Christian Holst

Kulturmanagement :: Digitale Transformation :: Künstliche Intelligenz


Kategorie: Featured

  • Online-Kurs: Managing the arts

    Meine alte Uni, die sich heute Leuphana nennt, bietet zusammen mit dem Goethe-Institut einen «Mentored open online course» (MOOC) in «Managing the arts» an. Der Kursinhalt wird auf der Website folgendermaßen skizziert:

    Learn about challenges for cultural managers around the world, acquire marketing and management skills and gain direct insights into four arts organizations. Share your ideas with an international learning community and obtain a university certificate.

    Einen kleinen Vorgeschmack auf das, was einen erwartet, gibt auch Kursleiter Chris Dercon (Direktor der Tate Modern) in diesem Video:

    Die Teilnahme am Kurs ist kostenlos, die Einschreibung erfolgt ganz einfach via Facebook- oder LinkedIn-Connect. Am Schluss erhält man sogar 5 ECTS-Punkte und ein Zertifikat. Super Sache also und ich bin sehr gespannt, wie diese Digital School funktionieren wird.

    Über eine Sache bin ich allerdings gestolpert: Den Titel der Veranstaltung – «Managing the arts». Nennt mich einen Klugscheißer, aber nachdem ich mich gerade ausführlicher mit dem Thema Kultur unternehmen beschäftigt habe, war ich doch stutzig, ob sich Kunst und Kultur wirklich «managen» lassen. Das Wort «Kulturmanagement» benutze ich ganz selbstverständlich, weil es zu einem allgemein gebräuchlichen und verständlichen Begriff für die organisatorische Arbeit rund um Kulturangebote geworden ist. Wenn jeder weiß, was gemeint ist, ist es in meinen Augen nicht so relevant, ob der Begriff in der Sache wirklich 100%ig treffend ist.  Die Formulierung, dass diese oder jene Person Kunst «managed», würde mir allerdings nicht so leicht über die Lippen gehen. Das mag zunächst etwas wortklauberisch erscheinen, aber dahinter steckt ein tiefer gehender Gedanke, den ich kurz erläutern möchte.

    In der Betriebswirtschaftslehre setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass die Hauptfunktionen von Management – nämlich das Planen, Steuern und Kontrollieren – sich zwar auf industrielle Prozesse anwenden lassen, in einem dynamischen, wissensgeprägten und personalintensiven Umfeld aber zur Illusion werden. Gut ausgebildete, hochmotivierte Menschen lassen sich ebenso wenig managen wie Märkte. Dementsprechend werden die klassischen Managementinstrumente wie Zielvereinbarung, Planungssitzungen, (klassisches) Projektmanagement, Quartalsberichte etc. immer mehr in Frage gestellt, bis hin zu der Feststellung, dass Management sogar verzichtbar sei. In der Kulturmanagementlehre gelten diese klassischen Instrumente dagegen immer noch als «state of the art». Möglicherweise, weil sich das Management der großen, öffentlich getragenen Einrichtungen erst seit vergleichsweise kurzer Zeit professionalisiert hat. Zwei Beispiele aus einschlägigen Kulturmanagement-Lehrbüchern:

      • Lewinski-Reuter und Armin Klein nennen die Zielvereinbarung als Mittel der Wahl für die erfolgreiche Mitarbeiterführung. Darüber ist man in der Führungslehre für Dienstleistungs- und Industrieunternehmen längst hinweg. Nach meiner Wahrnehmung spielt es in der Praxis der Kulturbetriebe auch nur eine sehr untergeordnete Rolle, weil es ein völlig ungeeignetes Instrument ist, wenn es um Hochleistung geht.
      • Zwei einschlägige Bücher von Sven-Oliver Bemmé und Armin Klein zum Projektmanagement im Kulturbereich gehen mit keinem Wort auf die agilen Formen des Projektmanagements ein. Dabei sind diese nicht nur in der Software-Entwicklung längst gang und gäbe, sondern werden abseits vom Hochschulbetrieb auch für das Kulturmanagement diskutiert (s. z.B. hier und hier).

