Christian Holst

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Autor: Christian Holst

  • Schon wieder ins Innere der Figuren verlegt

    Gestern schon wieder Oper. Diesmal in Oldenburg: Dialogues des Carmélites (Gespräche der Karmeliterinnen) von Francis Poulenc in einer Inszenierung von Jörg Behr. Der war Regieassistent an der Stuttgarter Oper, was man irgendwie sehen konnte, denn seine Inszenierung hat ein ziemliches Wieler-Morabito-Viebrock-Look-and-Feel.

    ln in der Kurzeinführung wurde übrigens gesagt, das Besondere der Inszenierung sei, dass die Handlung ins Innere der Figuren, genauer der einen Hauptfigur, verlegt sei. Naja, so besonders ist das natürlich nicht. Außerdem war der Gedanke nicht sonderlich konsequent umgesetzt, so dass die Inszenierung ohne Programmzettel und Kurzeinführung praktisch nicht zu begreifen war. Eigentlich geht Blanche – toll gesungen und gespielt von Anja Metzger – aufgrund unbestimmter Existenzangst ins Kloster, um dort Ruhe zu finden. In dieser Inszenierung nun existiert das Kloster und die Schwestern allerdings nur in Blanches Vorstellungswelt, wo sie es sich als Fluchtort vor den sexuellen Übergriffen des Vaters aufgebaut hat. Nicht konsequent war da z.B., dass die echten Figuren mit den imaginierten interagierten, weswegen diese Trennung von realer Welt und Vorstellungswelt überhaupt nicht klar wurde.

    Trotzdem hat mir die Inszenierung eigentlich ganz gut gefallen, denn sie war handwerklich gut und wirkungsvoll gemacht, sehr gute Personen- und gute Lichtregie, da gibt es gar nichts zu meckern. Richtig gut fand ich den Schluss, bei dem ich mich irgendwie an den Schluss von Der Pate III erinnert gefühlt habe, wo auch zu hochdramatischer, religiös konnotierter Opernmusik eine Reihe von Hinrichtungen stattfinden. Das geht wirklich unter die Haut.

  • Ins Innere der Figuren verlegt

    Gestern waren wir in Tristan und Isolde im Bremer Theater. Beim Blättern im Programmheft vor Beginn der Oper fiel mir ein Wagner-Zitat ins Auge, in dem es heißt: »nur mittelmäßige Aufführungen können mich retten!« Mich überkam da schon die Befürchtung, das könne als vorweggenommene Entschuldigung für die Inszenierung gemeint sein. Aber so schlimm war es nicht.

    Die Inszenierung war in einem neutralen Sinne einfach nichts sagend. Sehr abstrakt und minimalistisch angelegt, gewissermaßen »entrümpelt«, auch wenn das heute natürlich keine originelle Idee mehr ist. Im Prinzip ist »Tristan« aber die Oper von Wagner, die das am besten verträgt, weil die Handlung »ganz ins Innere der Figuren verlegt« ist, wie es immer so schön heißt. Die Regisseurin Reinhild Hoffmann machte Ernst mit diesem Gedanken, so dass es fast schon eine konzertante Aufführung in Kostüm war. Die Inszenierung blieb so zwar frei von modernistischem Schnickschnack und »heutigen« oder gar »verstörenden« Gags, aber leider auch von zwingenden Momenten und Bildern. Nur das Schlussbild war eine Ausnahme, wo es vom Schnürboden auf die den Liebestod sterbende Isolde herunterregnete, was durch geschickte Beleuchtung wirklich ziemlich gut aussah. Was das allerdings mit dem Liebestod zu tun hat, ist dann wieder eine andere Frage, eine, die nicht beantwortet wurde.

    Musikalisch war die Aufführung allerdings außerordentlich gut und wirklich leidenschaftlich präsentiert. Die Sänger waren durch die Bank bemerkenswert – und bis auf Matthias Schulz als Tristan allesamt aus dem eigenen Ensemble rekrutiert. Lediglich den Kurwenal fand ich etwas schwach. Für die beiden Titelhelden und Orchester samt Interims-GMD Stefan Klingele gab es dann zu Recht tosenden Beifall.

