Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


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  • Kultur ist eben doch Luxus

    Kürzlich hörte ich ein Interview mit Hortensia Völkers, der Geschäftsführerin der Kulturstiftung des Bundes, in dem es u.a. um die Frage ging, warum die traditionellen Kultureinrichtungen so wenig junges Publikum haben. Völkers meinte, ein Problem läge darin, dass junge Leute in der Schule nicht mehr vermittelt bekommen, ins Theater, ins Konzert, ins Museum zu gehen.

    Diese Diagnose ist sicher nicht falsch und der Grund dafür, warum ein Education-Programm mittlerweile in den Werkzeugkasten eines jeden Intendanten gehört. Ich glaube aber, dass sie unvollständig ist. Denn das Hauptproblem der traditionellen Kultureinrichtungen ist eher ein strukturelles. Die Anzahl der kulturellen Angebote ist in den letzten Jahren immens gestiegen oder, aus Sicht der Kultureinrichtungen formuliert, die Konkurrenz hat stetig zugenommen. Das wiederum führt dazu, dass die Rezipienten anspruchsvoller und exklusiver in ihrem Geschmack geworden sind. Durch die Verfügbarkeit kultureller Inhalte im und via das Internet, greift auf hier das Long-Tail-Prinzip, d.h. Rezipienten finden ihre Nischen und das ganz speziell auf ihren individuellen Geschmack abgepasste Angebot. Dadurch, dass ein großer Teil des Angebots nicht direkt ersatzweise, sondern zusätzlich rezipiert wird – mobile Endgeräte machen es möglich – vollzieht sich dieser Strukturwandel immerhin allmählich.

    Ein weiteres Problem der traditionellen Kulturangebote ist, dass sie über nicht massentaugliche Medien vermittelt werden. Das macht sie teuer. Die Kosten, die die Aufführung eines Theaterstücks verursacht, umgelegt auf die Anzahl der Personen, die es sehen, sind weit höher als die der Vorführung eines Blockbusters. In dem einen Fall erreicht man üblicherweise einige tausend Leute, in dem anderen Fall einige Hunderttausende oder sogar Millionen. Wo es dem Film nicht reicht, fließen auch für ihn öffentliche Förderungen. (Dass dieses Argument allein nicht trägt, sieht man daran, dass Fernsehen und Zeitschriften auch mit rückläufigen Zuschauer- bzw. Leserzahlen zu kämpfen haben, obwohl dieses Problem für sie nicht, oder weit weniger gelten dürfte.)

    Und schließlich, diesen Gedanken formuliere ich hier nicht zum ersten Mal, streben Theater, Museen, Orchester und andere Einrichtungen eine permanente inhaltliche Erneuerung mit recht begrenzten, anachronistischen Mitteln an – Museen haben da noch die besten Möglichkeiten. Insgesamt setzt das der Kreativität und Originalität aber enge Grenzen. Im Fall Theater: Das Gros der Inszenierungen, die es auf deutschen Bühnen zu sehen gibt, sind verzweifelte Verdrängungsversuche dieser banalen Erkenntnis.

    Für die meisten traditionellen Kultureinrichtungen heißt das über kurz oder lang, wenn man sie am Leben hält, dann deshalb, weil sie «Weltkulturerbe» sind oder solches ent- und erhalten. Antje Vollmer hat vor einiger Zeit mit dem Vorstoß, die deutsche Theaterlandschaft zum Weltkulturerbe zu erklären, viel Schimpf und Spott abbekommen, obwohl es genau darum geht. Die Erfahrung in anderen, ebenfalls durchaus kulturbeflissenen Ländern zeigt, dass man nie im Leben so viele Theater braucht, wie Deutschland hat. Wenn man so viele Theater hat, dann weil man es will und weil diese Tatsache an sich etwas Besonderes ist. Das ist eine normative Entscheidung, die man wie Armin Klein «strukturkonservativ» schimpfen mag. Allein, die Möglichkeiten der inhaltlichen Weiterentwicklung, der permanenten Selbstrechtfertigung sind zu klein, als dass Theater, Orchester oder Museen aus sich heraus ihren Fortbestand sichern könnten. Auch wenn es keiner hören mag: sie sind strukturkonservativ, sie sind Museen (ja, auch die Theater!). Das wird in den kommenden Jahren mehr und mehr deutlich werden und sich immer mehr in der Frage zuspitzen: Wie viel alte Kultur wollen wir noch? Kultur ist entgegen anders lautender populärer Slogans zumindest in dieser institutionalisierten Form eben doch ein Luxus.

