Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Autor: Christian Holst

  • 40% vorbei, 60% übrig

    Auf der Seite Novafeel kann man sich den etwas makabren Spaß machen, die eigene Lebenserwartung auszurechnen. Berechnungsgrundlage sind die Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes von 1999/2001. Vorausgesetzt ich bin zu 100% durchschnittlich, habe ich gerade ziemlich genau 40% meiner Lebenszeit hinter mir und werde den 5. August 2053 noch (zum Teil), aber den 6. August 2053 nicht mehr erleben. Das ist ein sehr komischer Gedanke, sich das so vor Augen zu führen, auch wenn es eigentlich keine praktische Aussagekraft hat.

    Aber damit man durch solche Berechnung nicht zu depressiv wird steht über dem Ergebnis: »Herzlichen Glückwunsch, Sie gehören zu den 98,081 %, der mit Ihnen an Ihrem Geburtstag geborenen, die noch leben.« Klingt irgendwie, als hätte man Glück gehabt. Was mich nur wundert ist, dass meine Lebenserwartung um vier Jahre geringer ist als die meines Vaters. Ich dachte, sie würde immer länger werden. Das wird einem ja zumindest ständig erzählt. Aber vielleicht liegt das daran, dass viele meiner Altersgenossen schon seit jungen Jahren adipös sind und damit den Schnitt senken?

  • Die Rettung der Oper?

    Mittlerweile ist es ein bisschen her, dass Paul Potts in der Casting-Show »Britain’s got talent« gewonnen hat, aber ich bin erst heute im Opernblog drauf gestoßen. Eine schöne Geschichte, wie der unsichere, pummelige, schiefzähnige Handyverkäufer aus Wales das weibliche Jury-Mitglied und das Publikum um die Fassung bringt.

    Ob allerdings Paul Potts einem jungen Publikum die Oper nahezubringen vermag, wie ich es schon irgendwo frohlocken hörte bzw. las, wage ich zu bezweifeln. Oder hat man in letzter Zeit vermehrt Langhaarige in Lederkluft und Manowar-T-Shirt in »Turandot«-Vorstellungen gesehen?

    Gut, das hier ist natürlich ziemlich schrecklich gesungen. 🙂

  • Früher war alles besser

    Gestern in München habe ich gleich die kompletten bis jetzt verfügbaren Folgen von Ein Kontrabass spielt (selten) allein gehört. Wie ich schon sagte, ist es ein wirklich netter, unterhaltsamer und empfehlenswerter Podcast. Allerdings sollte man vielleicht nicht alles hintereinander weghören, denn mir ging irgendwann der ständige Lobgesang auf die guten alten Zeiten, in denen es noch richtige Dirigenten wie Karajan oder Furtwängler gab, etwas auf den Keks. Wie war das doch schön und vor allem so originell, wenn Karajan unzufrieden war und dem Orchester androhte, es zusammenbinden, mit Benzin übergießen und anzünden zu wollen! Heute dagegen machen die Dirigenten auf Kumpel und wollen, dass man sie Claudio nennt.

  • Schrumm schrumm

    Ein Kontrabass spielt (selten) allein. Bernd Röthlingshöfer ist vor einiger Zeit drauf gestoßen – bei der Suche nach dem ältesten Blogger. Friedrich Witt, der das Blog/den Podcast betreibt und darin aus seiner Zeit als Solobassist der Berliner Philharmoniker erzählt, ist immerhin 77 Jahre alt. Ich bin erst jetzt dazu gekommen, mal reinzuhören und bin begeistert! Ich habe mir gleich alle Episoden auf den iPod gezogen und freue mich morgen auf München, wo ich sicher einige Folgen werde hören können. Aber auch für Personen ohne ausgeprägtes Faible für Orchester und Dirigenten ist es sicher sehr nett und interessant, nicht zuletzt wegen der Kontrabasseinlagen. Denn der Titel bringt es auf den Punkt: Wann hört man schon mal einen Kontrabass allein?

  • Lots of love to Steve!