  • EM als Chance

    Auf Blogwiese ging es gerade um die Frage, wie man eine Modelleisenbahnlandschaft (für das Miniatur-Wunderland in Hamburg) typisch schweizerisch gestalten könnte. Dabei fände ich die umgekehrte Frage viel interessanter, nämlich wie man die Schweiz weniger wie eine betuliche Modelleisenbahnlandschaft aussehen lassen könnte. Gut, über das eine können sich die Hamburger oder Deutschen Gedanken machen, das andere ist eigentlich Sache der Schweizer selbst. Die freuen sich allerdings momentan eher darüber, dass sie Bond sind. Und natürlich über die EM. Die Berner Innenstadt um den Bahnhof wird zur Zeit komplett auf den Kopf gestellt, da fährt keine Straßenbahn mehr, weil alles aufgerissen ist und neu gemacht wird, Autos auch nicht und als Fußgänger muss man ewige Umwege laufen. Zumindest dürfte die EM geeignet sein, den Modelleisenbahncharakter der Schweiz wenigstens vorübergehend außer Kraft zu setzen. Denn dass bierselige Fußballfans sich um Schweizer Ordnungssinn und Sauberkeit scheren, bezweifele ich. Vielleicht entdecken die Schweizer durch die EM ja ihre ausgelassene, »emotionale« Seite, so wie die Deutschen bei der WM 06?!

  • theater@youtube

    Christian Henner-Fehrs beschreibt in der Fortsetzung zur Diskussion Theater 2.0 über ein Londoner Theater, das mit Clips auf Youtube wirbt. Eine eigentlich naheliegende Idee. Und es ist auch nicht so, dass es keine deutschen Theaterhäuser gäbe, die kleine Werbe-Clips produzieren. Auf der Seite der Berliner Staatsoper habe ich mal ein Interview mit Barenboim zu einer Produktion gesehen und wahrscheinlich ist es nicht bei diesem einen Clip geblieben. Auf den Seiten z.B. des Aalto-Theaters und des Staatstheaters Braunschweig kann man sich kurze Ausschnitte aus den aktuellen Stücken anzeigen lassen. Allerdings im Realplayer, was nun wirklich die schlechteste Möglichkeit ist, Videos im Netz abzuspielen. Über die Ursachen kann man spekulieren. Vielleicht ist es die Angst vor Kontrollverlust, wenn das Ding einmal »außer Haus« gegeben ist. Wobei ich mich frage: Was sollte Befürchtenswertes passieren? Vielleicht ist es auch das Nonsense- und Schmuddelimage von Videoportalen. Ich vermute aber, der eigentliche Grund ist ganz einfach Ahnungslosigkeit. Und sicherlich gilt der Einwand: Ein paar Videos bei Youtube einzustellen, ist noch nicht mit einem neuen Marketingverständnis gleichzusetzen und wird nach meiner Einschätzung auch kaum nennenswerte Effekte erzielen. Aber alles in allem, also wenn man »vollintegriert« denkt, dann bietet das sog. Web 2.0 einiges an Potenzial – gerade für Theater. Aber das hatten wir ja schon.

  • Jede Menge gute Tipps von Grönemeyer und einer von mir

    So, jetzt habe ich es im dritten Anlauf tatsächlich mal geschafft, die neue Grönemeyer-CD durchzuhören. Vorher hatte ich das immer mal versucht, aber auch immer gleich wieder sein gelassen, weil ich sie doof fand. Jetzt fand ich sie auch doof, aber ich saß nachts in Basel auf dem Bahnhof fest und mir war so langweilig, dass sogar das neue Grönemeyer-Album noch eine gewisse Abwechslung war. Also die CD ist wirklich doof. Die Musik ist ziemlich einfallslos und langweilig, was mal durch Streicherteppiche, mal durch auf alt geschminkte Sounds und mal durch penetrante Synthesizer-Klängen kaschiert werden soll. In ihren zweifelhaftesten Momenten klingt sie wie schlecht kopierte Brecht/Weill-Songs. Und das knödlige Gesinge ging mir diesmal auch gehörig auf den Sack.