  • Ticketverkauf für stART.09 hat begonnen

    Gestern hat endlich der Kartenverkauf für die stART.09 begonnen. Die Tickets kosten derzeit in der so genannten «Super Early Bird»-Phase 290 EUR. D.h. schnell Entschlossene sparen mehr als 50% gegenüber dem regulären Preis in Höhe von 590 EUR. Für Studierende und Personen, die zwei oder mehr Karten kaufen gibt es nochmal einen Rabatt von 20%. Damit keiner die Katze im Sack kaufen muss, werden wir in Kürze auch die Eckpunkte des Konferenzprogramms veröffentlichen. Aber ich verspreche nicht zu viel, wenn ich sage, dass sich die Investition auch zum regulären Preis auf jeden Fall lohnen wird!

  • Rundkfunkchor Berlin sucht singende Manager für LeaderChor

    Der Rundfunkchor Berlin lädt Manager und Führungskräfte zu einem Workshop-Wochenende vom 11. bis 14. September ein, an dem ein Programm mit Werken von Händel, Palestrina, Brahms und Whitacre erarbeitet und gemeinsam mit Mitgliedern des Rundfunkchores aufgeführt wird. Dieser so genannte «LeaderChor» (was für ein Wortspiel!) wird vom Chefdirigent Simon Halsey geleitet. Der Chor ist Teil des umfangreichen Rundfunkchor-Projekts «Broadening the Scope of Choral Music», das zum Ziel hat, «professionelle Chormusik auf den unterschiedlichsten Ebenen der Gesellschaft neu und anders erlebbar zu machen», wie es auf der Homepage des Chores heißt. Eine schöne Idee.

    Im Rahmenprogramm dieses Workshops soll es auch um die Kunst gehen, zu führen und sich führen zu lassen. Interessanterweise glauben Kunst- und Kultureinrichtungen oftmals, hier etwas zu vermitteln zu haben. Vor längerer Zeit habe ich über die Disziplin der Wirtschaftsästhetik berichtet, einer Unterdisziplin des Kulturmanagements, in der es um ebendiese Fragen geht. Hierbei wird allerdings außer Acht gelassen, dass die autokratische Führungskultur, wie sie in Kultureinrichtungen üblich ist und strukturbedingt oftmals auch notwendig sein mag, schon länger nicht mehr dem «State of the Art» einer modernen Managementlehre entspricht. Wo es geht, sollte ein guter Manager seinen Laden nicht wie ein Orchester oder ein Ensemble führen, in dem jedem Mitglied eine «von oben» definierte Rolle zugedacht wird, sondern eher wie eine Jazzband, wo jeder Raum für ausschweifende Soli und Improvisationen erhält und sich trotz aller individuellen Entfaltungsmöglichkeiten ein harmonisches Ganzes ergibt.

    Wer Interesse hat, mitzumachen: Hier geht’s direkt zum Anmeldeformular.

  • Von der Kultur- zur Bildungseinrichtung

    In einer kürzlich versendeten Pressemitteilung befürchtet die Deutsche Orchestervereinigung massive Einbrüche bei den Zuhörerzahlen. Allerdings nicht aufgrund der derzeitigen Wirtschaftskrise oder aufgrund des viel beschworenen demografischen Wandels. Grund ist vielmehr die Entscheidung der Kultusminister der Länder, die Studienbereiche Musik, Kunst und Sport (bzw. Bewegung) für Grundschullehramtsstudenten zum Bereich «Ästhetische Bildung» zusammenzufassen.

    Wenn jetzt aber schon in der Lehrerausbildung für die Grundschulen Musik, Sport und Kunst in einen Topf geworfen werden, wird man keinem dieser Fächer mehr gerecht. Das ohnehin schon stark reduzierte Singen und Musizieren in der Grundschule wird massiv weiter zurück gehen. Das ist katastrophal, denn wo soll überhaupt noch die Basis für das Opern- und Konzertpublikum der Zukunft herkommen?

    fragt DOV-Geschäftsführer Mertens.

    Auch wenn letztlich viel von der konkreten Ausgestaltung dieses Beschlusses abhängen wird, ist die Sorge nicht unberechtigt. Denn die Faszination klassischer Kultur wird ganz wesentlich durch das Praktizieren vermittelt und zwar nur dann, wenn dieses Praktizieren eine gewisse Intensität erreicht. Für Kultureinrichtungen ist es daher schwer, diese Lücke zu füllen und die Bildungsaufgabe zu übernehmen, auch wenn es zukünftig genau darauf hinaus laufen wird. Ein Trend, der sich aber ohnehin seit einiger Zeit abzeichnet und zumindest angehende Kulturvermittler freut.

  • Ökonomie ein kulturfreier Raum?

