdbeben, darstellte. Eveline Widmer-Schlumpf hatte daraufhin die schwierige Entscheidung zu treffen, ob sie die Wahl annimmt und damit ihre eigene Partei gegen sich aufbringt. Denn die SVP drohte, in die Opposition zu gehen, die es in der Schweizer Konkordanz-Demokratie eigentlich gar nicht gibt, sollte sie ihre offiziellen Kandidaten nicht durchbekommen.

    Heute morgen hat Widmer-Schlumpf die Wahl nun angenommen, die SVP hat ihr die Unterstützung versagt und wird jetzt als Opposition alles untergraben, was sie und die Regierung unternehmen. Etliche Leute meinen aber, dass das eigentlich keinen Unterschied mache, weil Blocher schon zuvor das Kunststück gelungen sei, Regierungsmitglied und zugleich Oppositionsführer zu sein.

    Bei aller Spannung in dieser Angelegenheit schien es mir doch so, dass alles vergleichsweise unaufgeregt über die Bühne ging und man schnell wieder zur Tagesordnung überging. Zwei beleidigte, aber noch nicht einmal besonders scharf formulierte Erklärungen der SVP und ein paar verbale Muskelspielchen in Interviews, aber das wars dann schon fast. Ich glaube, in Deutschland hättte so ein Coup sehr viel größere Wellen geschlagen und das politische Geschäft für Tage oder Wochen aus dem Tritt gebracht.

  • Fünf Mal Oper

    Da ich fand, dass es mal wieder Zeit ist für eine neue Folge in der Reihe »Fünf mal…« ist, hier und heute fünf hörenswerte Opern.

    Norma mochte schon Wagner, was erstaunlich ist, weil er ja normalerweise kein gutes Haar an der italienischen Oper ließ. Und Norma ist durch und durch italienische Oper: Liebe, Eifersucht, Tod und wunderbare Melodien. Seit ich Norma an der Stuttgarter Staatsoper gesehen habe, mag ich sie auch. Hauptgrund war die wirklich phänomenal singende Catherine Naglestad, die auf sehr eindrucksvolle Weise vorgeführt hat, in welche euphorische Verzückung man durch vollendeten Belcanto versetzt werden kann.

    Ich zähle mich nicht zu den großen Mozartfans und freue mich durchaus über so ketzerische Aussagen wie den berühmten Kommentar von Glenn Gould zur g-Moll Sinfonie: »Die Sinfonie in g-Moll besteht aus acht bemerkenswerten Takten umgeben von einer halben Stunde Banalität.« Hehe! Allerdings bin ich ein großer Fan von Le Nozze di Figaro. Für mich zweifellos und mit Abstand die beste Mozartoper und eine der besten Opern überhaupt. Wenn es gut läuft, sitzt man im Theater und ist nach zwei Takten Ouvertüre einfach gut drauf. Wenn es nicht so gut läuft, kann es allerdings auch ein langer Abend werden.

    Sehr viel deutscher als diese beiden Opern ist Wagners Parsifal. Für ihren quasi-religiösen Charakter, der schon in der bemerkenswerten Gattungsbezeichnung Bühnenweihfestspiel zum Ausdruck kommt, wurde und wird sie häufig belächelt. Zu allererst von Nietzsche, heute von jedem Regisseur, der nicht für blöd und reaktionär gehalten werden möchte. Das ist schade, denn in dieser Hinsicht ernst genommen wäre das Bühnenweihfestspiel mit Sicherheit »verstörender« als das, was Regisseuren so dazu einfällt.

    Aufgrund des ebenfalls religiös anmutenden Sujets irgendwie ähnlich ist Olivier Messiaens Oper Saint Francois d’Assise. Noch mehr als bei Parsifal ist bei Francois d’Assise allerdings die Frage, ob man von Oper überhaupt sprechen kann. Messiaen gab dem Werk den Untertitel »Franziskanische Szenen«, was sicher eine treffendere Gattungsbezeichnung ist. Bei den Szenen handelt es sich eher um szenische Meditationen über Stationen im Leben des Franz von Assisi. Erstaunlich ist der tiefe, gänzlich undistanzierende, unironische Ernst dieses Werks. Die Auftritte des Engels gehören in meinen Augen zu dem Schönsten, was die Musik des letzten Jahrhunderts zu bieten hat (weil es eigentlich wie Musik des vorletzten Jahrhunderts klingt 😉 ), die Szene, in der Franziskus die Wundmale empfängt, zu dem Monumentalsten und Beeindruckendsten.

    Über The Fairy Queen von Purcell habe ich schon einmal im Beitrag Fünf Mal Barock geschrieben. Meistens finde ich Barockoper ziemlich langweilig, aber diese ist wirklich bezaubernd.

  • Drei Orangen

    Endlich bin ich jetzt mal dazu gekommen, die Aufnahme von »L’Amour des trois Oranges« zu hören, die schon seit langer Zeit in meinem Besitz ist, die ich aber irgendwie nie die Lust zu hören hatte. Das hing wahrscheinlich mit der Erinnerung an eine anstrengende Aufführung dieser Oper in der Komischen Oper Berlin statt. Diese Aufführung war so anstrengend, dass ich kurzerhand eingeschlafen bin. Aber das hatte weniger mit der Qualität der Darbietung zu tun als mit meiner Verfassung an jenem Tag. Trotzdem ist mir der gesamte Abend nicht in besonders guter Erinnerung.

    Jetzt hat mir die Musik beim Hören allerdings wirklich gut gefallen. Sie ist gewitzt, schnell und mitunter auch abgedreht und erinnert daher etwas an »Die Nase« oder andere, leichtere Musik von Schostakowitsch. Auch die Geschichte ist bei Prokofiew ähnlich absurd wie in »Die Nase«. Insgesamt jedoch alles sehr viel zahmer, was mir aber nur recht ist.

  • Totale Sicherheit

    Kürzlich sah ich Minority Report. Ein ziemlich guter Film. Wenn man so will trotz Tom Cruise, der ja nicht gerade ein besonders guter Schauspieler ist. Sonst hätte er wohl bei der Bambi-Verleihung auch nicht in der fragwürdigen Kategorie »Mut« ausgezeichnet werden müssen und sich vielleicht auch nicht mit seiner Dankesrede blamiert. (»Es lebe das heilige Deutschland!«)

    Wie auch immer, Minority Report hat eine intelligente, gute Geschichte, die nachher doch nicht so vorhersehbar ist, wie es zunächst scheint. Für die handelnden Figuren ebenso wie für den Zuschauer. Das Gute an dem Film ist aber vor allem das Zukunftsszenario, das er zeichnet. Zum Beispiel personalisierte Werbung im Kaufhaus dank Iris-Scan am Eingang. Das ist einerseits (noch) eine witzige Vorstellung, andererseits aber auch nur Tendenzen der heutigen Werbung und Kundenbindung konsequent weiter gedacht. Der Film macht so auf anschauliche (weil natürlich auch etwas überspitzte) Weise klar, welche Folgen die totale Durchleuchtung der Menschen hat, die eigentlich doch nur den totalen Service und die totale Sicherheit verspricht. Angesichts der sicherheitspolitischen Diskussionen, die gerade geführt werden, wird einem da direkt mulmig. Siehe dazu z.B. hier.