    Das Schlimmste sind aber die Texte. »Mensch« hat mir ja wirklich gefallen, auch gerade wegen der Texte (sehr schön z.B. »Dort und hier«). Aber da waren es auch recht allgemeine Themen, einfach die Hochs und Tiefs des menschlichen Daseins. Diesmal ist es politischer, gesellschaftskritischer, mahnender und das ist echt kaum erträglich: »Wir sitzen alle in einem Boot« oder »Es gibt genug für alle« oder »Die Erde ist freundlich, warum wir eigentlich nicht?« um nur mal ein paar Weisheiten aus dem Opener »Stück vom Himmel« zu zitieren. Ja, und Politiker sind faul, dumm und ideenlos, also mach du es besser und »vertritt deinen Punkt, aber zeug‘ immer von Respekt«, »lüge nicht«, »gib nie auf«, »genieße dich« usw. Dann sind wir ja für die Zukunft gerüstet, dank der vielen guten Tipps von Onkel Herbert.

    Mein guter Tipp lautet: Lieber was anderes hören.

  • Anders shoppen

    Gestern waren wir auf dem Flohmarkt, um ein neues Fahrrad zu kaufen. Ich mochte Flohmärkte noch nie, weil ich kein Beispiel dafür kenne, dass dort jemals jemand ein brauchbares Produkt erstanden hat, dass keine Hehlerware ist oder zumindest in punkto Ästhetik oder Usability nicht hochgradig zweifelhaft ist. Diese Meinung vertrete ich auch weiterhin. Dass einzige, wozu Flohmärkte meiner Ansicht nach gut (oder eben nicht) sind, ist, negative Vorurteile über Mitbürger zu schüren, die aus Ländern östlich von Deutschland kommen. Nachdem uns ein paar windige Händler Fahrräder für 45 EUR andrehen wollten, fanden wir dann einen seriöser wirkenden Stand, wo die Räder ein Drittel weniger kosteten und der Preis trotzdem noch verhandelbar war. Seriöser deswegen, weil es erstens nur Fahrräder gab und nicht noch Stereo-Anlagen, Fernseher, Kunstlederschuhe und weiteres hässliches, nutzloses Gerümpel und zweitens, weil dort eine offenkundige Fahrrad-Expertin am Werke war, die noch schnell das nötige Customizing vornahm. Naja, insofern muss ich meine Meinung über Flohmärkte doch etwas revidieren. Zumindest solange, bis jemand sagt: »Das ist ja mein Fahrrad!«

  • Akustischer Nachtrag

    Hier noch ein kleiner akustischer Nachtrag zu dem gestrigen Eintrag.

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  • Fünf Mal Moderne

    Welcher Landschaft entspricht wohl die musikalische Moderne? Hm, Keine Ahnung, Vorschläge sind willkommen. Trotz mangelnden Vergleichs kommt hier eine Zusammenstellung mit fünf Klassikern der Moderne.

    Ligetis Atmospheres: Ja, schön klingt das nicht direkt, aber es erzeugt unbestreitbar so viel Atmosphäre, dass es seinen Namen zu Recht trägt. Sonst hätte das Stück wohl kaum an der Seite von der »Schönen blauen Donau« als Filmmusik in Stanley Kubricks »2001: A Space Odyssee« Berühmtheit erlangt.

    Schostakowitsch war ein begnadeter Komponist. Seine Jazz Suites sind geniale Unterhaltungsmusik, absolut eingängige Ohrwürmer, brillant instrumentiert. Man sollte es nicht gerade in der Interpretation von Andre Rieu anhören, der die Stücke dazu benutzt, behaupten zu können, nicht nur Strauß-Walzer zu spielen, sondern auch mal was »Modernes«. Ansonsten ein echtes unbeschwertes Vergnügen. (Ein Walzer aus der 2. Suite ist übrigens auch durch Stanley Kubrick berühmt geworden: als Musik in »Eyes Wide Shut«)