    Während sich Kulturschaffende nicht selten mit der Ökonomie schwer tun, sieht es umgekehrt in aller Regel kaum besser aus. Vor einiger Zeit diskutierte ich mit einem VWL-Doktoranden einen ganzen Abend lang über den Stellenwert von Kultur im Zusammenhang mit ökonomischen Erwägungen. Während er Kultur hierbei als ein Nice-to-have ansah, dem man sich widmen kann, wenn die Zahlen stimmen und daher Zeit und Muße vorhanden sind und das sich darin erschöpft, offene Bürotüren zu pflegen und einen jährlichen Firmenausflug zu organisieren, versuchte ich zu argumentieren, dass auch das Wirtschaften kein kulturfreier Raum ist und erfolgreiches Unternehmertum dies immer in Betracht ziehen sollte. Es fängt ja damit an, dass die Idee des Privateigentums eine kulturelle Vereinbarung ist, die nicht vom Himmel gefallen ist. Und auch das Geld ist eine Kulturleistung. Auch wie Vertrauen entsteht und erhalten wird, das – wie man derzeit sieht – von essentieller Bedeutung für eine funktionierende Wirtschaft ist, ist eher eine soziologisch-kulturelle Frage denn eine der traditionellen ökonomischen Theorie. Versuche, die Ökonomie konsequent durchzumathematisieren und durchzumodellieren, produzieren deswegen zwangsläufig erhebliche blinde Flecke, denn Modelle isolieren den konkreten Fall aus seinem Kontext. Erfolgreiches (nicht nur) unternehmerisches Handeln jedoch setzt voraus, gerade den speziellen Kontext richtig zu sehen, zu deuten und zu gestalten. Man könnte auch anders sagen: Modelle können hilfreich sein, um komplizierte Sachverhalte zu verstehen und zu beherrschen. Aber es bedarf kulturellen Fingerspitzengefühls und Verständnisses, um komplexen Sachverhalten gerecht werden zu können. Der Graben zwischen Ökonomie und Kultur, der häufig ausgemacht wird, stimmt so weder von der einen, noch von der anderen Seite.

  • Oper rechnet sich

    Weil Theater und Musik nicht einfach nur schön sein sollen, wenn sie viel kosten, werden seit einiger Zeit so genannte Umwegrentabilitäten errechnet, die aufzeigen sollen, dass es sich bei der öffentlichen Finanzierung von Theatern um lohnende Investitionen in den jeweiligen Standort handelt. Laut einer aktuellen Studie bringt die Wiener Staatsoper dem Staat eine Rendite von satten 11%: 51,5 Mio. EUR steckte die öffentliche Hand in die Oper, 57,4 Mio. flossen an sie zurück. Der gesamte Wertschöpfungseffekt belief sich sogar auf 138,3 Mio. EUR. Solche Zahlen können der Oper natürlich nur recht sein. Trotzdem wäre interessant zu wissen, wie man diese Zusammenhänge aufgedröselt haben will.

    Und wenn schon solche Berechnungen angestellt werden, dann sollte der Intendant der Wiener Staatsoper meines Erachtens für sein Haus konsequenterweise eine Erfolgsbeteiligung in Höhe von mindestens 50% der Rendite einfordern. Nicht als persönlichen Bonus, sondern als thesaurierten Gewinn zur Reinvestition. Wann bekommt man die Argumentation für eine Etaterhöhung denn sonst schon einmal so schön auf dem Silbertablett präsentiert?

  • Buchtipp: Die Offenbarung

    Ein größerer Antiheld als Jakob Kemper lässt sich kaum denken, zumindest wenn man sich auf seine wehleidige Selbsteinschätzung einlässt: «Eine einzige Kränkung sei sein Leben gewesen, eine ins Monumentale getriebene Demütigung. Eine private wie berufliche Katastrophe.» So beginnt Robert Schneiders Roman Die Offenbarung. Kemper fristet sein Dasein als Klavierlehrer, ehrenamtlicher Organist im Naumburger Dom und unbedeutender Bachforscher, nachdem er zuerst als Komponist, später als maßstabsetzender Bachinterpret gescheitert ist. Dazu kommen ein problematisches Verhältnis zum Vater und zum Alkohol. Kein Wunder also, dass Kemper völlig aus dem Gleichgewicht gerät, als er eines Tages eine bislang unentdeckte Partitur des späten Bach in der Naumburger Orgel entdeckt und nun hofft, es der blasierten Fachwelt nun endlich zeigen zu können. Allerdings schleudert ihn der Fund in einen emotionalen Ausnahmezustand, dessen Facetten von blanker Panik bis zu euphorischer Selbstüberschätzung reichen. Schneider schildert all dies mit schonungslosem und doch sympathisierenden Spott was Kemper angeht und mit großem Sachverstand, was die Musik Bachs angeht. Wenn Kemper am Ende mit dem Fund zwar nicht der erhoffte Sprung in die Champions League der Bachforscher und die erhoffte gesellschaftliche Rehabilitation gelingt, dann ist man als Leser doch immerhin froh, dass er zumindest mit sich selbst ins Reine kommt.