    Steve Vai ist ja so cool!! Bei seinem Ulmer Konzert vor einigen Wochen hat er ein junges Mädel auf die Bühne geholt und mit ihr zusammen »Answers« gespielt. Wie man bei youtube und myspace sehen kann, meistert »Yasi« mit ihren 14 Jahren die gitarristischen Herausforderungen von Vais Songs ziemlich perfekt. Irgendwie witzig, wie sich bei ihr boygroupfanartiges Verhalten (siehe das selbstgemalte Plakat im Hintergrund) mit virtuoser Spieltechnik paart.

  • Im Supermarkt die Seele retten

    Nachdem ich mich neulich als Vertreter des LOHAS outete, brachte Y. noch den LOVOS (Lifestyle Of VOluntary Simplicity) und den Karmakonsum ins Spiel, wenn man so will die fundamentalistischen Varianten des LOHAS. Auf jeden Fall ist das eine ganz interessante Sache. Denn war es nicht eine zeitlang eine beliebte These, dass der Kapitalismus in unserer Zeit zur neuen Religion würde? Jetzt scheint sich eine Synthese zu vollziehen und der Kapitalismus bekommt ein geradezu spirituelles Element.

    Übrigens gibt es auch noch die DINKYs (Double Income No Kids Yet), zu denen ich mich bzw. unseren Haushalt auch zählen könnte. Es klingt zwar vielleicht etwas besser als LOHAS (obwohl…?), aber es verrät nicht, dass man ein guter Mensch ist. Also lieber LOHAS.

  • Lang

    Karstadt in Bremen hat eine coole Adresse: Obernstraße 5-33. Schlappe 14 Hausnummern für ein Gebäude. Dazu drängt sich förmlich ein alter Witz von Otto auf: »Ich habe einen Freund, der ist von Geburt aus sehr lang. – Er wurde geboren am 23., 24. und 25. Juli.«

    Aprospros lang: Ich lese gerade ein sehr interessantes Buch mit dem Titel Der lange Schwanz (kicher kicher). In diesem Buch wird erklärt, warum Karstadt in nicht allzu ferner Zukunft möglicherweise ein paar von seinen Hausnummern wird abtreten müssen. Konkret: Der Autor Chris Anderson beschreibt, wie das Internet das Verhältnis von Angebot und Nachfrage verändert. Im Internet können nämlich nicht mehr nur die Hits angeboten werden, also wenige Produkte, die mit ziemlicher Sicherheit in kurzer Zeit einen Abnehmer finden, sondern eigentlich alle Produkte, die irgendwann irgendjemand auf der Welt mal haben wollen könnte. Das ergibt einen langen Rattenschwanz an Produkten, die bei Karstadt nicht rentabel verkauft werden können, weil sie kostspieligen Regalplatz beanspruchen. Im Internet dagegen beanspruchen sie lediglich etwas Speicherplatz und ein bisschen Übertragungskapazität und dann ist es egal, wenn sich in ganz Bremen kein einziger Mensch dafür interessiert. Dadurch ändert sich der Konsum grundlegend, weil hier wieder echte, funktionierende Märkte entstehen: viele kleine Anbieter und viele kleine Abnehmer.

    Angenehmerweise ist das Buch auch sehr gut geschrieben, was für amerikanische Sachbücher ja keineswegs selbstverständlich ist. Sie sind häufig oberflächlich und in einem nervtötenden Motivations-Jargon mit direkter Anrede geschrieben, was oft schwer zu ertragen ist. Das vielgerühmte Cluetrain-Manifest, das als eine Art Bibel des Web 2.0- und Internetzeitalters gefeiert wird, habe ich deswegen nach ein paar Seiten erbost in die Ecke gepfeffert. Wie auch immer, »Der lange Schwanz« ist anders und sei hiermit ausdrücklich empfohlen.

  • Museen, die die Welt nicht braucht

    Es gibt schon sehr merkwürdige Museen. Als sei ein Osterhasen-Museum oder ein Stoßstangenmuseum nicht verrückt genug, gibt es in München sogar ein Bourdalou-Museum. Wer weiß schon was ein Bourdalou ist? Google natürlich. Im Netz findet man dazu in etwa folgende Geschichte, deren Wahrheitsgehalt allerdings nicht gesichert ist.