    Weberns 6 Orchesterstücke op. 6 sind wie fast alles von Webern dicht, kompakt und trotzdem (oder gerade deswegen) hoch expressiv. Ich finde es großartig! Ganz pragmatisch gedacht ist Weberns Musik übrigens gut geeignet, um sich einen Eindruck von Neuer Musik zu verschaffen, denn wenn es einem nicht gefällt, ist es auch schnell wieder vorbei. 🙂

    Frank Zappas Yellow Shark ist laut Y. aka beisasse die avancierteste Musik in meiner Sammlung. (Da besaß ich allerdings Neither noch nicht.) Tatsächlich ist das ziemlich abgedrehte Musik zwischen Jazz, Minimal, Kakophonie und allen möglichen anderen Stilen. Mein Lieblingsstück ist »Welcome to the United States of America«, was so eine Art Kabarettnummer über amerikanische Einwanderungspolitik mit begleitender Karnevalsmusik ist.

    Ja, auch moderne Komponisten wie Morton Feldman haben noch Opern geschrieben. Oder sowas in der Art zumindest. In Neither singt eine Sopranistin über eine Stunde verteilt ein 16-zeiliges Gedicht von Samuel Beckett ohne dass eigentlich etwas passiert. Das Publikum der Uraufführung wusste damit nicht viel anzufangen und verlangte der Sängerin durch seine Unmutsäußerungen einiges an Nervenstärke ab. Heute, 30 Jahre später, wo einen gar nichts mehr schockt, kann man sich die Oper aber gut anhören und ihr durchaus was abgewinnen.

    Siehe auch Fünf Mal Spätromantik und Fünf Mal Barock.

  • Spidey zum dritten

    Auch ganz nett war übrigens der 3. Spiderman-Teil, den ich schon vor längerem gesehen habe. Ich bin ja der nicht unumstrittenen Meinung, dass die beiden ersten Spiderman-Filme zu dem besten gehörten, was Hollywood in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Da kann der dritte Teil allerdings nicht mithalten. Zwar gibt es auch hier wieder keine klare Gut-Böse-Dramaturgie, was in meinen Augen die besondere emotionale Glaubwürdigkeit der ersten beiden Filme ausmachte. Diesmal entdeckt Spidey sozusagen die dunkle Seite seiner Macht. Aber zugleich fehlt der selbstironische Witz a la Straßenmusik über »Spai-dar-maan« und außerdem schien es mir so, als haben sich die Produzenten zu sehr auf die Wirkung der Tricktechnik verlassen, die zwar ganz imposant, aber noch keine Geschichte ist. Nichtsdetotrotz: langweilig wird einem natürlich nicht.

  • Cineastische Kurzweil

    Am Wochenende habe ich zwei Filme gesehen. Einen guten und einen großartigen. Zuerst der großartige, das war im Zug Spiel mir das Lied vom Tod auf DVD. Wie Wikipedia verrät, ist das der erste Teil der »Once upon a time«-Trilogie von Sergio Leone. Zweiter Teil ist »Todesmelodie«, den ich aber nicht kenne und dritter Teil ist der ebenfalls großartige Film »Es war einmal in Amerika«. Toll an diesen Filmen, wie ja auch an der Pate-Trilogie, ist diese Ruhe und Langsamkeit, mit der die Geschichte entwickelt und erzählt wird. Ich hatte »Spiel mir das Lied vom Tod« vor langer Zeit schon mal gesehen und nicht viel erinnert, außer die berühmte Warteszene am Bahnhof, die Galgenszene und die wunderschöne Claudia Cardinale, die auch heute – zehn oder wieviel Jahre später – immer noch ziemlich schön ist. Allerdings hat der Film noch mehr zu bieten, eine gute, spannende Geschichte und noch ein paar sehr, sehr coole Cowboys, allen voran natürlich Charles Bronson. Ach, und natürlich die bemerkenswert blauen Augen von Henry Fonda nicht zu vergessen.

    Nicht großartig, aber gut fand ich Ocean’s Thirteen, den ich am Sonntag mit Scotty geguckt habe. Er ist dem ersten Ocean’s-Film ähnlicher als dem zweiten, wenngleich die Story lange nicht so ausgebufft ist und die Clous nicht mehr den gleichen Überraschungswert haben, wie im ersten Film. Trotzdem gut gemachte Kurzweil.