    Die Liste ließe sich fortsetzen. Vor diesem Hintergrund lohnt in meinen Augen ein genauerer Blick, ob und wenn ja, in Bezug auf welche Aspekte Kunst und Kultur denn wirklich gemanaged werden kann. Im Kulturbereich arbeiten viele hochmotivierte, hochspezialisierte Leute, denen extrinsische Anreize in aller Regel herzlich egal sind. Der Prozess der Leistungserstellung ist mitunter extrem komplex und anspruchsvoll; jede Standardisierung (auf die Management meist hinaus will) eine Gefahr der künstlerischen Originalität und damit Qualität. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass für die meisten herausragenden Kulturinstituionen unserer Tage eher das Motto gilt «enterprising the art», auch wenn das vielleicht kein vernünftiges Englisch ist. Ich bin gespannt, inwieweit der Online-Kurs, der sich in Form und inhaltlichem Anspruch ja sehr zeitgemäß und kosmopolitisch präsentiert, diese Aspekte reflektieren wird.

  • Aufruf zur Blogparade «Kultur unternehmen»

    Neulich habe ich es schon mal kurz angedroht: Anlässlich der Veröffentlichung meines Büchleins Kultur unternehmen. Wie junge Musiker das Kulturmanagement neu erfinden möchte ich gern eine Blogparade veranstalten. Das Thema ist – Überraschung! – Kultur unternehmen.

    Wieviel Unternehmertum braucht die Kulturszene? Welche Kulturunternehmer oder welche kulturunternehmerischen Initiativen (auch im Amateuerbereich) haben euch begeistert? Oder abgeschreckt? Sind Kulturbesucher nicht auch Kulturunternehmer? Ist das mit dem Unternehmertum nicht einfach nur ein nerviges Trendwort? Oder gar ein Euphemismus, um das Kürzen der Kulturetats zur «Chance» hochzuadeln? Den Assoziationen und der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

    Die Blogparade läuft bis zum 28. Februar 2015., zum Verweisen auf eure Beiträge könnt ihr die Hashtags #kultur_unternehmen und #blogparade verwenden.

    Aber was genau ist nochmal eine Blogparade? Der Chefblogger erklärt das folgendermassen:

    Ein Blogparade oder auch Blog-Karneval ist eine Blogaktion. Ein Blogger der so eine Blogparade erfindet, definiert ein bestimmtes Thema, zum Beispiel.

    Was ist die originelles Art ein Anzug zu tragen?
    Wie öffnet man eine Flasche Bier am originellsten?
    Danach schreibt der Blogparade-Erfinder ein Beitrag darüber. Er ruft die Bloggemeinde auf, in einem bestimmten Zeitraum (meistens 1-4 Wochen) einen Blogbeitrag zu diesem Blogstöcken zu schreiben, und dort ihre Antwort zu liefern. Die anderen Blogger müssen dann zur Teilnahme nur noch den Blogparade-Erfinder benachrichten (zb via eigenen Kommentar im Kommentarfeld)

    Nach Ablauf der Frist, sammelt der Blogparade-Erfinder die Antworten, verlinkt diese und/ oder kommentiert diese. Er kann dann zb die kreativste Antwort auszeichnen, oder die längste… Den Ideen sind keine Grenzen gesetzt.

    Also: wer etwas zum Thema Kultur unternehmen beizusteuern hat, bitte mitmachen! Wer Leute kennt, die etwas dazu zu sagen haben, bitte anstiften mitzumachen. Vielen Dank schonmal! Anders als das Buch, soll die Blogparade nicht auf den (klassischen) Musikbereich beschränkt bleiben. Je unterschiedlicher die Beiträge und Ansätze, umso besser und spannender. Da mich das Thema zur Zeit wirklich sehr interessiert, bin ich gespannt auf eure Meinungen und Einschätzungen.

     

    Beiträge

    Anke von Heyl: Kultur unternehmerisch denken – Interview mit Pausiano-Gründer Holger Simon

    Klaus Pertl: Die besten Vertriebskanäle finden – Interview mit Antje Hinz vom Silberfuchs-Verlag

    Klaus Pertl: Akquise durch Expertise – Interview mit Jonas Möhring von 123comics.net

    Claudia Brose: KULTUR unternehmen – Unternehmertum bei Kultureinrichtungen in den USA

    Wolfgang Muchitsch – Unternehmertum im Kulturbereich

    Christian Holst – Wer Visionen hat, baut ein Festspielhaus

  • Floskelalarm: Theater muss auch subversiv sein!

    Aus der Reihe «Falsch zugeordnete Zitate»:

    Theater muss auch subversiv sein!