    Am Hof des Sonnenkönigs Ludwig XIV. pflegte ein Jesuitenpater namens Louis Bourdaloue nicht enden wollende, aber offenbar sehr fesselnde Predigten zu halten. Um zwischendurch nicht austreten zu müssen und womöglich etwas entscheidendes zu verpassen, kamen einige Damen des Hofes auf die Idee, Saucieren mit in die Kirche zu nehmen, um ggf. ihre Blase leeren zu können. Angeblich war das leicht möglich, da erstens die weiten Röcke permanent knisterten und raschelten und verdächtige Geräusche weitgehend übertönten und es zweitens nicht üblich war, Unterwäsche zu tragen. Unklar bleibt höchstens, wie die randvolle Sauciere diskret wieder aus der Kirche hinausbefördert werden konnte.

    Wie auch immer, pfiffige Geschäftsleute kamen auf die Idee, Gefäße herzustellen, die für den besagten Zweck noch besser geeignet waren als Saucieren und zudem mit anspielungsreichen Verzierungen, frechen Bonmots und sogar mit verspiegeltem Boden versehen waren. Dem Jesuitenpater wurde die zweifelhafte Ehre zuteil, als Namensgeber für diese praktischen Gerätschaften zu dienen.

  • Voll im neuen Öko-Trend

    Wenn man einen Kühlschrank mit Energieeffizienzklasse A++ kauft (was wir gerade gemacht haben), bekommt man 50 Euro von den SWB auf die Stromrechnung gutgeschrieben. Allerdings verstehe ich das nicht so ganz, denn die SWB sind eine Aktiengesellschaft. Da können sie doch kein Interesse daran haben, dass ihre Kunden sparsam sind. Uns kann es natürlich nur recht sein.

    Auf jeden Fall mutieren wir gerade zu richtigen Lohas: A++-Kühlschrank, Mitgliedschaft beim Ökosupermarkt, fehlt eigentlich nur noch das Hybrid-Auto. Meine Klamotten kaufe ich nämlich neuerdings auch ökologisch und ehtisch korrekt bei Fairtragen, einem kleinen Geschäft bei uns um die Ecke, das auch auf den neuen Öko-Trend setzt. Bislang brummt es da noch nicht so, was schade ist, denn der Laden ist wirklich nett.

  • Sound Theories Vol. 1 & 2

    Sound Theories Vol. 1 & 2Mittlerweile ist das Orchester-Doppel-Album von Steve Vai erschienen und ich muss meine damals geäußerte Enttäuschung über »For The Love Of God« etwas revidieren. Das Stück ist natürlich nicht besser geworden, aber es ist nicht repräsentativ für das Album, wie ich schon zu befürchten geneigt war. Eher nur für Vol. 1, das bekannte Vai-Songs enthält, vom Meister selbst gespielt, aber eben orchestral aufgemotzt. Allerdings sind die Stücke zum überwiegenden Teil deutlich origineller orchestriert als »For The Love of God« und wie ich schon in dem Eintrag vom Mai gehofft hatte, merkt man immer wieder die Zappa-Einflüsse. Ein gutes Beispiel ist die Neuinterpretation von »Kill The Guy With The Ball« (Alien Love Secrets), die man sich anhören kann, indem man bei youtube den Titel in die Suche eingibt und das oberste Suchergebnis anklickt.

    Vol 2. besteht dann aus richtigen Orchesterkompositionen, die interessanterweise zum großen Teil schon Anfang der 80er Jahre entstanden sind. Nach dem ersten Hören würde ich jetzt nicht so weit gehen zu sagen, dass Steve Vai ein genialer Orchesterkomponist ist, dazu ist das ganze zu simpel konstruiert, zu collagenhaft und zu wenig konsistent. Aber schlecht ist es auch nicht, und ich habe den Verdacht, dass es mir immer besser gefallen wird, je öfter ich es höre. Auf jeden Fall kann man wohl sagen, dass es von allen Orchesterprojekten von Rockbands oder -musikern das avancierteste, individuellste und originellste ist. Weniger hätte es bei Steve Vai aber auch nicht sein dürfen.