  • Ohne Strategie: Kulturmanagement-Studiengänge

    Kürzlich hat Christian Henner-Fehr gefragt, welche Ausbildung für Personen geeignet sind, die Führungspositionen in Kulturbetrieben anstreben. Er stellte exemplarisch den Master in Kulturmanagement dem MBA-Programm der Donau-Universität Krems gegenüber. In den Kommentaren zu dem Eintrag habe ich angemerkt, dass es sich allgemein kaum sagen lässt, was für angehende Kulturmanager empfehlenswerter sei.

    Beim Vergleich des Lehrangebots dieser beiden Studiengänge – man könnte wahlweise auch andere MBA- oder KM-Studiengänge heranziehen – fällt auf, dass in den Kulturmanagement-Lehrgängen drei wesentliche Aspekte fehlen: Strategisches Management, Führung und Personal- oder HR-Management. Braucht man das alles als Kulturmanager nicht? Wohl kaum. Es wäre gerade sinnvoll: Zum einen angesichts der beträchtlichen strategischen Herausforderungen, die sich Kultureinrichtungen stellen und in den kommenden Jahren stellen werden, zum anderen aber auch, weil in Kulturbetrieben ein besonders geschicktes Händchen im Umgang mit den nicht selten hochsensiblen Mitarbeitern gefragt ist. Trotzdem beschränkt sich das Kulturmanagement als wissenschaftliche Disziplin vor allem auf die Themenfelder Finanzierung, Marketing und Recht. Auch wichtig, sicher, aber unterm Strich ungenügend, um einen Kulturbetrieb zu führen. Also spiegelt sich in den derzeit angebotenen Lehrgängen die Krise der Kulturbetriebe (um es möglichst melodramatisch auszudrücken) in erstaunlich sinnfälliger Weise wieder und ich denke mittlerweile doch: lieber einen MBA machen.

  • Tweet readings

    Wenn ich kürzlich die Frage gestellt habe, ob die kommunikativen Strukturen sozialer Medien das Niveau der Diskussionen deckelt, die über sie geführt werden, dann nur, weil ich da die Tweet Readings von Marcus Brown noch nicht kannte. Kein Zweifel: Tweets sind nicht nur großartige Klolektüre, sondern eine literarische Form, in der sich bewegende, erschütternde, existenzielle Fragen aufwerfen und ausdrücken lassen. Man muss diese neue Form eben zu deuten wissen:

    Official Tweet Reading V: Reading Robert Scoble from Marcus Brown on Vimeo.

  • Kulturdatenbank (Best practice VII)

    Wer in Berlin ins Theater gehen möchte, steht vor der Qual der Wahl, sich aus dem Angebot von 46 Bühnen mit oftmals täglich wechselndem Programm etwas dem Geschmack und den Vorlieben Gemäßes aussuchen zu müssen. Bei gründlicher Recherche läuft dieses Unterfangen Gefahr, länger zu dauern, als der Theaterabend selbst, zumindest solange man nicht auf den Online-Theaterspielplan berlin-buehnen.de zurückgreift. Auf dieser Webseite werden nämlich die Spielpläne aller Berliner Theater mitsamt Besetzung, Fotos und Inhaltsangaben zusammengeführt. Über eine einfache Abfrage lassen sich die Daten z.B. nach Sparte oder Datum filtern, über die Suchanfrage erfährt man, wann und wo der Lieblingsschauspieler zu sehen ist, so dass man das Angebot schnell auf ein überschaubares Maß eingedampft hat und eine informierte Entscheidung treffen kann.

    Technisch fusst die Seite auf der Kulturdatenbank. Eine Datenbank, deren Einsatz grundsätzlich jeder Kultureinrichtung zu empfehlen ist, weil sich mit ihr auf einfachste Weise der eigene Spielplan verbreiten und mit einer Reihe von weiteren Services (Ticketkauf, Stadtplan, Bahnanreise etc.) verknüpfen lässt. Auf diese Weise profitieren nicht nur die Besucher selbst davon, sondern ebenso z.B. die Medien oder Partner aus dem Tourismus. Auch für größere Bundesländer (s. nrw-buehnen.de) oder deutschlandweit für einzelne Kunstformen kommt die Datenbank mittlerweile zum Einsatz.