    Veronica Ferres

    Ach nein, es war Peter Konwitschny. Zu seinem 70. Geburtstag schenkt er sich und uns ein paar Floskeln, die noch aus dem letzten Jahrtausend übrig geblieben waren. Ach ja, und ein bisschen Publikumsbeschimpfung gibt’s noch oben drauf. Anyway: Herzlichen Glückwunsch!

  • Klassikszene: Vitalfunktionen ok

    In der Klassikszene scheint gerade Optimismus vorzuherrschen. Volker Hagedorn fordert in der Zeit: Hört doch bitte endlich auf zu jammern. Es werde oft geweint, wo es eigentlich Grund zum Lachen gäbe, meint er mit Verweis auf eine Publikumsstatistik der Deutschen Orchestervereinigung.

    Von 2005 bis 2012 ist die Zahl derer, die sich Konzerte der öffentlich finanzierten Orchester in Deutschland anhörten, von etwa 3,9 Millionen auf knapp 4,3 Millionen jährlich gestiegen, parallel zur Zahl der Konzerte selbst: von 8.653 auf 10.371.

    Die Neujahrsmeldung des Blogs Orchesterland, hinter dem ebenfalls die Deutsche Orchestervereinigung steht, stößt ins gleiche Horn. Der Post zeigt ein steigendes Interesse an klassischer Musik anhand von gestiegenen Auslastungszahlen bei verschiedenen Festivals und Opernhäusern und Sinfonieorchestern auf.

    Allerdings lohnt ein genauerer Blick auf diese Zahlen. Denn nach einer Statistik des Musikinformationszentrums (MIZ) sind die Konzertbesuche seit 2005 recht stabil geblieben. Einen Anstieg gab es zwischen 2005 und 2012 nur dadurch, dass die Rundfunkorchester erst seit 2006 mit erfasst werden. Und wenn man sich gemäß den von Hagedorn genannten Zahlen das Verhältnis von zusätzlichen Konzerten (1.718) zu zusätzlichen Besuchern (400.000) anschaut, kommt man auf durchschnittlich 233 Besuche pro zusätzlichem Konzert. Damit liegt die Vermutung auf der Hand, dass schwerpunktmäßig das kammermusikalische Angebot vergrößert wurde, nicht das Orchesterkonzert-Angebot. Diese Entwicklung würde übrigens dem Trend entsprechen, der auch bei Theatern zu beobachten ist, nämlich immer mehr kleine Veranstaltungen mit einem stabilen oder sogar schrumpfenden Personalstock anzubieten.

    Auch die Neujahrsmeldung von Orchesterland lohnt ein genaueres Hinsehen: Eine gestiegene Auslastung sagt nämlich nichts über die Zahl der verkauften Tickets aus. Sie beschreibt das Verhältnis von angebotenen Plätzen zur Nachfrage. Die Auslastung kann daher sowohl steigen, wenn die Nachfrage bei stabilem Platzangebot wächst, als auch, wenn das Platzangebot bei stabiler Nachfrage schrumpft. Die von Orchesterland angeführte Berliner Staatsoper erzielte 2014 eine «Rekordauslastung», obwohl sie 7.000 Besuche weniger hatte als 2013.

    Dennoch teile ich den Optimismus, was die Klassikszene angeht. Er leitet sich aber nicht aus irgendwelchen Zahlen ab, sondern aus einem anderen Argument, das Hagedorn nennt, nämlich der zunehmenden unternehmerischen Vitalität der Szene. Hagedorn nennt als Beispiele den Aufstieg zahlreicher kleiner hervorragender Labels, die Menge und Qualität an spezialisierten freien Ensembles und das Musikmagazin VAN, das Musikjournalismus ins digitale Zeitalter transformiert. Ja, es sind die unternehmerischen Initiativen in der Klassikszene, die sie nach vorne bringen und inhaltlich am Leben halten. Deswegen: So lange die Klassikszene vital bleibt, werden sich auch Zuschauer für dieses Angebot begeistern lassen.

  • Erwartungen übertreffen

    Dass Kultureinrichtungen sich etwas einfallen lassen müssen, um ihre Relevanz und damit auch ihren Fortbestand zu sichern, ist mittlerweile Konsens. Konsens war bislang aber auch, dass neues Publikum über Vermittlung, professionalisiertes Marketing und Update oder Aufhebung der alten Rituale (Kleidung, Verhaltenskodex etc.) gewonnen und gebunden werden muss, damit die programmatischen Entscheidungen nach rein künstlerischen Kriterien getroffen werden können. Dass ein fundamentales Problem der öffentlich finanzierten Kultureinrichtungen gerade in diesem hermetischen Deutungsanspruch über das Repertoire bestehen könnte, wurde bisher kaum zugestanden. Insofern fand ich ein Interview von Birgit Mandel mit der taz sehr interessant. Mandel sagt dort:

    Ich selbst bin zunächst davon ausgegangen, dass man die Sache einfach anders verkaufen muss: mit neuen Kommunikationsweisen, schönen Rahmenbedingungen. Aber das stimmt nicht, es ist ziemlich deutlich, dass man ein neues Publikum nur dann dauerhaft gewinnen wird, wenn es das Gefühl hat: Die Programme, die gezeigt werden, haben etwas mit meinem Leben zu tun. Und da wird es heikel.

    Warum?

    Da heißt es bei den Machern: Sollen wir uns von Kulturnutzern die Programmpolitik schreiben lassen? Und machen wir dann nur noch Mainstream und verlieren alle Qualitätsansprüche?

    Das Argument, dass künstlerische Qualität und Publikumserfolg in aller Regel nicht zusammengehen, ist zwar schon etwas fadenscheinig geworden, aber scheinbar trotzdem noch fest in den Köpfen der Kulturmacher verankert. Mandel lässt hier die Fadenscheinigkeit zwar anklingen, indem sie zu verstehen gibt, dass es wohl nicht reichen wird, die Sache einfach anders zu verpacken ohne auch den Inhalt mit den Interessen des Publikums in Einklang zu bringen. Wirklich abrücken von diesem Anspruch mag sie aber auch nicht, wenn sie im Weiteren sagt:

    Die Lösung besteht wahrscheinlich darin, dass man seine eigene Mission, seinen eigenen Anspruch an die Arbeit nicht aufgibt, nur um dem Publikum das zu geben, was es schon immer will. Das ist auch total langweilig. Sondern, dass man bei dem, was man ohnehin machen möchte, andere Nutzergruppen stärker mit einbezieht.

    Ist es wirklich langweilig, dem Publikum zu geben, was es schon immer wollte? Ich denke, was das Kulturpublikum schon immer will, ist gerade, sich nicht zu langweilen. Und langweilig wird es da, wo Kulturveranstalter nicht über die Minimalerwartungen des Publikums hinausgehen, ihm also nur geben, womit es sich gerade so zufrieden gibt. Auch wenn es ein viel strapaziertes Beispiel ist, sei hier auf Steve Jobs verwiesen, der meinte: «Meistens wissen die Leute nicht, was sie wollen, bis man es ihnen zeigt.» Das ist nicht nur ein gutes Motto für den Innovationswillen herkömmlicher Unternehmen. Es gilt überall da, wo Kreativität den Kern des Geschäfts ausmacht. Übertragen auf die kulturunternehmerische Arbeit heißt das in meinen Augen: Versuche, die Erwartungen des Publikums nicht (nur) zu erfüllen, sondern in einer Weise zu übertreffen, die es nicht erwartet.

  • Das Buch ist da! – «Kultur unternehmen»

    Es war lange nichts mehr los auf diesem Blog. Der letzte Eintrag stammt von Mitte August. Der wesentliche Grund dafür lag darin, dass die Zeit, die ich normalerweise zum Bloggen erübrigen kann, in die Fertigstellung eines Buches geflossen ist, das nun pünktlich zum Weihnachtsgeschäft erschienen ist. Kultur unternehmen: Wie junge Musiker das Kulturmanagement neu erfinden heißt es. Darin zeige ich in sechs kurzen Fallstudien zu verschiedenen Arbeitsfeldern des Kulturmanagements, z.B. zu Führung, Innovation, Marketing und PR sowie Kulturvermittlung, wie junge Kulturunternehmer Paradigmen der Kulturmanagementlehre neu definieren und frische Impulse setzen. Grundlage für die Fallstudien sind Interviews mit Kulturunternehmern, die jeweils in mindestens einem der genannten Arbeitsfeldern Beispielhaftes erreicht haben. Meine Gesprächspartner waren

    Auch wenn sich zeigt, dass es den exzellenten Kulturbetrieb nach Lehrbuch nicht geben kann, weil künstlerische Zielsetzungen und organisatorische Rahmenbedingungen immer sehr individuell aufeinander abgestimmt werden müssen, so ist es doch meine Hoffnung, dass dieses Büchlein gewisse Denkanstöße und Ideen gibt, wie zeitgemässes Kulturmanagement oder besser Kulturunternehmertum aussehen kann. Damit das gelingen kann, muss in meinen Augen ein zentrales Paradigma der Kulturmanagementlehre über Bord geworfen werden: Nämlich dass Kulturmanagement eine Hilfsfunktion sei, die das Kunstmachen ermöglichen soll, ohne inhaltlich darauf einzuwirken. Dieser Grundsatz mag theoretisch schlüssig sein, zumal wenn das Geld fürs Kunstmachen vom Staat kommt, der sich die Kunst damit freilich nicht willfährig machen können soll. Der Blick auf die Praxis zeigt jedoch, dass dieser Anspruch naiv und nicht einzulösen ist. Kulturmanagement ist idealerweise eine Funktion, die sich rückstandslos im Kunstmachen auflöst, das natürlich nie frei von sozialen, gesellschaftlichen, politischen, ethischen oder ökonomischen Kategorien stattfinden kann. Sozusagen ganz im Sinne von Goethes Epirrhema: «Nichts ist drinnen, nichts ist draussen; denn was innen, das ist aussen.»

    Die Artikel wurden für die Buchveröffentlichung noch einmal überarbeitet, die Interviews von meinen Gesprächspartnern noch einmal gesichtet und ggf. aktualisiert. Neu und bisher unveröffentlicht ist das Einleitungskapitel sowie das ausführliche Interview mit Louis Dupras, dem Geschäftsführer der Berner Camerata. Das Buch ist sowohl in klassischer Papierform als auch als E-Book erhältlich (iTunes, /eBook.de/libri.de). Das gedruckte Buch kostet 8.90 EUR bzw. 13.50 CHF, die E-Book-Variante in den ersten vier Wochen nach Erscheinen 3.99 EUR, danach 5.99 EUR. Rezensionsexemplare können über presse@bod.de bezogen werden. Mein besonderer Dank gilt der Redaktion des KM Magazins, in dem die meisten Artikel zwischen Herbst 2012 und Frühjahr 2013 erstveröffentlicht wurden.

    Natürlich freue ich mich über alle Rezensionen und Empfehlungen auf euren Blogs und Kanälen. Und ich freue mich, wenn ich mit dem Buch zu einer Diskussion beitragen kann, wie sich das Kulturmanagement im Sinne eines frischen, zeitgemäßen Kulturlebens weiter entwickeln sollte. Vor diesem Hintergrund plane ich, eine Blogparade zu dem Thema des Buches veranstalten. Dazu dann in Kürze mehr.

  • Kulturmanagementlehre: Auf dem digitalen Auge blind

    Das Kulturmanagement als akademische Disziplin feiert dieses Jahr seinen 25-jährigen Geburtstag. Anlässlich dieses Jubiläums unternahm Stephan Opitz kürzlich in der Süddeutschen Zeitung unter dem Titel «Ungeklärte Kernfragen» (leider nicht online verfügbar) eine kritische Würdigung: Die Entstehung des Faches verdanke sich einerseits der Verwandlung von Kultur- und Bildungsereignissen in Events, die in den 1980er Jahren vorangeschritten sei, sowie den zunehmenden Finanzschwierigkeiten, mit denen der in den 1970er massiv ausgebaute Kultursektor seit den 1990er Jahren zu kämpfen habe.

    Dafür sollte man das betriebswirtschaftliche Einmaleins lernen, um mit Marketingmethoden, führungstechnischen und finanzwirtschaftlichen Kompetenzen andererseits der Kultur auf die Sprünge zu helfen.

    Grundlegende Aspekte seien in der Ausbildung allerdings auf der Strecke geblieben, so Opitz. Etwa die Frage «Was ist Kultur – und warum soll sie von wem für wen vermittelt werden?», also die nach der grundlegenden Funktion, Bedeutung und Rolle von Kultur in der Gesellschaft. Als jemand, der im kulturwissenschaftlichen Grundstudium dauernd auf Adorno und im Hauptstudium dauernd auf Systemtheorie gestoßen wurde, kann ich den Eindruck nicht teilen, dass diese Frage zu kurz gekommen wäre. Auch im engeren Sinne ist die Kulturvermittlung, nicht zuletzt als Antwort auf den viel beschworenen demographischen Wandel, ein zentrales Thema in der Disziplin Kulturmanagement geworden und Gegenstand jeder gefühlten zweiten Abschlussarbeit, von der ich höre.

    Dass es ungelöste Kernfragen im Kulturmanagement gibt, sehe ich dennoch genauso. In meinen Augen dreht sich eine zentrale Kernfragen darum, wie sich der öffentlich finanzierte Kultursektor den digitalen Wandel zu Nutze macht bzw. der digitale Wandel Tatsachen mit sich bringt, auf die die Kultureinrichtungen zu reagieren haben. Eine Vorstellung davon, wie dies zu einer existenziellen Kernfrage werden könnte, erhält man mit Blick auf die kommerziellen Kulturbetriebe – insbesondere Verlage und Musikbusiness – deren Geschäftsmodelle durch digitale Innovationen entweder bereits überrollt wurden oder gerade überrollt werden. Ein aktuelles Beispiel ist der Streit zwischen Amazon und Hachette bzw. namhaften Autoren aus den USA. Öffentlich finanzierte Kultureinrichtungen mögen hier dank der öffentlichen Finanzierung etwas Schonzeit haben, früher oder später wird sie das Thema auch einholen.

    Zwar ist das Thema Kultur und Digitalisierung Gegenstand der einen oder anderen Publikation, aber als Kernfrage wird es in der Kulturmanagementlehre kaum verstanden. Was sich immerhin in Theorie und Praxis durchgesetzt hat, ist die Erkenntnis, dass auch Kultureinrichtungen digitale Medien für die (externe) Kommunikation nutzen können und sollten. Dieses Subthema der Digitalisierung hat somit inzwischen auch teilweise Eingang in die Studienpläne der Kulturmanagementlehrgänge und die Ressourcenplanung der Kultureinrichtungen gefunden. Aber damit fängt es erst an: Die Digitalisierung betrifft genauso auch die interne Kommunikation, das Marketing und den Kundenservice (Stichwort Big Data und Business Intelligence), das Wissensmanagement, die Rezeptionsgewohnheiten, ästhetische Innovationen, Crowdfunding und die Veränderung des Entscheidungsverhaltens der Besucher oder Kunden (s. hierzu etwa Zero Moment of Truth). Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.

    Mein Eindruck ist, dass der blinde Fleck, den Opitz‘ Analyse diesbezüglich hat, symptomatisch für die gesamte Disziplin des Kulturmanagements ist. Wenn man aber Überlegungen über die Weiterentwicklung des Faches Kulturmanagements anstellt, ist es in meinen Augen zentral, dem Thema «digitaler Wandel» einen größeren Stellenwert einzuräumen. Mit der defensiven Strategie, das Thema so lange zu verdrängen, bis es sich selbst mit Macht aufdrängt, verpasst man die Chance, etwas draus zu machen. Das wär ebenso schade wie dumm.

  • Kulturvermittlung und Web 2.0 – Eine Liebe auf den dritten Blick?

    Bei diesem Blogpost handelt es sich um einen Debattenbeitrag, der im Juni 2012 auf kultur-vermittlung.ch erschienen ist. Da die Rubrik «Debatte» und damit auch der Artikel inzwischen nicht mehr online sind, veröffentliche ich ihn hier mit dem Einverständnis von kultur-vermittlung.ch erneut.

    Das Web 2.0 und die klassische Kultur – das ist keine Liebe auf den ersten Blick. Noch nicht einmal unbedingt auf den zweiten. Das Social Web scheint so viele Gewissheiten des klassischen Kulturbetriebs über den Haufen zu werfen: freier Download statt Recht auf geistiges Eigentum, die Intelligenz der Masse statt Genie des einzelnen Künstlers, Zerstreuung statt Muße und Konzentration, unverbindliche Häppchenkultur statt der Bereitschaft, sich auch auf Schwieriges einzulassen.

    Dieser Eindruck bestätigt sich, wenn man auf Facebook, Twitter und Co. nach Kultureinrichtungen sucht. Natürlich sind dort mittlerweile viele Kultureinrichtungen vertreten, aber allzu oft verstehen sie Social Media nur als zusätzliche, neue Kanäle, die mit den altbewährten PR- und Marketingbotschaften befüllt werden können. Für die Kulturvermittlung wird Social Web nur selten genutzt. Teilweise kursiert sogar die Sorge, das Internet könne Kulturvermittlung überflüssig machen. Die Kulturmanagement-Professorin Birgit Mandel spricht hier von «kulturellen Selbstbildungsprozessen» der sog. «digital natives». Ob einem Oper gefällt? – mal schnell bei Youtube gucken. Was war noch mal Impressionismus? Kurz bei Wikipedia nachschlagen, dann weiß man’s. Wenn man es so sieht, dann scheint das Web 2.0 mehr eine Bedrohung als eine Bereicherung zu sein. Bei einer Entwicklung, die aber nicht mehr aufzuhalten, sondern nur noch mit zu gestalten ist, zählt aber der Blick auf die Chancen.

    Gerade wer junge Menschen ansprechen möchte, kommt an Facebook und Co. nicht mehr vorbei. Laut James-Studie 2010 haben 84% aller Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren ein Profil in einem Social Network, meist bei Facebook. Wer mit jungen Menschen kommunizieren möchte und – fast noch wichtiger – lernen möchte, wie sie kommunizieren, sollte sich auf Facebook umsehen.

    Vor allem spricht aber ein inhaltlicher Grund für Kulturvermittlung im Social Web: Gute Vermittlung bedeutet, nicht nur zu belehren und zu informieren, sondern die Faszination der Kunst durch Partizipation erlebbar zu machen. Was liegt da also näher, als das «Mitmach-Web» – wie das Web 2.0 auch genannt wird – für die Kulturvermittlung zu nutzen? Es gibt erstaunlich wenige Beispiele, wo das bereits geschieht.

    Eins ist das Education-Angebot des Staatsballetts Berlin. Dies umfasst natürlich Angebote für Schüler, selbst zu tanzen. Aber nicht jeder ist zum Tänzer geboren. Eine andere Möglichkeit besteht daher darin, dass die Schüler die Compagnie mit der Kamera begleiten und Filme über deren Arbeit produzieren, die sie bei Youtube einstellen. Diese Videos taugen nicht als PR-Clip, aber die jungen Filmemacher lernen aus nächster Nähe, was es heißt, ein Ballett zu erarbeiten. Und die Filme, in die sie ihre eigene ästhetische Handschrift einbringen können, verbreiten sie in ihren Netzwerken und werden so selbst zu Kulturvermittlern.

    Das Social Web ermöglicht auf diese Weise «kulturelle Selbstbildungsprozesse» im besten Sinne, macht das Engagement der Fans sichtbar und multipliziert es. Eine Studie aus den USA zeigt, dass das nicht das Kunsterlebnis vor Ort ersetzt. Im Gegenteil – wer sich in den digitalen Medien mit Kunst und Kultur auseinandersetzt, wird angeregt, dies auch im Hier und Jetzt der Aufführung oder Ausstellung zu tun.

    Viele Kinoromanzen leben davon, dass sich die Protagonisten zuerst nicht mögen und erst nach allerlei Wirren zueinander finden. Aber das Happy End bleibt nie aus. Warum sollte es also bei der Kultur und dem Web 2.0 anders sein?

  • Mindestlohn am Theater

    In letzter Zeit wird die prekäre Lage von Künstlern immer häufiger zum Thema gemacht, habe ich das Gefühl: Im Frühjahr veröffentlichte theaterjobs.de eine Vergütungsumfrage, über die ich hier bereits kurz geschrieben habe. Die aktuelle Ausgabe der Kulturpolitischen Mitteilungen widmet sich dem Schwerpunkt «Kreatives Prekariat» mit etlichen interessanten Artikeln zum Thema. Kulturmanagement.net lässt nun eine Sonderreihe mit dem Titel «Mindestkultur» über den soeben beschlossenen Mindestlohn und dessen Auswirkungen auf den Kulturbereich folgen. Den Auftakt zu dieser Serie durfte ich mit einem kurzen Kommentar zum Mindestlohn am Theater geben.

  • Skrowaczewskis Bruckner

    Durch einen Bekannten wurde ich kürzlich auf den Bruckner-Zyklus des Dirigenten Stanislaw Skrowaczewski aufmerksam. Ich hatte den Namen vorher noch nie gehört, die Aufnahmen dementsprechend auch nicht. Als ich sie dann hörte, fragte ich mich allerdings, wieso dieser Dirigent so ein Schattendasein in der Musikwelt fristet, während Christian Thielemann als der Bruckner-Dirigent unserer Tage gefeiert wird. Man kommt dabei auf unschöne, spekulative Gedanken über die Macht von Agenten und PR-Strategen im Klassikbusiness, die man schnell beiseite schieben sollte. Immerhin gibt es ja diese Aufnahmen und sie machen schnell klar, dass Skrowaczewski den Vergleich mit den grossen Bruckner-Dirigenten wie Wand, Celibidache oder Giulini nicht nur nicht zu scheuen braucht, sondern in vielen Punkten gewinnt. Und das, obwohl er für seine Einspielung kein Weltklasseorcherster zur Verfügung hatte wie die oben genannten.

    Von den Bruckner-Sinfonien kenne ich die 8. am besten, was damit zu tun hat, dass ich vor 14 Jahren mal als «Mädchen für alles» bei einer Orchesterakademie fungiert habe, bei der diese Sinfonie einstudiert wurde. Aus diesem Grund habe ich mir vor allem diese Einspielung genauer angehört und mit anderen Aufnahmen, die ich kenne, verglichen. Die besondere Stärke von Skrowaczewskis Aufnahme scheint mir darin zu liegen, die Stärken vieler anderer Brucknerdirigenten zu vereinen: Wie Celibidache oder Wand hat er die viel beschworenen grossen Bögen bei Bruckner perfekt im Griff. Das zeigt sich insbesondere im Adagio, wo er die grossen Steigerungswellen über 20 Minuten hinweg spannungsvoll bis zum grossen Höhepunkt staffelt und dann langsam wieder verebben lässt.

    Wie Karajan oder Giulini pflegt er einen satten, prächtigen Klang, mit einer allerdings eher rauen, markigen Tongebung im Blech. Trotzdem ist der Klang erstaunlich durchhörbar: Jedes einzelne Instrument bleibt auch in den grossen blechdominierten Klangmassen identifizierbar (sicher auch ein Verdienst der Tontechniker). Skrowaczewskis Bruckner lebt aber nicht – wie Celibidaches oder Karajans – von grossen Bögen und sattem Klang, sondern auch von hörbarer Detailarbeit, die immer überzeugend ist. Anders als Thielemann, der sich in der 8. hier und da gewisse Mätzchen herausnimmt, die zwar mal einen guten dynamischen oder agogischen Effekt hergeben, aber wenig mit dem zu tun haben, was Bruckner sich laut Partitur vorgestellt hat, entwickelt Skrowaczewski die Phrasierungen zwar auch mit einer gewissen interpretatorischen Freiheit gegenüber der Partitur, aber doch sehr natürlich aus dem Gestus, der in der Musik liegt. Im Scherzo etwa nimmt er die Hörner und Posaunen beim grossen Tutti mit den Pauken zuerst etwas zurück und lässt sie dann auf den Schlusspunkt der Phrase hin crescendieren (Min. 1:18-1:24). Stark. Ebenso die scharfen Blechakzente in den lauten Motivrepetitionen davor (Min 0:52).

    Diese Details in den Phrasierungen machen seine Interpretation ebenso spannend wie die von Harnoncourt, deren Stärken insbesondere auf diesem Gebiet der «musikalischen Rhetorik» liegt.

    Nach dieser Hörerfahrung mit Skrowaczewskis Bruckner-Aufnahmen hörte ich mir auch Beethovens 4. Sinfonie an. Ich habe nicht viel erwartet, weil ich keinen tollen Bruckner-Dirigenten kenne, dessen Beethoven-Aufnahmen mir gefallen. Ich war dann sehr positiv überrascht: Skrowaczewskis Beethoven klingt fast, als hätte er sich mit historischer Aufführungspraxis beschäftigt. Auch hier haben mich die Details begeistert. Mehr als bei den Bruckneraufnahmen wird hier allerdings deutlich, dass das eigentlich sehr gute RSO Saarbrücken spieltechnisch dann doch nicht auf den Champions League-Plätzen mitspielt, also dort, wo sich etwa Chaillys superbrillanter Hochpräzisionsbeethoven mit dem Gewandhausorchester Leipzig bewegt.

    Wie der Zufall es so will, gastiert Skrowaczewski im nächsten Frühjahr beim Basler Sinfonieorchester. Ursprünglich stand die 8. Sinfonie auf dem Programm. Leider wurde sie jetzt gegen die Bruckners 4. und eine Mozart-Sinfonie eingetauscht. Aber was soll’s? Das Konzert ist ein Pflichttermin!